Kriege

Afghanistan-Krieg: CIA plant Manipulation der europäischen Meinung

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Von DANIEL TENCER, 30. März 2010 –

Offenbar erschrocken durch den Zusammenbruch der niederländischen Regierung, der (vor einem Monat) wegen des Engagements in Afghanistan ausgelöst wurde, hat die CIA eine Strategie entwickelt, um einen befürchteten „überstürzten“ Einbruch in der Unterstützung des Afghanistan-Kriegs unter den europäischen Alliierten zu verhindern.

Ein Dokument mit dem Vermerk „vertraulich / nicht für ausländische Augen“, das auf der Wikileaks-Webseite veröffentlicht wurde, empfiehlt Strategien, um die öffentliche Meinung in Europa zu manipulieren, insbesondere in Frankreich und Deutschland. (1)

Das Dokument schlägt keine konkreten Methoden vor, mittels derer die CIA dieses Ziel umsetzen könnte – beispielsweise wird nicht erwähnt, Propaganda in der Presse zu platzieren – aber es legt dar, welche wichtigsten Punkte berücksichtigt werden sollten, um die Herzen und Gedanken bezüglich des Krieges zu ändern. Das Strategiepapier schlägt unter anderem vor, die Notlage afghanischer Frauen gegenüber der französischen Öffentlichkeit hochzuspielen, da diese ihre Besorgnis gegenüber den Rechten der Frauen in Afghanistan bereits zum Ausdruck brachte.

Für das deutsche Publikum schlägt das Dokument als Maßnahme vor, Panikmache hinsichtlich eines möglichen Scheiterns der NATO in Afghanistan zu betreiben. „Deutschlands Gefährdung durch Terrorismus, Opium und Flüchtlinge könnte helfen, dem Krieg gegenüber Skeptikern Legitimation zu verschaffen“, behauptet der Bericht.

Das Strategiepapier wurde von einer Gruppe namens CIA Red Cell ausgearbeitet, welche laut eigenen Angaben damit beauftragt wurde, „einen unkonventionellen Ansatz zu verfolgen, der die Gedanken provoziert und alternative Betrachtungsweisen bezüglich des gesamten Spektrums analytischer Belange anbietet.“  

„Der Sturz der niederländischen Regierung über den Truppeneinsatz in Afghanistan demonstriert die Zerbrechlichkeit der europäischen Unterstützung der NATO-geführten ISAF-Mission“, so das Dokument. „Einige NATO-Staaten, namentlich Frankreich und Deutschland, haben auf die Apathie der Öffentlichkeit in Sachen Afghanistan gezählt, wenn es um die Aufstockung ihres Beitrags zu der Mission  ging. Aber das Desinteresse könnte in aktive Feindschaft übergehen, wenn die Kämpfe im Frühling und Sommer in einem steilen Anstieg militärischer oder ziviler Opfer resultieren.“

Der CIA-Bericht bemerkt, dass 80 Prozent der Franzosen und Deutschen den Krieg ablehnen, und er bietet einen Ausweg an: Öffentliche Apathie, die es europäischen Staats- und Regierungschefs möglich machte, die Beteiligung trotz der großen Opposition auszuweiten und zu intensivieren.

Aber „wenn die Vorhersagen eines blutigen Sommers in Afghanistan eintreffen, könnte sich die passive Abneigung der Franzosen und Deutschen gegenüber ihrer Truppenpräsenz in eine wirksame aktive und politische Feindschaft verwandeln“, so der Bericht.

Obama soll sich einbringen

Die CIA Red Cell betont, dass Präsident Obama nach wie vor in Europa große Popularität auf einem Niveau genießt, wie man es selbst in den USA seit Monaten nicht mehr kennt. Der Bericht schlägt vor, den Präsidenten einzubinden, um den Europäern den Afghanistan-Krieg zu verkaufen.

„Das Vertrauen der französischen und deutschen Öffentlichkeit in Präsident Obamas Fähigkeit, internationale Angelegenheiten im allgemeinen und Afghanistan im besonderen zu bewältigen, legt nahe, dass sich Franzosen und Deutsche für eine direkte Bestätigung ihrer Bedeutung in der ISAF-Mission empfänglich zeigen würden und auch empfindsam auf direkte Äußerungen der Enttäuschung gegenüber Verbündeten reagieren würden, die nicht helfen“, heißt es in dem Bericht.

