Kriege

USA schicken Tausende Tonnen Waffen nach Israel – Israels Bombardement in Gaza hält weiter an

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REGINE NAECKEL, 10. Januar 2009 –

Die USA wollen derzeit ein Frachtschiff chartern, um noch in diesem Monat tonnenweise Waffen von Griechenland aus nach Israel zu liefern. Der Nachrichtenagentur Reuters liegen die Ausschreibungsunterlagen vor. (1) Bei der als „Munition“ deklarierten Ladung gehe es um 325 Standardcontainer, die auf zwei Schiffen vom griechischen Hafen Astakos zum israelischen Hafen von Ashdod gebracht werden müssen, wie das U.S. Navy Military Sealift Command (MSC) – zuständig für Waffentransporte – erklärte.

In der Ausschreibung wird ein „Gefahrguttransport mit explosiven Stoffen und Sprengstoffen“ erwähnt, aber keine Details genannt. „Ungefähr 3000 Tonnen Munition in einem Rutsch zu liefern, ist eine Menge“ erklärte ein Broker. „Diese Art von Nachfrage ist recht selten und davon gibt es nicht viel im Lauf der Jahre.“

Die Anfrage des MSC kam am 31. Dezember, zu einem Zeitpunkt, als Israel das Bombardement auf Gaza bereits begonnen hatte. Die erste Charge Waffen soll bis spätestens 25. Januar, die zweite am Ende des Monats geliefert werden. Laut Reuters will eine deutsche Firma den Transport übernehmen.

Bereits am 15. Dezember hatte ein deutscher Carrier eine mächtige Waffen- und Munitionsladung vom US-Hafen Sunny Point in North Carolina zum israelischen Hafen Ashdod transportiert. Auch diese Lieferung stand, so zitiert Reuters einen Londoner Militäranalysten, in Zusammenhang mit dem geplanten israelischen Angriff auf Gaza. Die Ladung umfasste 989 Container, allein das Nettogewicht der Explosivstoffe wurde mit 2,6 Millionen kg (2600 Tonnen) deklariert.

Der US-Kongress hatte im September 2008 den Verkauf von 1000 Bunker brechenden GBU-39 Bomben an Israel genehmigt. (2) Ebenfalls im September erhielt Israel von den USA ein Raketenfrühwarnsystem, das von in Israel stationierten US-Soldaten bedient wird. (3)

Laut Reuters hat die Jerusalem Post letzte Woche selbst über die Lieferung dieser Bomben berichtet. Unter Berufung auf Militärbeamte erklärte das Blatt, die erste Lieferung sei Anfang Dezember angekommen und die Bomben seinen in Gaza genutzt worden, um die unterirdischen Raketenwerfer-Stellungen der Hamas zu zerstören.

Immer mehr verdichten sich die Beweise, dass Israels Angriff auf Gaza schon lange und mit Wissen der US-Administration geplant war. Die weiteren Waffenlieferungen könnten nicht nur auf eine Fortsetzung, sondern auch auf eine Ausdehnung des Krieges hindeuten.

Nicht die Hamas, sondern Israel hatte die Waffenruhe gebrochen

Mittlerweile berichten sogar der US-amerikanische Sender CNN (4) und die Washington Post darüber, dass es nicht die Hamas war, die vor dem Beginn des israelischen Angriffs auf Gaza die Waffenruhe gebrochen hatte. So schreibt der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, der mittlerweile aufgrund seiner Bemühungen für Palästina in den USA als Antisemitist stigmatisiert wird, vor zwei Tagen in der Washington Post (5): „Vom ägyptischen Geheimdienstchef Omar Suleiman, der zwischen Israelis und der Hamas vermittelt hatte, erfuhren wir, dass eine grundsätzliche Differenz zwischen den beiden Seiten bestand. Die Hamas wollte einen allumfassenden Waffenstillstand in der Westbank, wie auch in Gaza, während die Israelis eine Diskussion über Gaza hinaus verweigerten.“ Trotzdem kam es zu einer brüchigen Waffenruhe, die aber – so Carter weiter – „am 4. November gebrochen wurde, als Israel einen Angriff startete, um einen defensiven Tunnel zu zerstören, der von Hamas innerhalb der Grenzen Gazas gegraben wurde“.

