Kriege

Syrien: USA drohen mit Eskalation, sollte Waffenstillstand scheitern

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Am Samstag soll in Syrien eine Feuerpause in Kraft treten, von der al-Qaida und der „Islamische Staat“ jedoch ausgenommen sind. Washington kündigte einen „Plan B“ an, sollte diese scheitern –

Von SEBASTIAN RANGE, 25. Februar 2016 –

Anfang Februar hatten sich die Vertreter der Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien (ISSG) im Vorfeld der Münchener Sicherheitskonferenz auf eine Feuerpause in dem arabischen Land geeinigt, die schließlich nicht in Kraft trat. Der Westen macht hierfür vor allem die von Russland unterstützte Offensive der syrischen Armee bei Aleppo verantwortlich.

Nun erfolgt der zweite Anlauf zu einer Feuerpause: In der Nacht zu Samstag sollen ab 00:00 Uhr Damaszener Ortszeit die Waffen derer schweigen, die dem Abkommen zustimmen. Bis spätestens Freitagmittag müssen die jeweiligen Seiten ihre Bereitschaft zum Waffenstillstand gegenüber den USA oder Russland bestätigen.

Das unter saudischer Regentschaft gebildete Hohe Verhandlungskomitee (HNC) der Opposition hat der Vereinbarung inzwischen „bedingt“ zugestimmt. Auch die syrische Regierung erklärte ihre Bereitschaft, wobei sich Damaskus eine „Hintertür offen“ gehalten habe, wie Spiegel-Online berichtete: „Der Kampf gegen den ‚Islamischen Staat‘ (IS) und die mit al-Qaida verbündete Nusra-Front soll weitergehen.“  (1)

Das Nachrichtenmagazin unterschlägt, dass der IS und die Nusra-Front von der von Russland und den USA formulierten Vereinbarung ausdrücklich ausgenommen sind, es sich somit nicht um eine „Hintertür“ der syrischen Regierung handelt. In dieser heißt es wörtlich: „Im Einklang mit der UN-Resolution 2254 und den Erklärungen der ISSG sind der ‚Islamische Staat‘, die ‚Nusra-Front‘ sowie andere vom UN-Sicherheitsrat als terroristisch eingestufte Gruppen von der Einstellung der Feindseligkeiten ausgenommen.“ (2)

Bemerkenswert dabei ist, dass in der Vereinbarung die Passage der genannten UN-Resolution nicht aufgegriffen wurde, der zufolge auch Individuen oder Gruppen von Friedensverhandlungen ausgeschlossen sind, die mit dem IS oder al-Qaida „verbunden“ sind. (3)

Moskau hatte sich in den vergangenen Wochen wiederholt auf diesen Aspekt der UN-Resolution berufen, und damit Vorwürfen des Westens entgegnet, auch Luftschläge gegen Aufständische durchzuführen, die nicht dem IS oder al-Qaida angehören. Russland verweist darauf, dass die Nusra-Terroristen in den nördlichen syrischen Provinzen Aleppo, Idlib und Latakia eng mit jenen Kräften kooperieren, die vom Westen zwar gerne als „moderat“ und „demokratisch“ bezeichnet werden, jedoch laut dem Wortlaut der UN-Resolution als legitime Ziele betrachtet werden.

Die Nusra ist Teil des Bündnisses der „Armee der Eroberer“, und dort zweitstärkste Kraft nach der islamistischen Ahrar al-Sham. (4) Wie reuters berichtete, hatten HNC-Vertreter erfolglos insistiert, die al-Qaida-Kämpfer in die Waffenstillstandsvereinbarung  einzubinden (5) – schließlich wissen sie selbst am besten, dass eine Unterscheidung auf dem Schlachtfeld zwischen der Nusra und den von ihnen vertretenen Kampfgruppen angesichts ihrer engen Kooperation nahezu unmöglich ist. (6)

