Zeitfragen

„Philosoph eines verrohten Bürgertums“. Karl-Kraus-Preis geht an Peter Sloterdijk

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Von REDAKTION, 27.  April 2012 –

Die Nachricht, dass Peter Sloterdijk einen weiteren Preis für sein Werk und Wirken erhält, dürfte kaum jemanden überraschen. Doch mit dem Karl-Kraus-Preis, der ihm dieses Jahr zugesprochen wurde, hat es eine besondere Bewandtnis. Während derartige Auszeichnungen in der Regel bezwecken, die mit ihnen Geehrten zum fleißigen Weiterarbeiten zu ermutigen, ist die Annahme dieses Preises mit der Aufforderung verbunden, das Schreiben doch künftig besser zu unterlassen.

Zur Begründung schreibt die den Preis auslobende Hugendubel-Info-Blog Redaktion (1) der Gewerkschaft Verdi: „Mit seinem Vorschlag, Steuern durch eine freiwillige Gabe zu ersetzen, hat Sloterdijk einen Angriff auf die Grundfesten unseres Sozialstaates unternommen und eine Geisteshaltung offenbart, die eher dem Denken der herrschenden Klasse einer antiken Sklavenhalter-Gesellschaft entspricht als dem Grundkonsens einer demokratischen Gesellschaft im 21. Jahrhundert.

Bei seinem Aufruf zum „Steuerstreik“ übersieht Sloterdijk, daß er selbst jahrzehntelang auf seinen diversen Professorenposten von unseren Steuermitteln großzügig alimentiert worden ist. Seine Honorare als Fernsehmoderator stammen aus Gebührengeldern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Der Seichtschwätzer Precht, der unlängst einen Zwangsarbeitsdienst für Rentner gefordert hat, wird ein würdiger Nachfolger seiner TV-Sendung sein.

Mit seiner kruden These von einer „Anthropotechnik“ versuchte Sloterdijk, kommenden „Menschenführern“ faschistoide „Regeln für den Menschpark“ anzudienen, mit denen „pränatale Selektion“ und „Neu-Züchtung“ legitimiert werden sollen. In heideggeresk-verschwurbelter Wortwahl geriert sich Sloterdijk als Möchtegern-Plato.

Sloterdijk hat zudem einen nicht unbeträchtlichen Beitrag dazu geleistet, das Verlagsprogramm des Suhrkamp-Verlags – einst Heimat kritischen Denkens – in einen intellektuellen Sumpf zu verwandeln, in dem es vor obskurantistischen Blasen und Schäumen nur so blubbert.“

Zum Abschluss zitieren sie aus dem 2010 erschienenen Buch zur Sloterdijk-Debatte, dass der in New York und Berlin lehrende Philosoph Jan Rehmann gemeinsam mit dem Hintergrund-Redakteur Thomas Wagner herausgegeben hat: „Sloterdijks Leistung fürs Hegemonieprojekt der herrschenden Elite besteht in der aktualisierenden Zusammenführung eines wirtschaftsliberalen Besitzindividualismus mit Nietzsches heroischem Egoismus und autoritären Ansätzen der Konservativen Revolution.“ (2)

Als Philosoph eines verrohten Bürgertums und einer heruntergekommenen Bourgeoisie sei  Sloterdijk ein würdiger Träger des Karl-Kraus-Preises 2012.

Die Gewerkschafter sehen ihren Preis in einer Tradition, die der Publizist Hermann L. Gremliza in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts initiiert hatte. Die Verleihung des Karl-Kraus-Preises findet am Samstag, den 28.April 2012, dem 138. Geburtstag des Sprach- und Zeitkritikers, im DGB-Haus/ver.di-Fachbereich Buchhandel in München statt. Dass Peter Sloterdijk höchstpersönlich erscheint, um den undotierten Preis entgegen zu nehmen, ist wohl nicht zu erwarten.

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(1) http://hugendubelverdi.blogspot.de/2012/04/karl-kraus-preis-2012-fur-peter.html

(2) Jan Rehmann und Thomas Wagner: Angriff der Leistungsträger? Das Buch zur Sloterdijk-Debatte. Hamburg, Argument-Verlag 2010

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