Der Bericht merkt an, dass (in öffentlichen Umfragen) „bei Befragten, die an Präsident Obamas Wunsch nach einer verstärkten (Truppen-)Stationierung in Afghanistan erinnert wurden, die Zustimmung für dieses Vorhaben dramatisch von 4 auf 13 Prozent bei den französischen und von 7 auf 13 Prozent bei den deutschen Befragten anstieg.

Um die Einstellung der Franzosen zu ändern, schlägt die CIA Red Cell vor, den Afghanistan-Krieg mit dem Bestreben nach der Verbesserung der Frauenrechte in Afghanistan zu verknüpfen. Es wird auch vorgeschlagen, herauszustellen, dass die Mission in Afghanistan beliebter ist als in Europa, zumindest laut den im Bericht zitierten Statistiken.

„Afghanische Frauen könnten als ideale Botschafterinnen dienen und die Rolle der ISAF im Kampf gegen die Taliban menschlich darstellen, weil die Frauen persönlich und glaubhaft über ihre Erfahrungen unter den Taliban, ihre Sehnsüchte für die Zukunft und ihre Angst vor einem Sieg der Taliban sprechen könnten“, so das Dokument.  

„Die breite Unterstützung der Afghanen für die ISAF herauszustellen, könnte den positiven Einfluss auf die Zivilisten unterstreichen. Laut einer verlässlichen Umfrage vom Dezember 2009 unterstützen ungefähr zwei Drittel der Afghanen die Präsenz der ISAF-Kräfte in Afghanistan“, so der Bericht.

Für die deutsche Öffentlichkeit sollte die Botschaft laut dem Bericht ein wenig anders lauten. „Mitteilungen, die die Konsequenzen eines NATO-Rückzugs für die spezifisch deutschen Interessen dramatisieren, könnten der weit verbreiten Auffassung, dass Afghanistan nicht Deutschlands Problem sei, entgegenwirken. So könnten beispielsweise Nachrichten, die verdeutlichen, wie Deutschland durch einen Rückzug in Afghanistan verstärkt Terrorismus, Opium und Flüchtlingen ausgesetzt wäre, dazu beitragen, den Krieg gegenüber Skeptikern als notwendig erscheinen zu lassen.“     

Zahlreiche Nachrichten der vergangenen Jahre deuten an, dass die CIA in den Afghanistan-Krieg tiefer verstrickt ist, als dies in vorausgegangenen Kriegen der Fall war. So wurde etwa durch die Nachricht, sieben CIA-Agenten seien in ihrer Operationsbasis durch ein Selbstmordattentat getötet worden, die Tatsache hervorgehoben, dass die CIA im Wesentlichen als eine Unterabteilung des Militärs in Afghanistan operiert und die unbemannten Drohnenanschläge gegen die Taliban ausführt.  

Das Selbstmordattentat verdeutlicht auch die Schwierigkeiten der (CIA-)Behörde, Verständnis für die Situation in dem zentralasiatischen Land zu entwickeln. CIA-Agenten hatten geglaubt, dass der Selbstmordattentäter Human Khalil Abu-Mulal al-Balawi willens war, für sie als Informant zu arbeiten. Sie waren offensichtlich völlig im Ungewissen über seinen Status als Doppelagent und  planten vor seiner Ankunft, bei der er sich in die Luft sprengte, sogar eine Geburtstagsfeier für ihn.


Der Artikel erschien im Original am 26. März 2010 unter dem Titel CIA paper reveals plans to manipulate European opinion on Afghanistan bei the raw story.

Die Textergänzungen in kursiven Klammern wurden vom Übersetzer eingefügt.

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Übersetzung: Sebastian Range

Anmerkung
(1) Das CIA-Strategiepapier lässt sich hier nachlesen: http://file.wikileaks.org/file/cia-afghanistan.pdf
Das CIA-Papier kann auch in deutscher Übersetzung aufgerufen werden unter http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_10/LP08710_310310.pdf

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