Mit der Haltung, Russland respektive die syrische Armee müsse die Offensive in Aleppo einstellen, macht sich der Westen de-facto zur Schutzmacht al-Qaidas. Selbst die prorussischer Positionen unverdächtige BBC kam nicht umhin, die Feststellung zu treffen: „Washington und al-Qaida befinden sich objektiv auf derselben Seite.“ (7)

„In enger Abstimmung mit den USA“ finanzierten die Türkei und Saudi-Arabien  „gewalttätige islamistische Gruppierungen, allen voran die Nusra-Front und die sogenannten Freien der Region Syriens (gemeint ist Ahrar al-Sham, Anm. d. Red.), die im Wesentlichen auch ein El-Kaida-Ableger sind“, schildert Nahost-Experte Michael Lüders gegenüber dem Deutschlandfunk die Lage. „Es sind gewalttätige Gruppierungen, die aber aus den USA, der Türkei und Saudi-Arabien unterstützt werden, um ein ‚moderates Gegengewicht‘ zum Islamischen Staat zu bilden.“ Es sei „schon sehr erstaunlich“, dass „die USA allen Ernstes eine Bewegung kofinanzieren, die ein Ableger darstellt von El-Kaida, also jener Organisation, die verantwortlich ist für die Terroranschläge von 9/11“. (8)

Da die Waffenstillstandsvereinbarung im Unterschied zur UN-Resolution nicht die Passage enthält, der zufolge auch die mit al-Qaida liierten Kräfte von dem Abkommen auszunehmen sind, besteht nun die Möglichkeit, dass einzelne mit der Nusra verbandelte Gruppen dem Abkommen zustimmen können.

Washington und Moskau wollen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe konkret festlegen, für welche Gruppen und Gebiete die Feuerpause Geltung hat. Eine genaue Unterscheidung wird sich in der Praxis als äußerst schwer erweisen.

Dürfen etwa Kommandozentralen oder Waffendepots angegriffen werden, wenn diese sowohl von der Nusra als auch von Gruppen genutzt werden, die sich zum Waffenstillstand verpflichtet haben? Und wie soll mit dem Phänomen umgegangen werden, dass die Nusra-Front vermehrt  dazu übergeht, „umzuflaggen“, und sich beispielsweise mit der Fahne der Ahrar al-Sham schmückt? (9)

Wenn auf solche Fragen nicht schnellstmöglich eine gemeinsame Antwort gefunden wird, wird die Feuerpause absehbar nicht lange halten. Immerhin besteht nun seit Jahren erstmals eine realistische Gelegenheit, eine spürbare Reduzierung der Kampfhandlungen zu ermöglichen.

Erst das militärische Eingreifen Russlands habe diese Chance eröffnet, befindet Harald Kujat, General a. D. der Luftwaffe und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr:  „Bis September 2015 herrschte doch Stillstand in Syrien. Weder die Amerikaner noch die Europäer hatten eine Strategie für ein friedliches Syrien und waren auch nicht bereit, sich militärisch massiv zu engagieren. Das Ergebnis waren viele tausend Tote und Flüchtlinge. Die Russen haben es gemacht und damit ein Fenster für eine politische Lösung aufgestoßen.“ (10)

Syriens Stalingrad

Ganz anders fällt die Einschätzung der Bundesregierung aus. Moskau habe „einerseits Aleppo unter einem Bombenteppich begraben und andererseits im Friedensprozess bei den Wiener Gesprächen um Vertrauen“ geworben, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Das sei nur „schwer erträglich“. (11)

Die Bemühungen für einen Friedensprozess stünden „an einem Scheideweg“, sagte Außenminister Frank-Walther Steinmeier vor zwei Wochen. „Wie soll es möglich sein, am Verhandlungstisch nach Kompromissen zu suchen, während gleichzeitig bei Aleppo und anderswo mit immer größerer Brutalität Krieg geführt wird?“ (12)

Während Regierungsvertreter die von Russland unterstützte Offensive der syrischen Armee in der Provinz Aleppo zum Haupthindernis auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung erklärten, überschlugen sich hiesige Medien geradezu in einer martialischen Rhetorik: Russlands Präsident Putin „bombt sich sein Syrien zurecht“ (Zeit), er „bombt Aleppo zum zweiten Grosny“ (Spiegel), die Stadt sei „Syriens Stalingrad“ (FAZ),  „gnadenlos vernichtet die russische Walze die Rebellen“ (stern).

