Islamischer Staat

Neue IS-Provinz in den Südphilippinen

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Die seit den Anschlägen vom 11. September 2001 international als terroristisch geächtete Organisation Abu Sayyaf steigt offiziell zur südostasiatischen Dependence des „Islamischen Staates“ auf –

IS-Kämpfer Mohd Rafi Udin aus dem malaysischen Bundesstaat Negri Sembilan ruft in einem Video zur Stärkung der neuen IS-Provinz im Süden der Philippinen auf. Anschließend wird er gemeinsam mit Gesinnungsgenossen drei syrische Soldaten exekutieren.

Nach Monaten gezielter Vorbereitung ist es offensichtlich dem „Islamischen Staat“ unter Führung des selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi gelungen, sein Einflussgebiet auf Südostasien auszuweiten und dort als Zentrum seiner Operationen im Süden der Philippinen eine weitere Provinz (wilayat) aufzubauen.

In einem in der vergangenen Woche publizierten 20-minütigen Video mit dem Titel Taghut (Sünder, Götzendiener beziehungsweise alles, was neben oder außer Allah angebetet wird) melden sich aus Syrien drei IS-Kämpfer zu Wort, bevor sie drei gefangen genommene Soldaten der syrischen Armee enthaupten. Einen der IS-Kämpfer haben malaysische Nachrichtendienste mittlerweile als Mohd Rafi Udin aus dem malaysischen Bundesstaat Negri Sembilan ausgemacht. In seiner Videobotschaft kündigt Udin nicht nur Anschläge gegen Polizeieinrichtungen in seinem Heimatland an. Er ruft darin außerdem Gesinnungsgenossen in Südostasien dazu auf, sich, wenn schon nicht in Syrien oder Irak, so wenigstens im Süden der Philippinen für die Stärkung der neuen IS-Provinz einzusetzen.

Laut Berichten der britischen Nachrichtengentur Reuters und der US-amerikanischen Website The Long War Journal am vergangenen Wochenende gilt dieses Video als offizielle Bestätigung der Gründung einer neuen IS-Provinz in Südostasien mit den Südphilippinen als Zentrum. Zwar hat es seit Sommer 2014 – zuerst auf der Insel Basilan und nachdem der IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi die Schaffung eines Kalifats verkündet hatte – mehrfach Treueeide (bayah) auf den IS seitens der dort operierenden Abu Sayyaf-Gruppe (ASG) gegeben. Doch nunmehr gilt dieses enge Bündnis als besiegelt. „Dieses Video“, erklärte der Chef der „counter-terrorism unit” der malaysischen Polizei, Ayob Khan Mydin Pitchay, gegenüber Reuters, „bestätigt offiziell die Verankerung des IS in Südostasien. Es ist dies nicht nur Propaganda, sondern bedeutet eine ernstzunehmende Gefahr. Wir gehen jedenfalls fest davon aus, dass Angriffe in der Region in der nächsten Zeit zunehmen werden.“

Das Video zeigt auch Kombattanten von zehn „Bataillonen” der Abu Sayyaf beim Treueeid auf den IS, die laut dessen wöchentlichem Nachrichtendienst Al Naba bereits im April den 50-jährigen Isnilon Totoni Hapilon einvernehmlich zu ihrem Emir auserwählt hätten. Hapilon, den der IS unter seinem nom de guerre Abu Abdullah al Filipini aufführt, gilt als Nummer eins der Abu Sayyaf auf Basilan, während diese Position auf der weiter südlich gelegenen Insel Jolo Radullan Sahiron einnimmt, der wegen seiner Einarmigkeit von seiner Gefolgschaft auch als Kumander Putol (putol bedeutet „schneiden”, „abtrennen”) bekannt ist. Für die Ergreifung von Hapilon und Sahiron hat das amerikanische FBI seit Jahren ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar beziehungsweise eine Million Dollar ausgesetzt.

Bereits Anfang des Monats hatte die ’Amaq News Agency, eines der Nachrichtenportale dschihadistischer Gruppen, eine Infografik veröffentlicht, auf der neben der Abu Sayyaf und ihren „Bataillonen“ auch andere sich mittlerweile zum IS bekennde Organisationen in den Südphilippinen aufgelistet sind – darunter die Bangsamoro Islamischen Freiheitskämpfer (BIFF), Ansar Khilafah in den Philippinen, der Islamische Staat in Lanao und Teile der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF). Als deren Operationsgebiete werden die südphilippinischen Provinzen Basilan, Südcotabato, Sulu, Sarangani und Lanao del Sur genannt.

Trotz mehrfacher Großoffensiven philippinischer Regierungstruppen hat sich die Abu Sayyaf behaupten können und ungeniert ihr mittlerweile als ausgeklügeltes „Business“ betriebenes Kidnapping von Aus- wie Inländern mit anschließender Lösegelderpressung weiterbetrieben. Blieb eine solche Zahlung aus, wie zuletzt am 13. Juni im Falle des kanadischen Staatsangehörigen Robert Hall geschehen, erfolgte prompt die Enthauptung der Geisel. Bislang sind die Pläne des am 30. Juni aus dem Amt scheidenden Präsidenten Benigno S. Aquino III. verpufft, mittels einer „gnadenlosen Großoffensive” der ASG – genauer Gruppierungen, die unter diesem Namen firmieren – das Rückgrat zu brechen.

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Die Hinwendung der ASG und der anderen genannten Gruppierungen unter dem Schirm des IS ist gleichzeitig auch ein öffentlicher Affront gegen den laufenden Friedensprozess zwischen der Regierung in Manila und der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF). Ursprünglich sollte in diesem Monat die neue autonome Bangsamoro-Regierung vorgestellt werden, nachdem im Frühjahr 2014 nach 17-jährigem Verhandlungsmarathon ein Friedensvertrag zwischen beiden Parteien unter der Ägide Malaysias geschlossen worden war. Doch das Kernstück dieses Vertrags, das Bangsamoro-Grundgesetz, schaffte mangels Quorum nicht die Hürden im philippinischen Repräsentantenhaus und Senat. Seit Anfang dieses Jahres herrscht mithin ein fragiler Frieden, der eher dem Zustand fortwährender Kampfhandlungen zwischen sämtlichen Antagonisten gleicht.

In Washington, Manila, Kuala Lumpur und Jakarta denkt man gegenwärtig laut darüber nach, die Sulu See verstärkt „vor Terrorismus und Piraterie“ zu sichern. Womit implizit auch der Anspruch Washingtons verbunden ist, die strategisch überaus bedeutsame Straße von Malakka sowie die Schifffahrtsrouten im Südchinesischen Meer – von den Philippinen mittlerweile als Westphilippinisches Meer bezeichnet – „zu schützen“. In Letzterem werden gewaltige Gas- und Ölvorkommen vermutet. Und gleichzeitig pocht die VR China auf exklusive Territorialansprüche, was von Taiwan und den südostasiatischen Anrainerstaaten Vietnam, den Philippinen, Brunei und Malaysia zurückgewiesen wird. Sie machen jeweils Teilansprüche geltend und bezichtigen Beijing ihrerseits, expansionistische Ziele zu verfolgen.

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