Der britische Guardian berichtete damals, am 5. November, unter dem Titel „Waffenruhe in Gaza durch israelischen Angriff auf sechs Bewaffnete der Hamas gebrochen“: „Eine viermonatige Waffenruhe zwischen Israel und palästinensischen Kämpfern im Gaza-Streifen wurde in Frage gestellt, nachdem heute israelische Truppen sechs Bewaffnete der Hamas während eines Angriffs auf deren Territorium töteten. Hamas reagierte mit einer Welle von Raketenbeschuss auf Südisrael, bei dem niemand verletzt wurde. Diese Gewalt stellt den gravierendsten Bruch des Waffenstillstandes dar, der Mitte Juni vereinbart worden war, als beiden Seiten behaupteten, sie wollten zurück zu einer Atmosphäre der Ruhe“. (6)

In der Folge setzte Israel die totale Abriegelung des Gazastreifens und damit das Ausbleiben der Hilfslieferungen fort. Nach wie vor saßen die 1,5 Millionen Menschen von Gaza wie in einem Gefängnis, sie werden ausgehungert, sind ohne Strom und Wasser. Der UN-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung konnte belegen, dass die akute Mangelernährung in Gaza auf dem gleichem Stand wie die in den ärmsten Nationen in der südlichen Sahara war. (7)

Auf Drängen internationaler Bemühungen erklärte sich Israel im Dezember 2008 bereit, 15% der benötigten Lieferungen passieren lassen. Auch das wäre einem Todesurteil der Palästinenser in Gaza gleichgekommen.

So ist es kein Wunder, dass die Antwort der Hamas immer wieder Qassam-Raketen sind, vor allem mit dem Ziel auf die südisraelische Stadt Sderot. (8)

Sehr wohl ist deren Bevölkerung von dem Beschuss traumatisiert, aber von einer tatsächlichen Bedrohung zu sprechen, wäre Angesichts der Lage in Gaza – selbst zu „Friedenszeiten“ vor dem jetzigen Krieg – zynisch. Innerhalb von sieben Jahren kamen in Sderot drei Menschen durch Qassam-Raketen zu Tode. (9) Sicher: Drei Menschenleben, die ebenso zu beklagen sind wie jedes Opfer in diesem Krieg. Aber letztlich sind auch sie Opfer eines zu keinem Kompromiss bereiten, aggressiven und religiös-fanatischen Regimes in Jerusalem.

UN-Sicherheitsrat: Resolution fordert Israel zum vollständigen Abzug auf

In der Nacht zum vergangenen Freitag verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution (1860) mit 14 Ja-Stimmen. Die USA enthielten sich, legten aber kein Veto ein. „Die Vereinigten Staaten erkennen Israels Recht auf Selbstverteidigung an“, erklärte Außenministerin Condoleezza Rice zur Begründung der US-amerikanischen Enthaltung. Dem UN-Beschluss war ein viertägiges Gezerre vorausgegangen. Die Resolution (10) erwähnt nicht explizit die Raketenangriffe der Hamas, vielmehr fordert sie einen „sofortigen, dauerhaften und vollständig respektierten Waffenstillstand, der zum völligen Rückzug der Streitkräfte Israels aus Gaza führen muss“. Waffenruhe und Rückzug der Streitkräfte stellen neben der Forderung nach sofortiger Gewährleistung der humanitären Hilfe und Friedensverhandlungen das Hauptanliegen dar. Der Beschluss ist bindend! Nur nicht für Israel:

Völlig ungeachtet aller Beschlüsse der internationalen Völkergemeinschaft bombt und terrorisiert das Regime in Jerusalem auch nach dem UN-Beschluss weiter in Gaza. Mit der Begründung, die Hamas würde „den Raketenbeschuss israelischer Ziele fortsetzen“ rechtfertigte Ehud Olmert am Feitag den Fortgang des Mordens. Deutlicher wurde Außenministerin Zipi Livni, die gar nicht erst den Vorwand der Hamas-Raketen benötigte: Israel werde stets nur danach handeln, was im Interesse der Sicherheit für seine Bürger und nach seinem Recht auf Selbstverteidigung notwendig sei, erklärte sie. (11)

Diese Politik kennt man aus 60 Jahren israelisch-palästinensischer „Nachbarschaft“: Das zionistische Regime wird sich erst dann „sicher fühlen“, wenn auch der letzte Palästinenser zerbombt, verhungert, erfroren oder weit genug vertrieben ist. Was erwartet denn Israel, das Nacht für Nacht und Tag für Tag fast pausenlos das massive Bombardement und den Beschuss der eingekesselten Menschen fortsetzt, gezielt die Zivilbevölkerung ermordet? Dass die Hamas ihre kläglichen Waffen im Vorfeld streckt und mit nichts als den bloßen Händen ihre Familien gegen diesen Aggressor verteidigt? (12)