Immer wieder ließen Medien und Politik den falschen Eindruck entstehen, der von den Aufständischen kontrollierte Teil der Stadt Aleppo – und damit ein dichtbesiedeltes Gebiet – sei Ziel der syrisch-russischen Offensive, indem nicht zwischen der Stadt Aleppo und der gleichnamigen Provinz unterschieden wurde. Gerne wird dabei auch fälschlicherweise das Bild einer „eingekesselten“ Stadt bemüht, die in Schutt und Asche gelegt werde.

Zwar wurde die wichtigste Verbindungsroute der von den Aufständischen kontrollierten Stadtteile Aleppos in die Türkei gekappt, aber über die Provinz Idlib besteht nach wie vor eine Passage zur türkischen Grenze. Die Tausenden Flüchtlinge, die vor der türkischen Grenze nahe der Stadt Asas ausharren, sind aus den von den Kampfhandlungen betroffenen Gebieten nördlich der Stadt Aleppo geflohen, wo Russland seine Luftangriffe durchführte  – nicht aus der Großstadt selbst, deren Verbindung zur Grenzregion bei Asas ja gekappt wurde.

Ganz so, als sei es eine unmittelbare Folge des Vormarschs der Armee, meldete Spiegel-Online vor zwei Wochen, in der Stadt Aleppo gebe es „keine reguläre Wasserversorgung mehr“, die Situation werde „immer unerträglicher“, fünfzigtausend Einwohner der Großstadt seien aufgrund der „jüngsten Kämpfe“ vertrieben worden. (13)

Dabei ist die prekäre Versorgungslage seit Jahren Dauerthema – und kann kaum der syrischen Regierung angelastet werden, wie der Journalist Peter Oborne jüngst aus Aleppo berichtete. Denn das für die Stadt genutzte Wasserreservoir befindet sich in den Händen des „Islamischen Staates“, die Leitungen nach Aleppo müssen ein von der Nusra-Front kontrolliertes Gebiet passieren. Ähnlich verhält es sich mit der Stromversorgung. (14)

Vor Tagen gelang es der syrischen Armee, das östlich von Aleppo gelegene Kraftwerk vom IS zurückzuerobern, das die Stadt mit Strom versorgt – was hiesigen Leitmedien keinerlei Meldung wert war, widerspricht es doch dem von ihnen vornehmlich gezeichneten Bild, die syrische Armee würde in Aleppo nur die vom Westen unterstützten „moderaten“ Kräfte ins Visier nehmen.

Es genüge „ein Blick auf die Landkarte“, um den militärischen Zweck der Operation bei Aleppo zu erkennen, so Harald Kujat. Das Gebiet liege „wie ein Sperrriegel“ zwischen dem Herrschaftsbereich des „Islamischen Staates“ und den von der Regierung kontrollierten Gebieten. Die syrische Armee wollte sich damit „eine bessere Ausgangsposition für den Kampf gegen den IS verschaffen und eine zentrale Nachschubroute für Öltransporte und Terrorkämpfer aus der Türkei in die IS-Region kappen“. (15)

Flüchtlinge als Waffe

Wer die öffentliche Debatte der letzten Woche verfolgt hat, muss den Eindruck gewinnen, die syrische Flüchtlingskrise habe erst vor fünf Monaten mit dem militärischen Eingreifen Russlands begonnen. Und nicht selten schwingt der Vorwurf mit, Moskau treibe Menschen gezielt in die Flucht, um Europa zu destabilisieren.

