Selig sind die Kriegerischen
Die „Zeitenwende“ hat auch in der Evangelischen Kirche Deutschlands Einzug gehalten — Aufrüstung gilt nun nicht mehr als Verstoß gegen die Ethik des Religionsstifters.
Es ist ja keine ganz leichte Aufgabe, Jesus in einen bellizistischen Kontext einzubetten und seine Lehre so zu verbiegen, dass auch Aufrüstung und Krieg mit ihr in Einklang zu bringen sind. Aber es erwies sich als eine lösbare Aufgabe. Insbesondere die Evangelische Kirche in Deutschland bemüht sich in den letzten Jahren verstärkt, die militaristische „Zeitenwende“ geistig-moralisch mitzutragen. Die Bibel stört dabei keineswegs. Wie schon so oft in der Geschichte, erweist sie sich als eine Art übergroßer Rorschachtest: Man sieht darin, was man sehen will. Was man zu erkennen meint, gibt allerdings auch Aufschluss über die eigene Seelenverfassung. Der rhetorische Trick der Kirchenoberen ist an sich nicht neu und kam schon in der Lutherzeit zum Einsatz. Wenn man selbst nicht töten darf — nicht einmal zum Zweck der Selbstverteidigung —, dann erklärt man einfach, man töte zum Schutz anderer. Und schon sieht es der liebe Gott mit dem Hinhalten der „anderen Wange“, das vom Evangelium eigentlich verlangt wird, nicht mehr so eng. Die Kirche findet ihre Komfortzone im Mitschwimmen im jeweils angesagten Zeitgeist. Wie Wasser fließt ihre Ideologie in so gut wie jede Form, die das politische Regime des jeweiligen Landes und der jeweiligen Epoche vorgibt. Die wahre Religion, das ist im Zweifelsfall immer die Treue zum Staat und dessen alleinseligmachender „Räson“. Dabei gab es unter evangelischen Christen immer schon auch solche, die den Satz der Apostelgeschichte ernst nahmen, der Mensch solle „Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Die Worte dieser aufrechten Männer und Frauen sind ein Leuchtfeuer in heutigen Debatten zur „Kriegstüchtigkeit“, ebenso wie sie bestimmte Zeitenwendenhälse im Talar beschämen müssten.