Kriege

Wider den allmächtigen Krieg

Die Schauspielerin und Regisseurin Gabriele Gysi stellte auf der Demonstration des "Bündnisses für Frieden" am 15. Februar 2025 in Berlin Fragen und Forderungen, die wir hier dokumentieren.

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Foto: Joa70; Quelle: Pixabay; Lizenz
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Können wir heute Frieden noch verstehen? Uns eine Welt vorstellen, in der den arbeitenden Menschen Respekt entgegengebracht wird? Eine Welt, in der das Leben nicht ständig durch staatlich und medial enttarnte Verschwörungen bedroht wird, die den Guten gelten? Kann oder will die Münchner Sicherheitskonferenz daran etwas ändern? Um welche und wessen Sicherheit geht es dort? Sind die USA beziehungsweise ihre neue Trump Administration in der Lage, die europäischen Eliten aus ihrem Tiefschlaf zu erwecken? Was machen diese Führer ohne Führung ihrer gewohnten Herren aus den USA? Gibt es genug Kräfte, eine neue Sicherheitspolitik durchzusetzen?

Sicherheit ist unteilbar. Wird diese bekannte Erkenntnis und Maxime Olof Palmes und Willy Brandts während dieser Konferenz verstanden? Oder werden die Eliten durch Konstituierung immer neuer Feinde und Feindschaften ihre alten Feinde erhalten? Muss der russische Präsident trotz der Friedensverhandlungen die Welt in unseren Medien weiter bedrohen? Dürfen die öffentlich-rechtlichen Medien den Verlauf und die Realität dieses in der Ukraine geführten Stellvertreterkrieges weiterhin verschleiern?

Kriegstüchtigkeit wird verlangt! Das ist die Antwort von Herrn Pistorius. Denn wir sind eine wehrhafte Demokratie: Das Böse lauert überall.

Der Krieg kommt von allen Seiten auf uns zu.

Er bedroht uns im Alltag! Als Mikroaggression versteckt, darf keine Situation ohne Enttarnung wahrgenommen werden. Im Bundestag werden Geschrei und Unterstellung zur Fortsetzungsserie mit den schlechtesten Schauspielern und dem höchsten emotionalen Aufwand.

Medial begleitet findet jede Denunziation ihren Platz. Ein ganzes Arsenal von Zuschreibungen gilt als Begründung für Kriegserklärungen. Hier einige der beliebtesten Behauptungen, um Kontaktverbote und härtere Strafverfolgung auszurufen: Nazi, Sexist, Antifeminist, Antisemit, Klimaleugner, Impfskeptiker, Aluhut, Schwurbler, Putin-Versteher und so weiter. Sprachliche Neuschöpfungen und historische Bezüge, die keinen Augenblick einem genaueren Blick standhalten, werden als permanente Kriegserklärungen angeführt. Kontaktschuld statt Diskurs.

Die schlagende Antifa ist keine Antifa, denn ohne faschistische Regierung keine Antifa. Die enttarnten Nazis sind keine Nazis, denn ohne die Macht durch Industrie und Kapital sind Nazis keine Nazis. Der Krieg der deutschen Nationalsozialisten war ein imperialer Krieg, der die Grenzen der nationalen Souveränität aufheben sollte, die Welt beherrschen wollte und damit die Welt mit unendlichem Leid überzog.

Doch wissen wir das noch, wenn wir glauben, dass mediale Showkämpfe im Bundestag und auf der Straße identisch mit Widerstand gegen Faschismus wären und dass die Begrenzung von Migration identisch mit Globkes Rassengesetzen sei? Der Missbrauch der deutschen Geschichte ist weder links noch rechts, sondern dumm.

Gegenwärtig jedoch brechen Kriege von allen Seiten in unser Leben, als sexueller Missbrauch, als Schülerattentate, als Terrorismus, als Krieg am Arbeitsplatz, als Krieg an der Börse, als wirtschaftliche Eroberung. Auch Sanktionen gegen wen und wofür auch immer sind moderne Formen mittelalterlicher Belagerung zum Aushungern von Städten. Sie sind nichts anderes als Krieg, Tod durch Hunger.

Im Irak schienen 500.000 Tausend tote Kinder den Sieg wert. Immer teilt sich das Leben in Sieger und Besiegte. Wir sollen den Sieg glauben und die Gefahr spüren, denn damit werden der öffentliche Raum und die Straße zum Kriegsschauplatz.

Von der Straße in die Häuser: Der unsichtbare Krieg der Viren, von den Medien sichtbar geschildert, hatte die Welt im Griff. Unsere Regierungen halfen mit Maßnahmen, die als Krieg gegen jede zivilisatorische Gewohnheit von Gemeinsamkeit begriffen werden können. Dieser isolierende Wahnsinn wird als solidarisch beschrieben. Die Worte verkehren ihren Sinn.

Der westliche Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland kann keinen Frieden schaffen, wenn die Ursachen der Konflikte ausgeblendet werden. Der wichtigste Grund: 12 Billionen US-Dollar teure Bodenschätze in der Ostukraine als Rohstoffe der erneuerbaren Energien wurden geschätzt. Die Vertreibung der dort lebenden Russen durch einen Bürgerkrieg war die logische Folge. Dieser Krieg hatte mit dem Wert dieser neuen Bo- denschätze, in Davos 2014 benannt, und dem folgenden Putsch auf dem Maidan begonnen.

Aber wie sollen wir mit so viel Geopolitik und Strategie in unseren begrenzten Möglichkeiten umgehen? Was kann man tun?

Falls wir vom Krieg des Alltags nicht völlig erschöpft sind, schlagen die Kriege verteilt rund um den Erdball auf unser Gehirn ein. Unablässig werden Stellungnahmen in die Welt gebrüllt. Werden Gelder und Waffen um die Erde geschoben.