„Putin setzt Flüchtlinge als Waffe ein“, erklärte John McCain während der Münchener Sicherheitskonferenz. (16) Mit seiner Haltung stand der US-Senator, der sich den Ruf des „Kriegstreibers“ redlich erarbeitet hat (17), nicht allein.  „Mehrfach war in München zu hören, Russland setze die Flüchtlinge als Waffe gegen Europa ein, um den Kontinent zu destabilisieren“, berichtete die Welt. (18)

Auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, bezichtigt Moskau, „eine gezielte Destabilisierung der europäischen Nachbarschaft“ zu betreiben. (19) In den Augen des Russlandbeauftragten der Bundesregierung, Gernot Erler, wird die Flüchtlingskrise von Moskau „genutzt“, um seine Interessen durchzusetzen. (20)

Für Russland sei es ein nicht „unwillkommener“ Nebeneffekt seiner Luftangriffe, dass die Zahl der Flüchtlinge nach Europa weiter steigen werde, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen. (21)

Russland schaffe „willentlich eine Situation, die immer mehr Migration nach Europa erzwingen wird“, zitiert die Welt den ehemaligen US-Botschafter in Berlin, Dan Coats. „Es macht mir große Sorge, wie Migration als Waffe eingesetzt wird, um Europa und den Westen zu schwächen.“ (22)

Mit seiner Aussage, er sei sich nicht sicher, „ob bei der Vertreibung von Sunniten nicht die Absicht dahinter steckt, ein Problem in Europa zu verursachen“, verbindet Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon den Vorwurf einer gezielten Destabilisierungspolitik mit der Behauptung, Moskau führe einen sektiererischen Krieg gegen die sunnitischen Syrer. (23)

Auch dieser Vorwurf erfreut sich in den Leitmedien einiger Beleibtheit. Russland zeige der „sunnitischen Welt nun sein Gesicht“, meint der außenpolitische Korrespondent der Zeit, Michael Thumann. „Es ist bereit, den alawitischen Diktator zu schützen, koste es die Syrer, was es wolle.“ (24)

Russlands „Festhalten an Assad“ wird nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Ruprecht Polenz langfristig dazu führen, dass der „Islamische Staat nicht besiegt werden kann, denn das kann nur gelingen, wenn sich auch sunnitische Araber gegen den Islamischen Staat wenden“. (25)

In Syrien kämpfen jedoch auch Sunniten gegen den „Islamischen Staat“, und zwar in den Reihen der Armee. Deren „Kern besteht, für viele vielleicht unerwartet, aus Sunniten“, stellte das US-Magazin The National Interest vor zwei Wochen fest und belegt diese Behauptung mit einer Reihe von Beispielen. Die pluralistische Ausrichtung der Armee, in der es christliche, sunnitische und alawitische Generäle gibt, sei der Hauptgrund, warum sie entgegen vieler Prognosen nicht in sich zusammen gebrochen ist.

Die Armee stehe damit für ein säkular-pluralistisches Syrien, von dem auch die   Oppositionsvertreter gerne sprechen, wenn sie „in Genf, Washington oder Wien“ erscheinen, doch „deren Repräsentanten vor Ort sind verbündet mit den sektiererischsten Terrorgruppen, die der Nahe Osten jemals gesehen hat“, so das US-Magazin. (26)

Der „Islamische Staat““ – lachender Dritter? 

Im hiesigen öffentlichen Diskurs werden solche Einwände gerne unterschlagen. Als ginge es um einen Wettbewerb, die Realität in Syrien möglichst verzerrt darzustellen, wird der „Islamische Staat“ zum „großen Gewinner der russischen Intervention“ erklärt (27), der „vorerst aufatmen“ könne. (28) Auch in den Augen des Russlandbeauftragten Gernot Erler ist der IS der „lachende Dritte“. (29)

Ob innerhalb der IS-Führungsriege Erheiterung darüber herrscht, dass Russland dem selbsternannten Kalifat einen Großteil seiner rollenden Öltankerflotte weggebombt und es damit seiner wichtigsten Einnahmequelle beraubt hat, kann indes getrost bezweifelt werden.

