Liebe Leser,

wir alle kennen das: Der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegt oft genug so richtig weit auseinander. In der großen Politik passiert gerade genau das. Der neue Kanzler Friedrich Merz, der vergangene Woche mit viel Mühe sowie der Hilfe von Linkspartei und Grünen ins Amt gekommen ist, will Deutschland wieder nach vorne bringen. Sagt er. Seine erste Regierungserklärung war voll von Ankündigungen und Aufbruchstimmung. Zumindest wollte er diese verbreiten. Bei uns verfängt er dabei ohnehin nicht, aber selbst beim Spiegel kam sie nicht an. Und der Spiegel ist schließlich ein Leitmedium. Es folgt gleich ein Zitat aus den Erkenntnissen der Korrespondentin Maria Fiedler, und dann lassen wir Sie mit dem Mainstream in Ruhe. Schließlich haben Sie sich bewusst für ein Medium der „anderen Seite“ entschieden. Bei Spiegel-Online steht also:

„Merz’ großes Versprechen ist ein ,Politikwechsel‘ in Deutschland, ein Aufbruch. Seine Rede sollte das vermitteln. Er sagte Sätze wie: ‚Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung blickt.‘ Doch transportieren konnte er den Aufbruch nicht. Die Rede blieb lau, wenig wird davon in Erinnerung bleiben. Merz, der eigentlich als versierter Redner gilt, blieb mit dieser ersten Regierungserklärung hinter seinen Möglichkeiten.“

Merz der große Redner. Nun ja. Da gehen Anspruch und Wirklichkeit wohl auch auseinander. In seiner Rede ging es Merz viel um Aufrüstung, um die „Unterstützung“ der Ukraine, die bei ihm vor allem aus Waffen besteht. Diplomatie haben der Kanzler und sein neuer Außenminister wohl aus ihrem Vokabular gestrichen.

Mit viel Pathos und Anspruch war Merz am Wochenende in der Ukraine und hat das, was er für Unterstützung hält, dort vor Ort heraus posaunt. Dabei ist seine Außenpolitik gleich zu Beginn in der Wirklichkeit einer Sackgasse angekommen, wie der Kollege Simon Zeise in der Berliner Zeitung (leider hinter der Bezahlschranke) kommentiert hat. Dem können wir folgen. Was treibt Merz, der doch wissen müsste, dass die Europäer keine Druckmittel in der Hand haben, fragt der Kommentator. Da haben sie mal eben ein Ultimatum aufgerufen und danach kam … nichts. Eben. Sie haben halt nichts anzubieten. Und der US-Präsident schloss sich dem Ultimatum gerade nicht an. Zeise endet gleichwohl versöhnlich und optimistisch:

„Nun heißt es für Merz abwarten und Tee trinken. Für einen Poker mit Putin fehlen ihm die Asse im Ärmel. Vielleicht hat die Pleite aber auch etwas Gutes. Merz ist noch jung im Amt, wenn er aus seiner frühen Niederlage die richtigen Lehren zieht, wird er vielleicht beginnen, eine diplomatische Initiative zu starten, die eine stabile Nachkriegsordnung in der Ukraine vorsieht. Die Gelegenheit ist günstig. Die Karten, die über die europäische Energiesicherheit entscheiden, werden gerade neu gemischt: In der Schweiz steht Nord Stream 2 zum Verkauf. Und in der CDU werden schon die Stimmen laut, die sich für die Wiederaufnahme von Wirtschaftsbeziehungen zu Russland einsetzen.“

Auch wenn es derzeit ganz anders aussieht und der mögliche Frieden zunächst ohne die Europäer verhandelt wird: Wir wollen hoffen, dass es besser wird und die Hybris der Deutschen rein verbal bleibt. Als weiterer Vertreter dieser Hybris zeigte sich in der vergangenen Woche der Bundespräsident, der seine Rede zum 80. Jahrestag des Kriegsendes ernsthaft dazu nutzte, sowohl gegen die USA als auch gegen Russland auszuteilen. Man muss kurz innehalten und überlegen: Wer hat da noch mal wen befreit? Mit Blick auf Steinmeiers Rede im Bundestag und bei der NATO wenige Tage zuvor kommentierte Arnold Schölzel in der jungen Welt:

„Dieses Steinmeier-Merz-Deutschland ist in der alten Spur. Der Versöhnung mit Russland war an diesem 8. Mai im Bundestag keine Silbe gewidmet, nur dem Siegfrieden. Steinmeier behauptete: ,Wir wissen, wohin Krieg führt.‘ Das war schon beim NATO-Beitritt vor 70 Jahren so gelogen wie heute: Krieg soll sein.“

Wir halten mit unseren Mitteln dagegen. Unser aktuelles Heft ist der Versöhnung und der Erinnerung gewidmet, viele der Texte können Sie in Auszügen auf unserer Website lesen (einige Links finden Sie weiter unten in diesem Newsletter). Vergessen Sie dabei nicht, dass Hintergrund nur existieren kann, wenn Sie uns nicht nur lesen sondern auch abonnieren.

Wir freuen uns natürlich auch darüber, wenn Sie unsere Bücher kaufen. Hierzu schon einmal eine Vorschau auf Ende Juni: Dann erscheint das neue Buch in der Reihe „Wissen kompakt“. Es ist einem vordergründig ganz anderen Thema gewidmet, dem Kampf für das Bargeld. Das Thema hat sehr viel mit der Zukunft unserer Gesellschaft zu tun, mit der Frage nach Überwachung versus Freiheit. Wenn Sie das Buch schon jetzt bei uns bestellen, bekommen Sie es zugeschickt, sobald es lieferbar ist. Übrigens können Sie den Autor Hakon von Holst demnächst in Berlin kennenlernen, er stellt sein Buch bereits vor dem Erscheinen im Sprechsaal vor. Infos zur dortigen Ausstellung und weiteren Veranstaltungen finden Sie ebenfalls in diesem Newsletter.

Wir senden Ihnen herzliche Grüße und bis bald!
Ihre Hintergrund-Redaktion

Ausstellung im Sprechsaal (Berlin-Mitte)

Adresse: Marienstraße 26, 10117 Berlin-Mitte
„Gaza – Der Krieg gegen die Palästinenser“
In der Ausstellung werden großformatig aktuelle Fotodokumente aus Gaza gezeigt.
Öffnungszeiten:
Ab 6. Mai 2025 Dienstag, Donnerstag, Freitag von 15 bis 19 Uhr,
nach Vereinbarung und vor Veranstaltungen
Eintritt gegen Spende.


Veranstaltungen im Sprechsaal
(Eintritt gegen Spende)
Völkermord in Gaza
Mittwoch, 28. Mai 2025, 19 Uhr
Vortrag, Lesung, Buchvorstellung, Diskussion mit der Autorin Helga Baumgarten zu ihrem Buch, das sie mit Norman Peach veröffentlicht hat
mehr zur Veranstaltung.
Der Ukraine-Krieg
Freitag, 30. Mai 20225, 19 Uhr
Buchvorstellung, Lesung, Diskussion
Mit Dr. sc. Lothar Schröter
Thema: Die Wurzeln, die Akteure und die Rolle der NATO
mehr zur Veranstaltung
.
Im Wirtschaftskrieg
Montag, 2. Juni 2025, 19 Uhr
Vortrag und Diskussion mit dem Autor Hannes Hofbauer zur Sanktionspolitik des Westens und ihren Folgen.
mehr zur Veranstaltung
Der Krieg gegen das Bargeld
Dienstag, 3. Juni 2025, 19 Uhr
Vortrag, Lesung und Diskussion mit dem Autor Hakon von Holst, der sein Buch vorstellt, das Ende Juni erscheint.
mehr zur Veranstaltung
Weitere Informationen auf der Website des Sprechsaals

Hakon von Holst

Der Krieg gegen das Bargeld

Werner Rügemer

Black-Rock Germany

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