Banderas Influencer
Das deutsche Medienestablishment ebnet den Weg für unheilige Allianzen mit ukrainischen Faschisten und liefert sogar Ideologeme für eine neue "Anti-Hitler-Koalition".
Foto: DangrafArt; Quelle: Pixabay; LizenzAm 1. März 2025 marschierten zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder Nazi-Paramilitärs mit Truppenkennzeichen durch Berlin. Mehr als 50 Angehörige und Sympathisanten des Russischen Freiwilligenkorps (RDK), das unter dem Kommando von Kiews Militärgeheimdienst für die Ukraine kämpft und sich in der Tradition von Hitlers Wlassow-Armee sieht, bildeten einen Block in einer „Anti-Putin“-Demo, angeführt von der Witwe des rechten Oppositionellen Alexej Nawalny. Die RDK-Truppe, der sich Mitglieder der deutschen Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ angeschlossen hatten, skandierte Morddrohungen gegen Unterstützer der russischen Regierung. 1
Nichts davon war aus der Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zu erfahren, in der nur von „Menschenrechtsaktivisten“ und friedlichen Demokraten die Rede war. „Zwischenfälle oder Straftaten“ seien keine zu beobachten gewesen, so die dpa weiter mit Berufung auf die Polizei. In Wirklichkeit waren „insgesamt 14 freiheitsbeschränkende Maßnahmen durchgeführt“ worden, mutmaßlich weil im RDK-Zug verbotene Symbole der Waffen-SS gezeigt und Flugblätter mit Rekrutenwerbung – laut Paragraf StGB 109h eine Straftat – mit Nazi-Codes wie „88“ für „Heil Hitler!“ verteilt wurden, wie nach Anfrage der Tageszeitung junge Welt bei der Pressestelle der Polizei herauskam. Weggelassen hat die dpa auch, dass für Angehörige des RDK, in dessen Reihen sich viele gesuchte Gewaltverbrecher, darunter auch Mörder, finden, nach Ersuchen das geltende Vermummungsverbot ausgesetzt wurde, um „Schutz ihrer Identität vor möglichen Repressalien durch die russische Regierung“ zu gewährleisten, wie die Polizei einräumte – ein Skandal.2
Qualitätsmedien wie Zeit Online übernahmen den dpa-Bericht mit der Verschleierung der tatsächlichen Ereignisse und ohne Ergänzung der relevanten Informationen – ebenso öffentlich-rechtliche Sender wie der RBB, der die Kommentarfunktion zum Artikel bereits zweieinhalb Stunden nach Erscheinen schloss. 3 Deutschlands Medienestablishment sorgte dafür, dass nichts durchsickerte und der anachronistische Zug von militanten Faschisten in der öffentlichen Wahrnehmung nicht stattgefunden hatte (die B.Z. erwähnte in einem Nebensatz die Teilnahme „ultrarechter“ proukrainischer „Nationalisten“ 4).
Anything goes
Der Vorfall ist ein exemplarisches Beispiel für die Presseberichterstattung seit Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine 2022. Die deutschen Waffenlieferungen an die Kiewer Streitkräfte und die Ausbildungsmission der Bundeswehr zeitigen einen unheilvollen „Sachzwang“, um den die staatstragende Vierte Gewalt einen Kokon aus Lügen, Unterschlagungen, Verdrehungen und Beschönigungen von abgrundtief Hässlichem webt: Aufgerüstet und auf NATO- Standard trainiert, werden auch die mittlerweile kaum mehr zählbaren faschistischen Einheiten, die sich stolz auf ihre politischen Vorfahren im Zweiten Weltkrieg berufen – vor allem die „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), die „Ukrainische Aufständische Armee“ (UPA), bewaffneter Arm ihres damals von Stepan Bandera geführten radikalen Flügels, die Waffen-SS-Grenadier-Division „Galizien“ etc., die einst beim Holocaust Hitlerdeutschlands an den Juden und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion mitgemordet hatten.