Die USA ließen den Ölhandel des „Islamischen Staates“ – bis zum Eingreifen Russlands – unbehelligt, aus „Umweltschutzgründen“, wie der ehemalige stellvertretende  CIA-Direktor Michael Morell gegenüber dem US-Sender PBS das Nicht-Eingreifen rechtfertigte. (30)

Da nicht sein kann, was nicht sein darf, wurde der entscheidende russische Beitrag, der zu der von Spiegel-Online vor einem Monat vermeldeten Geldknappheit des IS führte, mit keinem Wort erwähnt, hingegen die „gezielten“ Angriffe der USA auf die „vom IS kontrollierte Ölfelder in Syrien“ von dem Hamburger Nachrichtenmagazin löblich hervorgehoben. (31)

Die „Behauptung der syrischen Opposition und ihrer ausländischen Unterstützer“, die Regierungstruppen und Russland würden den IS gar nicht bekämpfen, sei ein „zweckdienlicher Mythos“, befindet hingegen die Independent.

Die vom „Islamischen Staat“ erstellte Auflistung der im Januar durchgeführten Selbstmordattentate zeige, wo die Prioritäten des Kalifats bei der Verteidigung seines Territoriums wirklich liegen, so die britische Zeitung. Von 85 Operationen richteten sich demnach 54 gegen die irakische Armee, 29 gegen die syrischen Truppen.  

„Die Behauptungen des Westens, Russland bekämpfe nicht den IS, sondern fokussiere sich darauf, eine mysteriöse ‚moderate‘ Opposition auszulöschen, von der gesagt wird, sie stelle eine große Gefahr für Assad dar, war schon immer mehr ein Propagandaslogan“, schreibt die Independent. (32)

Russland „wirkliche Schmerzen“ bereiten

Ob die am Samstag in Kraft tretende Feuerpause Bestand haben wird, hängt nicht zuletzt von der Türkei ab. Im Kampf gegen die syrischen Kurden schleust Ankara weiterhin massiv „islamistische Kämpfer einschließlich Anhänger der IS-Terrormiliz“ nach Syrien. (33)

Die kurdischen Milizen sind die mit Abstand größte Kraft innerhalb der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Das Bündnis wird von den USA unterstützt, während die Türkei es als größte Bedrohung seiner Sicherheitsinteressen betrachtet. Mit Artilleriebeschuss versucht die türkische Armee den Vormarsch der SDF in der Aleppiner Provinz Richtung türkischer Grenze – der ebenso neue Flüchtlinge produzierte wie die Offensive der syrischen Armee – zu unterbinden. Insbesondere soll die Erstürmung der Stadt Asas verhindert werden, der laut BBC „wichtigsten Hochburg der Nusra Front“. (34)

Nach Plänen der türkischen Regierung soll Asas das Zentrum einer „Sicherheitszone“ bilden, auf deren Einrichtung Ankara seit Langem drängt, um ein von den kurdischen  Kräften durchgehend kontrolliertes Territorium an der Grenze zur Türkei zu verhindern.

Die türkische Regierung ließ schon durchblicken, dass sie es sich trotz des Waffenstillstandes vorbehält, die syrischen Kurden zu „Verteidigungszwecken“ weiterhin unter Beschuss zu nehmen.

