Kriege

Krieg oder Frieden

Wer will Krieg und wer will Frieden? Und wem nutzt das eine und wem das andere?

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Foto: geralt; Quelle: pixabay; Lizenz
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Nun schon dreieinhalb Jahre tobt der leidvolle Ukraine-Krieg. Er hat Hunderttausende Tote und Vermisste auf beiden Seiten gekostet und Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer vertrieben. Er ist zum Zermürbungskrieg geworden, in dem der gewinnt, der über die meisten Ressourcen an Soldaten und Kriegswaffen verfügt. Russland kämpft sich mit zunehmender Geschwindigkeit seit etwa zwei Jahren langsam von Ost nach West vor. Die meisten Prognosen sehen Russland als zukünftigen Sieger.

Russland hat der Ukraine Anfang Juni 2025 ein sehr klares Memorandum überreicht.1 Über seinen Inhalt wurde hierzulande wenig berichtet. Es sieht mit einem Zeitplan versehene Vereinbarungen vor, an dessen Ende ein Friedensvertrag zwischen Kiew und Moskau steht. Seine wesentlichen Inhalte sind: Anerkennung des Beitritts der Krim, der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporoschje zur russischen Föderation, die Neutralität der Ukraine, Festlegung von Obergrenzen nach Abrüstung der ukrainischen Streitkräfte, keine Atomwaffen in der Ukraine, keine ausländischen Truppen und deren Infrastruktur, keine Waffenlieferungen an die Ukraine, „Auflösung nationalistischer Formationen“, gegenseitiger Verzicht auf Reparationen. Vor Beginn des Waffenstillstands unterzeichnen beide Seiten ein verbindliches Memorandum, das den zeitlichen Ablauf vom Beginn des Waffenstillstands bis zum Friedensvertrag festlegt. Und vor Beginn des Waffenstillstands muss Kiew das Kriegsrecht aufheben. Dann folgt ein gleichzeitiger Beginn einer 30-tägigen Waffenruhe, an deren Ende die ukrainischen Truppen aus allen vier Regionen abgezogen sein müssen. 100 Tage nach Aufhebung des Kriegsrechts finden Wahlen in der Ukraine statt. Danach soll der Friedensvertrag zwischen Moskau und Kiew unterzeichnet werden. Der UN-Sicherheitsrat soll diesen per Resolution völkerrechtlich verbindlich machen.

Das bedeutet, würde die Ukraine diesem Angebot sofort zustimmen, könnte der Krieg binnen weniger Tage tatsächlich beendet sein. Es liegt also in der Hand der Ukraine und seiner europäischen Unterstützer, diesen Krieg zu beenden.

Jedoch lehnen diese das russische Angebot ab. Es sei ein Diktatfrieden. Kapitulieren wollen sie nicht und stellen eigene Bedingungen dagegen, die wiederum aus russischer Sicht unannehmbar sind. Die Bedingungen sind: kein Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Fortsetzung von Waffenlieferungen, und das bei gleichzeitigem Waffenstillstand. Damit es nicht zu einer späteren Fortsetzung des Krieges kommt, so ihre Logik, fordern sie, Truppen aus NATO-Ländern in der Ukraine zu stationieren und die Ukraine massiv aufrüsten zu dürfen.

Diese Forderungen stehen einem Friedensschluss diametral entgegen. Denn Russland führt diesen Krieg, um eben genau die Aufnahme der Ukraine in die NATO abzuwenden. Russland will verhindern, dass die NATO ihre Stationierungsräume für Raketen und schweres Kriegsgerät bis an Russ- lands Südgrenze ausdehnt. Dies wäre für Russlands Sicherheit existenziell bedrohlich, so wie russisches Militär in Mexiko und Kuba für die USA bedrohlich wäre. Die europäische Unnachgiebigkeit bedeutet, dass der Zermürbungskrieg unvermindert weitergeht.

Welches strategische Ziel verfolgt die sogenannte Koalition der Willigen damit? Die „Willigen“ sagen, sie wollen Russland für seine Aggression nicht belohnen. Russ- land dürfe nicht gewinnen. Das heißt, die Europäer wollen das russische Vordringen auf ganzer Linie stoppen und Russland möglichst wieder zurückdrängen. Das bedeutet, man will Russland zwingen, seine Ressourcen weiter in die Kriegsmaschinerie zu stecken, um seinen Willen auf dem Schlachtfeld zu brechen. Der Zermürbungskrieg soll Russlands Wirtschaft über kurz oder lang schwächen, in der Hoffnung, dass das System unter der Kriegslast und noch verstärkten Sanktionen zerbricht und es in Russland zu Aufständen kommt, die letztlich eine prowestliche Regierung hervorbringen. Ob es dazu kommen wird, hängt stark von der Unterstützung Chinas und auch Indiens für Russland ab. Einstweilen bleibt es ein Traum der „Willigen“, an dessen Realisierung emsig und mit hohem Aufwand gearbeitet wird.

Neben den Sanktionen ist das Hochfahren der NATO-Militärausgaben auf einen Anteil von 5 Prozent am BIP bis 2035 ein wesentliches Instrument, um Russland – analog zum Kalten Krieg – in ein Wettrüsten zu zwingen: Militärausgaben allein der europäischen NATO-Staaten werden so von 484 Mrd. US-Dollar (2024) 2 auf dann etwa 1.560 Mrd. US-Dollar 3 katapultiert. Die russischen Militärausgaben, geschätzt auf nominal 146 Mrd. US-Dollar (2024), 4 kaufkraftbereinigt auf 462 Mrd. US-Dollar, 5 müssten entsprechend steigen, um nicht durch eine strategische Überlegen- heit allein der europäischen NATO-Staaten erpressbar zu werden.

Vor einem Jahr wurde das Märchen in die Welt gesetzt, dass Russland die NATO angreifen könnte, und zwar nach Ende des Krieges in der Ukraine. Man wählte dafür das Jahr 2029, obwohl niemand weiß, wann dieser Krieg beendet sein wird. Meistens werden Estland oder die Suwalki-Lücke zwischen Litauen und Polen genannt oder auch die Arktis, wo der angenommene russische Angriff erfolgen soll. Pistorius machte daraus: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“ 6, um Russland von dieser Untat abzuschrecken. Das neueste Gerücht: Russland könne noch früher angreifen.

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LÜHR HENKEN ist Ko-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.Friedensratschlag.de), Mitglied des Personenbündnisses „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“ (https://nie-wieder-krieg.org/), Herausgeber der Kasseler Schriften zur Friedenspolitik (https://jenior.de/produkt-kategorie/ kasseler-schriften-zur-friedenspolitik/ ) und arbeitet mit in der Berliner Friedenskoordination (http://www.frikoberlin.de).

1 2. Juni 2025, https://tass.com/politics/1967467
2 28. August 2025, Tab 2, S. 8, https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2025/8/pdf/250827-
def-exp-2025-en.pdf
3 Zugrunde gelegt wurde ein Plus des BIP von
durchschnittlich 2,5 Prozent p.a. von 2024 bis 2035 4 International Institute for Strategic Studies (IISS),
London, The Military Balance 2025, Chapter Four, S. 180
5 Ebenda, Chapter Four, S. 2
6 Der Spiegel, 9. Juni 2024, S. 27

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