Zeitfragen

Freiheit und Terror

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

1346216782

Nach Irak, Afghanistan, Libyen nun Syrien –

Von WOLFGANG BITTNER, 29. August 2012 –

Wer sind eigentlich Freiheitskämpfer und wer sind Terroristen? Für unsere Regierung wie auch für die Medien, die maßgeblich unsere öffentliche Meinung bilden, scheint das eindeutig zu sein: Die aufständischen Taliban in Afghanistan sind zum Beispiel Terroristen, weil sie bekanntlich gegen die von den USA und ihren Verbündeten eingesetzte Regierung kämpfen. Dagegen sind die Aufständischen in Syrien Freiheitskämpfer, obwohl sie gegen die (nicht von den USA und ihren Verbündeten eingesetzte) Regierung kämpfen, wobei sie die unter ihren Betten aufbewahrten Maschinengewehre, Panzerfäuste und Raketen einsetzen können. In Libyen durften sie sogar das Staatsoberhaupt ermorden, nachdem die NATO das Land in Grund und Boden gebombt hatte.

Dagegen waren wiederum die Aufständischen in Bahrain Terroristen, weil sie sich gegen ihre Regierung wandten. Da der König und seine Hofleute von Saudi-Arabien militärische Hilfe zur blutigen Niederschlagung des Aufstands erhielten, brauchte der Westen nicht einzugreifen. Vielleicht hing das damit zusammen, dass uns das bahrainische Öl und Erdgas, aber nicht die dortigen Menschenrechtsverletzungen interessieren und dass wir den Saudis Panzer liefern.

In Afghanistan wurden und werden die Frauen von den Taliban unterdrückt, die außerdem unsere Freiheit gefährden. Deswegen müssen diese Terroristen (die früher Mudschaheddin hießen und von den USA unterstützt und mit Waffen versorgt wurden) alle umgebracht werden. Dazu eignen sich am besten sogenannte chirurgische Einzelschläge mit Drohnen, damit keiner „unserer“ Soldaten verletzt oder getötet wird. Merkwürdigerweise erinnert sich niemand daran, dass Kabul, bevor die CIA die Mudschaheddin unterstützte, eine blühende Hauptstadt mit öffentlichen Schulen und Universitäten war, die selbstverständlich auch Frauen offenstanden.

In einigen arabischen Staaten dürfen Frauen gezüchtigt werden, und ihnen werden grundlegende Menschen- und Bürgerrechte vorenthalten. Außerdem wird dort heftig gefoltert. Sollten diese Staaten deswegen vielleicht nach einer Medienkampagne mal rasch bombardiert werden? Dazu schweigen unsere Regierung und die ihr verbundenen Medien, obwohl das der Bundeswehr eventuell einen „humanitären Einsatz“ wert wäre. Aber die liefern uns Öl.

Was also dürfen wir nun den Verlautbarungen der Regierung und der Medien glauben? Worüber berichten sie und worüber nicht? Was sind „humanitäre Einsätze“? Ist Frau Timoschenko wirklich eine bemitleidenswerte Gefangene der ukrainischen Regierung, oder ist sie eine milliardenschwere Kriminelle? Ist der WikiLeaks-Sprecher Julian Assange ein Schwerverbrecher oder ein Dissident? Muss der WikiLeaks-Informant Bradley Manning mit der Todesstrafe rechnen, weil er Verbrechen US-amerikanischer Soldaten an die Öffentlichkeit gebracht hat? Sind die großen amerikanischen Ratingagenturen in Wirklichkeit „finanzpolitische Beherrschungsinstrumente“ global agierender Spekulanten? Und ist nicht der Iran bereits vor Jahrzehnten wegen seiner Ölindustrie, die von der damaligen Regierung unter Mossadegh verstaatlicht wurde, destabilisiert und mit Krieg überzogen worden, so dass sich dort die Ayatollahs breit machen konnten?

Abo oder Einzelheft hier bestellen

Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.

Hintergrund abonnieren

Und China? Die USA haben kürzlich wieder einmal gegen Menschenrechtsverletzungen und Hinrichtungen protestiert. Wahrscheinlich ist der US-Regierung nicht bekannt, dass sie in Guantanamo und anderswo foltern lässt und dass in ihren Todeszellen zahlreiche aufgrund fragwürdiger Prozesse verurteilte Häftlinge auf den elektrischen Stuhl oder die Todesspritze warten, vor allem Schwarze.

Wodurch unterscheiden sich also die USA von China oder vom Iran? Offenbar dadurch, dass in China Chinesen leben und im Iran Iraner, während vor New York eine Freiheitsstatue ihre Fackel gen Himmel streckt und nicht nur den Amerikanern, sondern ebenso uns in Europa die Freiheit garantiert – unseren Millionären und Milliardären wie auch einigen Millionen Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Hungerlöhnen.

Newsletter

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Der Hintergrund-Newsletter

Wir informieren künftig einmal in der Woche über neue Beiträge.

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Drucken

Drucken

Teilen

Voriger Artikel Zeitfragen Hör doch auf zu Schreiben! Henryk M. Broder attackiert Ingo Schulze
Nächster Artikel Zeitfragen „Den Prolls die Fresse polieren“