Was die SDF betrifft, so könnte die Lage kaum komplizierter sein. Ihre Offensive in Aleppo wird nicht nur von der russischen Luftwaffe unterstützt, sondern ist offenkundig – wenn auch nicht unbedingt direkt, mindestens aber durch die Vermittlung Moskaus – mit den syrischen Regierungstruppen koordiniert. Das bereite ihm „Unbehagen“, erklärte der britische Außenminister Philip Hammond am Dienstag. (35)

Mit seiner widersprüchlichen Politik hat sich der Westen in die pikante Lage gebracht, mit der SDF Kräfte zu unterstützen, die de-facto mit Russland und der syrischen Armee kooperieren. Kommandeure von US-gestützten Rebellengruppen beschwerten sich bereits darüber, nun in der Provinz Aleppo gegen Gruppen kämpfen zu müssen, die wiederum von den Vereinigten Staaten unterstützt werden.

Sprecher des US-Militärs reagierten auf diese Vorwürfe mit der Stellungnahme, die USA leisteten „keine direkte Unterstützung“ für die SDF in Aleppo. Diese werde vom Pentagon nur „östlich des Euphrats im Kampf gegen den IS“ unterstützt. (36) Tatsächlich lässt sich eine Art Arbeitsteilung – ob abgesprochen, oder nicht – konstatieren: Russland fliegt Luftangriffe für die SDF in der Provinz Aleppo im Kampf gegen die Nusra-Front, die USA fliegen Luftangriffe für die SDF in der östlichen Provinz Hasaka im Kampf gegen den IS.

Das widersprüchliche Verhältnis zur SDF oder zur Politik Ankaras gegenüber den syrischen Kurden verdeutlicht einmal mehr, dass Washington in Syrien über keine kohärente Strategie verfügt, die einen Frieden ermöglichen könnte. Aber vielleicht geht es darum auch gar nicht.

Gerne würden US-Strategen Russland  in Syrien ein „zweites Afghanistan“ bereiten, es in dem vielbeschworenen „Morast“ („quagmire“) des Krieges versinken sehen. Saudi-Arabien kündigte bereits seine diesbezügliche Hilfsbereitschaft an. Gegenüber dem Spiegel erklärte der saudische  Außenminister Adel al-Jubeir, man wolle den Aufständischen Boden-Luft-Raketen zur Verfügung stellen. Das würde es „der gemäßigten Opposition ermöglichen, Hubschrauber und Flugzeuge des Regimes auszuschalten“, und dadurch die Machtverhältnisse in Syrien so zu verändern, „wie sie sie seinerzeit in Afghanistan verändert haben“. (37)

Vor Tagen berichtete das Wall Street Journal darüber, wie führende Kräfte des US-Sicherheitsapparates, darunter Verteidigungsminister Ash Carter und CIA-Chef John Brennan, den Druck auf Präsident Obama erhöhen, die militärische Unterstützung für die Aufständischen massiv auszuweiten, um Russland „wirkliche Schmerzen“ zuzufügen – denn Moskau werde sich ohnehin nicht an die Feuerpause halten. (38)

In diesem Zusammenhang erwähnte US-Außenministers John Kerry kürzlich einen „Plan B“. Syrien könne demnach „aufgeteilt“ werden, sollte der Waffenstillstand nicht von Erfolg gekrönt sein, oder es nicht bald zu einer Übergangsregierung ohne Assad kommen. (39) Das könnte von den US-gestützten Kampfgruppen auch als Wink mit dem Zaunpfahl betrachtet werden, die Feuerpause mutwillig scheitern zu lassen, um den „Plan B“ in Kraft treten zu lassen – und somit mithilfe der USA das von ihnen kontrollierte Gebiet endgültig dem Machtanspruch des syrischen Staates zu entreißen.


