Innenpolitik

Unter Freunden: Der Emir von Katar auf Deutschland-Besuch

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 17. September 2014 –

Der Emir von Katar, Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, beginnt am Mittwoch  einen zweitägigen Deutschland-Besuch. In Berlin kommt er zu einem Treffen mit Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel zusammen.

Der reiche Golfstaat, in dem 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden soll, ist ein gefragter Geschäftspartner der deutschen Wirtschaft. So wird der Scheich in der Hauptstadt ein hochkarätig besetztes Wirtschaftsforum eröffnen. Auf dem Programm steht zudem ein Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Katar zählt in Deutschland zu den größten ausländischen Investoren. Es ist nach eigenen Angaben mit 18 Milliarden US-Dollar (13,9 Mrd. Euro) der größte arabische Investor hierzulande. Investoren aus dem Golfstaat sind unter anderem an Volkswagen (17 Prozent), der Deutschen Bank (5,93 Prozent), Siemens (3,15 Prozent) und Hochtief (11,1 Prozent) beteiligt.

Der Golfstaat kündigte weitere Unternehmensbeteiligungen in Deutschland an. „Wir erwarten in der nächsten Zukunft, dass die Investitionssumme Katars in der deutschen Wirtschaft weiter wachsen wird“, sagte Wirtschafts- und Handelsminister Scheich Ahmed bin Jassim bin Mohamed Al Thani am Mittwoch bei einem Wirtschaftsforum in Berlin. Umgekehrt gebe es auch für deutsche Firmen in Katar große Investitionschancen. Bis zur Fußball-WM sind dort gewaltige Infrastrukturprojekte geplant.

Der katarische Wirtschaftsminister sprach von einer „guten, starken Freundschaft“ mit Deutschland. Der Handel zwischen beiden Ländern habe 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 12,5 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro zugelegt. Die deutschen Exporte nach Katar hatten ein Volumen von rund 1,3 Milliarden Euro.

Doch die Freundschaft zur Golfdiktatur unterliegt gegenwärtig einer politischen Belastungsprobe. Während sich die Bundesregierung vor Wochen dazu entschlossen hat, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik offiziell Waffen an eine Konfliktpartei in einem Kriegsgebiet zu senden, um so im Irak dem Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) Einhalt zu gebieten, gilt Katar als wichtigster Finanzier islamistischer Terrorgruppen in der Region.

Die katarische Regierung habe „klar zu erkennen gegeben, dass es keine Probleme damit hat, wenn islamistische Radikale die Nachbarländer überrennnen“, erklärte David Weinberg, Nahost-Experte der Foundation for the Defense of Democracies, gegenüber dem US-Nachrichtensender FoxNews am Dienstag. (1) Formell sei Katars Regierung Teil der Koalition gegen den Islamischen Staat, gleichzeitig sei sie jedoch „hauptverantwortlich dafür, dass radikale Islamisten zum dominanten Element in der syrischen Opposition wurden“, so Weinberg, der ehemals als Berater des Vorsitzenden für Nahost-Angelegenheiten im Außenpolitik-Ausschuss des US-Senats fungierte.

Vor diesem Hintergrund forderten Politiker von SPD, Linken und Grünen Gauck und Merkel auf, den Emir auf kritische Themen anzusprechen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass beim Besuch Al Thanis nicht über die Situation im Irak und Syrien gesprochen wird – und über die Rolle Katars in den Konflikten“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Klaus Barthel (SPD), dem Handelsblatt. Es gebe hohen Aufklärungsbedarf.

Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner sagte der Zeitung mit Blick auf Katar: „Länder, die finanziell oder politisch den Terrorismus des IS unterstützen, dürfen weder deutsche Waffenlieferungen bekommen, noch sollte es mit solchen Staaten privilegierte Wirtschaftsbeziehungen geben.“

Die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linken im Bundestag, Sevim Dagdelen, bezeichnete es als „unerträglich, dass Berlin dem blutigen Diktator Katars (…) den roten Teppich ausrollt“. Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Andreae, erwartet von der Bundesregierung, dass sie auch mögliche Menschenrechtsverletzungen von ausländischen Arbeitern auf den WM-Baustellen des Landes anspricht.

Exportschlager Terrorismus

Das Emirat werde als westlicher Alliierter im Kampf gegen Terrorismus betrachtet und gleichzeitig als wichtigster Unterstützer radikaler Dschihadisten im Nahen Osten kritisiert, beschreibt FoxNews die Situation und fügt hinzu: „Möglicherweise hat es einen Weg gefunden, beides zu sein.“ (2)

Eine Anspielung auf die Praxis der Golfdiktatur, Terrorgruppen nicht direkt, sondern durch die Auszahlung von Lösegeldern zu finanzieren und sich gleichzeitig als für den Westen unverzichtbarer Konfliktvermittler gebärden zu können.

Jüngstes Beispiel dieser Finanzierungspraxis ist die Freilassung von 45 UN-Blauhelmsoldaten aus den Händen der zum al-Qaida-Netzwerk gehörenden al-Nusra-Front. Laut offiziellen UN-Angaben sei kein Lösegeld geflossen, um die Geiseln freizubekommen. Hinter den Kulissen ist jedoch die Rede von 20 Millionen US-Dollar, die Katar an die Terrorgruppe gezahlt habe.