Die Anforderungen an die auf Kriegstüchtigkeit konditionierte Medienindustrie einer Berliner Republik mit wiedererwachtem „Drang nach Osten“, die sich als Vergangenheitsbewältigungs-Weltchampion inszeniert und im „Nie wieder!“-Pathos suhlt, aber gleichzeitig einen Militärpakt mit den Erben der ukrainischen Hitlerkollaborateure unterhalten will, sind hoch. Ihre Berichterstattung bedarf besonderer ideologischer Verrenkungen – vor allem der gründlichen Selektion nur genehmer „zumutbarer“ Fakten. So ist die Süddeutsche Zeitung (SZ) nach einem Frontbesuch beim ukrainischen Bratstwo-Bataillon voller Bewunderung für dessen „spektakuläre Kriegseinsätze“ und „legendären Ruf“, was dessen Geschichte und Weltanschauung anbelangt, aber auffallend wortkarg: Es sei ein „christlicher Ritterorden“, wie es sich selbst bezeichnet, der aus Dmitro Kortschinskijs „ultranationalistisch-rechtsradikaler“ Partei Bratstwo hervorgegangen sei, ist in der SZ zu lesen. 5 Nicht jedoch, dass in dem Bataillon auch Hakenkreuzfahnen schwenkende Nazis kämpfen, 6 Dmitro Kortschinskij Antisemit ist und ein Anführer der faschistischen „Ukrainischen Nationalversammlung – Ukrainische Nationale Selbstverteidigung« war, die sich als Nachfolger der OUN und UPA betrachtet.7
Unauflösbare Widersprüche werden mit der Chimäre des „woken“ Fascho-Kriegers zugedeckt: „Ilia fiel auf in den LGBT-freundlichen Safe Spaces mit Regenbogenfahnen und viel Glitter. Er hat ein Glasauge und ein künstliches Armgelenk“, so der Versuch der Berliner Zeitung, einen Kämpfer der Neonazi-Bewegung Asow, dem schon die ARD-Tagesschau-Redaktion mit einem ausführlichen Interview zu Ruhm verholfen hatte 8, in einem progressiven Milieu zu verorten. 9 Freilich nicht erwähnt wurde, dass dieser Asow-Soldat ein Holocaust-Leugner ist und an seiner Uniform Insignien der „Sturmabteilung“ der NSDAP spazieren trug. 10 Andere Medien leugnen nicht das Offensichtliche, setzen lieber auf Enttabuisierung des „Dritten Reich“-Fetischismus und zeichnen Asow als postmodernes Phänomen: „Ihr Auftreten ist ungewöhnlich für den Krieg, zu hipsterig. In Berlin-Kreuzberg würde sich keiner nach ihnen umdrehen“, präsentiert die taz die „Generation Asow“ als die coolen Typen von nebenan und lässt einen von ihnen erzählen, dass sie sogar ab und zu mal mit Antifaschisten ein Bier trinken würden. „Ein jüdischer Präsident motiviert junge Asow-Kämpfer mit einem Faible für Germanenkult.“ 11 Der Krieg eröffnet ganz neue Möglichkeiten, so die Botschaft im Subtext des Artikels. Anything goes – auch ein bisschen Nazismus.
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SUSANN WITT-STAHL geboren 1961, lebt und arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Hamburg. Seit 2014 ist sie Chefredakteurin des Kulturmagazins Melodie & Rhythmus und schreibt u. a. für die Tageszeitung junge Welt. Arbeitsschwerpunkte: Prowestlicher Faschismus, Ideologiekritik der mo- dernen Kriege, der Kulturindustrie und der imperialen Linken. Veröffentlichungen (Auswahl): „Antifa heißt Luftangriff!‘ Regression einer revolutionären Bewegung“ (Hg. mit Michael Sommer 2014); „Gegen Entfremdung. Lyriker der Emanzipation und streitbarer Intellektueller. Gespräche über Erich Fried“ (mit Moshe Zuckermann 2021); „Der Bandera-Komplex. Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke“ (Hg. 2024).
1 t.me/ultrasnotreds8/490
2 jungewelt.de/artikel/495845.russische-
3 rbb24.de/politik/beitrag/2025/03/demonstration-gegen-putin-berlin-nawalny-witwe.html
4 bz-berlin.de/berlin/mitte/demo-in-berlin-gegen-kriegshetzer-putin
5 sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/ukraine-russland-krieg-reportage-spezialeinheit-e909501/?reduced=true
6 t.me/boris_rozhin/92270
7 youtube.com/watch?v=_zrl9pg2_BA
8 tagesschau.de/multimedia/sendung/tagesthemen/video-1030879.html
9 berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/krieg-wie-plueschtiere-mit-grossen-traurigen-augen-traumatisierten-
ukrainern-helfen-li.319941
10 reportermagazin.cz/37041/pluk-azov-mezi-svastikou-a-touhou-po-svobode/?article_id=37041
11 taz.de/Milizionaere-in-der-Ukraine/!5865940/