Bereits am 21. Mai 2004 erklärte der israelische Professor Arnon Sofer in einem Interview mit der Jerusalem Post: „Wenn 2,5 Millionen Menschen im abgesperrten Gaza leben, wird das eine humanitäre Katastrophe. Diese Menschen werden mit Hilfe des fundamentalistischen Islam noch schlimmere Tiere werden, als sie heute sind. Der Druck an der Grenze wird furchtbar. Es wird ein schrecklicher Krieg. Also, wenn wir am Leben bleiben wollen, werden wir töten und töten und töten müssen. Den ganzen Tag lang, jeden Tag.“ Sofer ist Bevölkerungswissenschaftler an der Universität Haifa und Regierungsberater. Er plante die Isolation und Inhaftierung der Palästinenser in Gaza. Der Artikel in der Jerusalem Post erschien unter dem Titel: „Es ist Demographie, zu dumm auch“, und Sofers einzige Sorge ist es, „wie wir sicherstellen, dass die Jungen und Männer, die dieses Töten zu erledigen haben, in der Lage sind, nach Hause zu ihren Familien zurückzukommen und normale Menschen bleiben“. (13)

Trotz all dieser Fakten entblöden sich weite Teile der deutschen Medien nicht, eine geradezu obszöne Hetze gegen die Palästinenser in Gaza und gleichzeitig Solidaritätsbekundungen für das Terrorregime in Jerusalem anzustimmen. So zum Beispiel Günther Müchler am Sonnabend (10. Januar) in „Themen der Woche“ im Deutschlandradio: „Israel hat das Recht, seine Bevölkerung gegen die seit Jahren andauernde Bedrohung aus dem Gaza-Streifen wirkungsvoll zu schützen. Auch ist es die Hamas gewesen, die durch die Nichtverlängerung des Waffenstillstands und die Wiederaufnahme des Raketenbeschusses diesen Waffengang provoziert hat. Die Kriegsschuld liegt zweifellos bei der Hamas. Sie verantwortet auch die fatalen Folgen dieses Militäreinsatzes, zu denen der hohe Blutzoll unter der Zivilbevölkerung gehört.“ (14)

Die Fakten und Belege für seine dreisten Behauptungen bleibt Müchler den Hörern schuldig. Wozu auch? Die israelische Propagandamaschine läuft mit Lügen wie geschmiert – leider besonders ölig in Deutschland.

Weitere Hintergrund-Artikel zum Krieg in Gaza:

07.01.2009 Regine Naeckel – Kriegsverbrechen und Genozid – Israels Krieg in Gaza

http://www.hintergrund.de/content/view/336/66/

05.01.2009 Rolf Verleger – Gaza: Der böse, böse Nachbar

http://www.hintergrund.de/content/view/335/66/

02.01.2009 Uri Avnery – „Geschmolzenes Blei“

http://www.hintergrund.de/content/view/333/66/

Quellen

(1) Reuters Eilmeldung: http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/L9736369.htm

(2) Bewilligung der GBU-39 Lieferung: http://www.dsca.mil/PressReleases/36-b/2008/Israel_08-82.pdf

(3) US-Radarstation: http://www.armytimes.com/news/2008/09/defense_xband_092608/

(4) Rick Sanchez auf CNN: http://www.youtube.com/watch?v=3wPOfi_iFnI

(5) Jimmy Carter in der Washington Post vom 8. Januar 2009: „Ein unnötiger Krieg“ http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/01/07/AR2009010702645.html

(6) Guardian berichtet über israelischen Angriff im November: „Gaza truce broken as Israeli raid kills six Hamas gunmen“ http://www.guardian.co.uk/world/2008/nov/05/israelandthepalestinians

(7) Jimmy Carter in Washington Post, vgl. 5

(8)Vgl. Rolf Verleger bei Hintergrund: „Der böse, böse Nachbar“ http://www.hintergrund.de/content/view/335/66/

(9) Jimmy Carter in Washington Post, vgl. 5

(10) UN-Resolution 1860 „SECURITY COUNCIL CALLS FOR IMMEDIATE, DURABLE, FULLY RESPECTED CEASEFIRE IN GAZA LEADING TO FULL WITHDRAWAL OF ISRAELI FORCES” http://www.un.org/News/Press/docs/2009/sc9567.doc.htm

(11) http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE50805F20090109

(12) Vgl. „Kriegstagebuch aus Gaza: Widerstand, um uns selbst zu schützen“ : http://blog.hintergrund.de/2009/01/10/kriegstagebuch-aus-gaza-widerstand-um-uns-selbst-zu-schutzen/

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(13) zitiert im Counterpunch v. 7.1.2009, Saree Makdisi: "What Kind of Security Will This Barbarism Bring Israel?": http://www.counterpunch.org/makdisi01072009.html

(14) Deutschlandfunk – „Themen der Woche“, 10.1.2009: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/themenderwoche/902023/

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