„Terroristen der al-Nusra-Front hätten das Verbrechen nicht begangen ohne die direkte Unterstützung Katars”, lautete anschließend der Vorwurf des syrischen Außenministeriums. (3)

Wie der libanesische Daily Star vor Kurzem berichtete, habe es Anfang September direkte Gespräche zwischen Vertretern Katars,  der al-Nusra-Front  und dem Islamischen Staat in der nordlibanesischen Stadt Arsal gegeben. (4)

Es sei „verblüffend“, so David Weinberg, dass ein Land, das eine US-Militärbasis beherbergt, sich „in Zeiten einer globalen Koalition gegen Terrorismus“ mit Vertretern der al-Nusra-Front und des Islamischen Staates zu direkten Gesprächen an einen Tisch setzt und die Forderungen der Terroristen vermittelt. (5)

Verblüffend ist das jedoch nur, wenn man davon ausgeht, dass der von den Vereinigten Staaten ausgerufene „Krieg gegen den Terror” tatsächlich die Schwächung islamistischer Terrornetzwerke zum Ziel habe und nicht die Verfolgung eigener geopolitischer Interessen.

Geht man vom Letzteren aus, so ist Katar für die USA ein verlässlicher Partner:   Sei es bei der Eindämmung des iranischen Einflusses oder als Unterstützer von Regierungsumstürzen wie in Libyen oder Syrien. Es ist daher weder verblüffend noch überraschend, dass die Vereinigten Staaten im Juli den bislang größten  Waffendeal dieses Jahres mit Katar abgeschlossen haben. Für insgesamt 11 Milliarden US-Dollar erhält das Emirat Rüstungsgüter, darunter Kampfhubschrauber und  Anti-Panzer-Raketen.

Der Waffendeal „unterstreicht die starke Partnerschaft zwischen Katar und den USA im Bereich der Sicherheits-und Verteidigungspolitik und wird dazu beitragen, unsere bilateralen Beziehungen auf dem Gebiet militärischer Operationen zu verbessern“, erklärte ein Pentagon-Sprecher. (6)

Auch Deutschland will nicht hinten anstehen wenn es darum geht, einen Freund und Partner militärisch hochzurüsten, dessen Unterstützung islamistischer Terrorgruppen schon als traditionell zu bezeichnen ist. (7)

In den vergangenen Jahren hat Berlin milliardenschwere Rüstungsdeals mit dem Golfstaat abgeschlossen. Zu den deutschen Exportschlagern zählen unter anderem Leopard-Kampfpanzer sowie Panzerhaubitzen.  

Die nun auf dem Berliner Wirtschafsforum erfolgte Ankündigung weiterer Großinvestitionen in deutsche Unternehmen durch Katars Wirtschaftsminister wird sicherlich das ihrige dazu beitragen, die Bundesregierung davon zu überzeugen, den nach Öl-und Erdgas zweitwichtigsten Exportschlager des Emirats – den internationalen Terrorismus – nicht wie von der Opposition gefordert in den Vordergrund zu stellen.


 

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Anmerkungen
(1) www.foxnews.com/world/2014/09/16/qatar-cozies-up-to-us-while-funding-terror-say-critics/
(2) ebd.
(3) http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2014/Sep-14/270636-syrian-fm-qatar-directly-supports-nusra-kidnappings.ashx#axzz3DZordCgT
(4) http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2014/Sep-06/269762-isis-nusra-front-hand-demands-to-qatari-mediators.ashx#axzz3DZordCgT
(5) www.foxnews.com/world/2014/09/16/qatar-cozies-up-to-us-while-funding-terror-say-critics/
(6) http://finance.yahoo.com/news/u-signs-agreement-11-billion-220728073.html
(7) So konnten im Mai 1996 vier al-Qaida-Mitglieder, darunter der heutige Anführer der Terrorgruppe, Ayman al-Zawahiri, aus dem Emirat dank Blanko-Ausweisen entkommen, die ihnen laut einem Bericht der Los Angeles Times auf Veranlassung des Außenministers des Golfstaates zur Verfügung gestellt worden waren. (Siehe: http://web.archive.org/web/20090213114442/http://articles.latimes.com/2002/sep/01/nation/na-plot ) Ein weiterer Nutznießer der katarischen Unterstützung war Khalid Sheikh Mohammed, der als Drahtzieher der 9/11-Anschläge gilt und seit Beginn der 1990er Jahre unter dem Schutz der Regierung in Katar lebte, obwohl er mit dem Anschlag auf das World Trade Center 1993 in Verbindung gebracht wurde. Im Januar 1996 wurde er in dieser Sache in den USA offiziell angeklagt und auf seine Ergreifung eine Belohnung in Höhe von 2 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Dass Mitglieder der Regierung Katars den mutmaßlichen Drahtziehern der 9/11-Anschläge Schutz gewährten und zur Flucht verhalfen, war nach dem 11. September 2001 in den offiziellen Untersuchungen kein Thema mehr. Dabei berichtete die New York Times bereits 1999,  Katar sei eines von zwei arabischen Ländern, das al-Qaida unterstütze. (Siehe:  http://www.nytimes.com/1999/07/08/world/us-officials-say-aid-for-terrorists-came-through-two-persian-gulf-nations.html?src=pm )

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