 

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Anmerkungen

 (1) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-baschar-al-assad-akzeptiert-waffenstillstand-unter-bedingungen-a-1078826.html
(2) http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2016/02/253115.htm
(3) http://www.un.org/press/en/2015/sc12171.doc.htm
(4) Siehe dazu: https://en.wikipedia.org/wiki/Army_of_Conquest
(5) http://www.reuters.com/article/mideast-crisis-syria-idUSKCN0VT0J6
(6) Siehe dazu auch: http://www.thenational.ae/world/middle-east/new-truce-deal-for-syria-but-old-problems-remain
http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-draft-idUSKCN0VV1NJ
(7) http://www.bbc.com/news/world-middle-east-35539897
 (8) http://www.deutschlandfunk.de/syrien-interview-zu-syrien-mit-nahost-experte-michael.694.de.html?dram:article_id=345477
(9) http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/02/turkey-syria-hopeless-azaz-battle.html#
(10) http://www.welt.de/politik/ausland/article152208740/Wie-Russland-die-Gunst-der-Stunde-in-Syrien-nutzt.html
(11) ebd.
(12) http://www.n-tv.de/politik/Steinmeier-warnt-Kreml-vor-neuer-Eskalation-article16973011.html
(13) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-wasserknappheit-in-aleppo-zehntausende-auf-der-flucht-a-1076760.html
(14) http://www.middleeasteye.net/essays/journey-aleppo-how-war-ripped-syrias-biggest-city-apart-1376989223
(15) http://www.welt.de/politik/ausland/article152208740/Wie-Russland-die-Gunst-der-Stunde-in-Syrien-nutzt.html
(16) http://www.welt.de/politik/ausland/article152221340/Wladimir-Putin-setzt-Fluechtlinge-als-Waffe-ein.html
(17) http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Laut-dreist-und-gefaehrlich/story/24911325
(18) http://www.welt.de/politik/ausland/article152207191/Muenchen-macht-deutlich-wie-tief-das-Misstrauen-sitzt.html
(19) http://www.news25.de/news.php?id=130785&title=Lambsdorff+wirft+Russland+%22gezielte+Destabilisierung%22+vor&storyid=1455199233910
(20) http://www.deutschlandfunk.de/gernot-erler-seehofer-hat-so-etwas-wie-ein-unstillbares.694.de.html?dram:article_id=344515
(21) http://www.welt.de/politik/ausland/article151917157/Steinmeier-kritisiert-Russlands-Vorgehen-in-Syrien.html
(22) http://www.welt.de/politik/ausland/article152208740/Wie-Russland-die-Gunst-der-Stunde-in-Syrien-nutzt.html
(23) ebd.
(24) http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/syrien-russland-putin-assad
(25) http://www.deutschlandfunk.de/ruprecht-polenz-cdu-zu-syrien-wenig-hoffnung-dass-es-zum.694.de.html?dram:article_id=345587
(26) http://nationalinterest.org/feature/why-assads-army-has-not-defected-15190
(27) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-wladimir-putin-bombt-aleppo-sturmreif-a-1076218.html
(28) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-vier-fronten-krieg-um-aleppo-a-1077453.html
(29) http://www.presseportal.de/pm/58964/3247498
(30) http://dailycaller.com/2015/11/25/former-cia-deputy-director-obama-didnt-attack-isis-oil-because-of-the-environment-video/
(31) http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-is-halbiert-offenbar-zahlungen-an-seine-kaempfer-a-1072881.html
(32) http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/syria-the-winners-and-losers-are-becoming-clear-in-this-war-a6872636.html
(33) https://www.tagesschau.de/ausland/baumann-analyse-ypg-101.html
(34) http://www.bbc.com/arabic/middleeast/2016/02/160211_syria_kurds_aleppo
(35) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/syria/12170962/Hammond-Disturbing-evidence-that-Kurds-are-coordinating-with-Syrian-regime-and-Russia.html
(36) http://www.buzzfeed.com/mikegiglio/america-is-now-fighting-a-proxy-war-with-itself-in-syria#.vtQ5BQJqq
(37) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-saudi-arabien-will-rebellen-mit-boden-luft-raketen-ausstatten-a-1078295.html
(38) http://www.wsj.com/articles/pentagon-cia-chiefs-dont-think-russia-will-abide-by-syria-ceasefire-officials-say-1456235932
(39) http://www.theguardian.com/world/2016/feb/23/john-kerry-partition-syria-peace-talks

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