Gibt es da Zeit, nachzudenken, zurückzuschauen, Konfliktlösungen statt Konfrontation zu suchen? Im Geiste dürfen wir Bomben auf alles Böse werfen, denn wir wissen Bescheid. Aber was wissen wir? Nichts, außer das, was man uns sagt.

Können wir uns vorstellen, dass die Hamas eine israelische Gründung war, zur besseren Kontrolle der PLO im Gazastreifen? Welche Informationen sind uns, dem Publikum der Grausamkeiten, zugedacht?

Doch jedes Bild, das wir sehen, ist auch eine Drohung an uns, die Zuschauer: Du könntest dabei sein, bei den Auszulö- schenden, den Ungeimpften, den Russen, den Palästinensern! Du könntest auch Feind hinter einer Brandmauer werden, denn neue Brandmauern umgeben uns täglich.

Wer will da in unsere Köpfe? Wer schneidet die Bilder für unsere Köpfe zurecht?

Die NATO hat ein neues strategisches Feld entdeckt, es ist langfristig zu bearbeiten: die strategische kognitive Kriegsführung. Aus der Verhaltensforschung entwickelte Erfahrungen sollen den Zugriff auf unsere Köpfe sichern. Wir, die Träger des Werte-Westens, müssen nicht nur zu Wasser, in der Luft, auf dem Lande, im Weltraum, digital, nein, auch in den Köpfen der Weltbevölkerung Krieg gegen jede abweichende Gedankenwelt führen. Gerade jetzt, mit dem Öffnen der USAID-Akten, wird die unglaubliche Bestechung aller medialen Wirklichkeiten offensichtlich und unbestreitbar.

Ist das Alte Testament mit dem Verständnis von Rache als Recht das neue Gesetz der wertebasierten Ordnung des Westens? Warum verweigern wir dem Gegenüber, in welchem Konflikt auch immer, das Recht, als Mensch wahrgenommen zu werden.

Die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen waren Kinder. Man sprach vom größten Freiluftgefängnis der Erde. Warum gelingt kein Frieden in diesem kleinen Land, in und mit dem etwas größeren, aber immer noch kleinen Israel? Wer hat Interessen an diesem ewigen Krieg?

Aktivisten aller Art erklären der Menschheit in Dauerbeschallung die Welt. Aber es wird nicht nur erklärt, es wird geschossen. Diese Waffen sind die Medien, sie vernichten Existenzen, wir schauen zu und sollen klatschen. Doch Ausgrenzung, Brandmauern vernichten jede Hoffnung auf Kooperation.

Selbsternannte Retter, Kämpfer der Straße gegen rechts, vom WEF bis zu den Klimaklebern, retten die Welt in einem Krieg gegen die Menschheit. Denn Fehlgeleitete und Fehlkonstruierte müssen gerettet werden. Rettung erlaubt jede Brutalität.
Die Vorstellung des Menschen als Fehlkonstruktion, die neu zu schöpfen wäre, verbirgt sich in fast jedem gesprochenen Wort. Eine immer kleinere Minderheit will mittels technischen und sozialen Aberglaubens bestimmen, was Mensch Sein bedeutet.

Doch dieser Krieg wird auch geschwiegen. Ein Schweigen über die unglaubliche Menschenverachtung dieser Sicht auf den Menschen, der als Teil der Natur und einer Gemeinschaft lebt.

Der Staat als Grenze von Allmacht wird der modernen Kriegsführung des Aktivismus untergeordnet. Das journalistische Sprechen und die Politik setzen sich an die Stelle von allem Leben. An die Stelle von Kunst und Wissenschaft.

Wenn die Kunst und die Literatur noch eine Bedeutung in unserem westlichen Leben hätten, nicht durch aufgedrängte Popularitäten zur Seite gedrängt würden, hätte es das Gendern nicht gegeben. Wir würden wie die Menschen im Iran unsere Dichter kennen und lieben, als Teil unserer Gedankenwelt, statt sie aus dem Schulunterricht zu vertreiben.

Ein wunderschöner Satz von Rumi, einem iranischen Dichter des 13. Jahrhunderts, lautet: „Du bist, was du suchst.“

Was suchen wir? Suchen wir Frieden? Nein, wir feiern den Krieg in unserer Schlacht für das Gute.

Auch die Wissenschaft wird ersetzt durch die Politik. Denn der Bundestag beschließt, wie Geschichte zu deuten ist, und erklärt damit die Geschichtswissenschaft für obsolet. Die Regierung setzt sich an die Stelle biologischer Forschung und beschließt medizinisch unbegründete Maßnahmen. Eine abgehobene Kaste, die mit dem Verweis auf Brüssel jeden Schwachsinn zum Gesetz erheben will und kann. Brandmauern werden zum Prinzip erhoben und zur Vernichtung genutzt. Die Welt braucht aber keine Brandmauern, sondern Verständigung.

Es wird keine Sieger geben, wenn Kriege das menschliche Leben bestimmen. Jeder Sieg wäre keine Lösung, sondern neuer Kriegsgrund. Kriege sind keine Naturkatastrophen, sondern menschengedachte Allmachtsfantasien. Frieden muss gewünscht werden.

Deshalb Abrüsten auf allen Gebieten, in der Sprache, im Alltag, in der Politik. Wie bekannt gibt es keine einseitige Sicherheit.

Den Text ist der aktuellen Ausgabe 5/6 2025 unseres Magazins entnommen, das im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften erhältlich ist. Sie können das Heft auch auf dieser Website (Abo oder Einzelheft) bestellen.

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