Klimagipfel

COP28 - Deutschland verfehlt sein "Ziel"

Vom 30. November bis 12. Dezember fand die COP28, die 28. UN-Klimakonferenz statt. Gastgeberland waren die Vereinigten Arabischen Emirate. Über 70.000 Teilnehmer reisten in Dubai an, allein die deutsche Delegation unter Leitung von Außenministerin Baerbock in 250-Mann-Stärke. Erklärtes Ziel der deutschen Vertreter war der internationale Ausstieg aus fossilen Energieträgern – aus ihrer Sicht der einzige Weg zur Verhinderung einer globalen Klimakatastrophe und zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels.

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Sultan Ahmed al-Dschaber: “… es sei denn, Sie wollen die Welt zurück in die Höhlen führen.”
Foto: IAEA Imagebank Lizenz: CC BY 2.0, Mehr Infos

Von Beginn an schien die Wahl des Gastgeberlandes aus westlicher Sicht problematisch, gehören doch die VAE zu den bedeutendsten Exporteuren fossiler Energie. Nicht zuletzt diesem Geschäft verdankt das Land seine Rolle in der Weltwirtschaft. Als Anfang des Jahres mitgeteilt wurde, der Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien in den VAE, Sultan Ahmed al-Dschaber, werde den Vorsitz übernehmen, rief das bereits einige Beunruhigung in den Reihen der CO2-Reduzierer hervor. Der Sultan ist nämlich nicht nur Minister, sondern in Personalunion Chief Executive Officer (CEO) der staatlichen Ölgesellschaft Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC).

So beeilten sich deutsche Klima-NGOs, von einem Gipfel „im Land der Klimaterroristen“ zu schwadronieren. Al-Dschaber zeigte sich im Frühjahr 2023 hingegen diplomatisch und sprach von einem „pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz“ unter seiner Leitung.

Westliches Ziel: die Emissionen aus fossilen Brennstoffen auf Null bringen

Doch unmittelbar vor Beginn der Konferenz schien sich das Blatt zu wenden und die schlimmsten Befürchtungen für die deutsche und andere westliche Delegationen begannen sich zu bewahrheiten. In einem Guardian-Artikel wird aus einer Zoom-Konferenz zur Vorbereitung des Gipfels der „Ölscheich“ zitiert. Auf eine Frage von Mary Robinson, der Vorsitzenden der Gruppe der Ältesten und ehemaligen UN-Sonderbeauftragten für den Klimawandel, antwortete Al-Dschaber lapidar.

Dialog:

Robinson

Wir befinden uns in einer absoluten Krise, die Frauen und Kinder mehr als alle anderen trifft … und das liegt daran, dass wir uns noch nicht zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe verpflichtet haben. Das ist die einzige Entscheidung, die COP28 treffen kann, und in vielerlei Hinsicht, da Sie der Chef von ADNOC sind, könnten Sie sie mit mehr Glaubwürdigkeit treffen.

Al-Dschaber

Ich habe mich bereit erklärt, zu diesem Treffen (gemeint ist das Zoom-Meeting, Anm. Übers.) zu kommen, um ein nüchternes und reifes Gespräch zu führen. Ich werde mich in keiner Weise auf eine Diskussion einlassen, die alarmistisch ist. Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse oder Szenarien, die besagen, dass durch den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe 1,5°C erreicht werden können.

Robinson forderte ihn weiter heraus und sagte: „Ich habe gelesen, dass Ihr Unternehmen in Zukunft in viel mehr fossile Brennstoffe investieren wird.“ Al-Dschaber antwortete: „Sie lesen Ihre eigenen Medien, die voreingenommen und falsch sind. Ich sage Ihnen, dass ich der Verantwortliche bin.“

Al-Dschaber schloss mit den Worten

Bitte helfen Sie mir, zeigen Sie mir den Fahrplan für den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, der eine nachhaltige sozioökonomische Entwicklung ermöglicht, es sei denn, Sie wollen die Welt zurück in die Höhlen führen.

Und weiter…

Ich glaube nicht, dass Sie zur Lösung des Klimaproblems beitragen können, indem Sie mit dem Finger auf andere zeigen oder zur Polarisierung und Spaltung der Welt beitragen, die bereits im Gange ist. Zeigen Sie mir die Lösungen. Hören Sie auf, mit dem Finger zu zeigen. Hören Sie damit auf.

Wie Recht der Gastgeber behalten sollte, zeigte sich schließlich bei der Verabschiedung des Abschlussdokuments. Für die westliche Position des vollkommenen Ausstiegs aus fossiler Energie ließ sich beim besten Willen keine Mehrheit finden. Das versetzte vor allem die deutsche Delegation geradezu in Panik, da bei der krisengeschüttelten Inlandspolitik ein kleiner Erfolg genau das wäre, was die Ampel-Koalition bräuchte. Deshalb wurde unentwegt „nachverhandelt“.

Baerbocks Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, die US-Amerikanerin und ehemalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan, informierte „ihr Publikum“ währenddessen via Social Media.

Morgans Message vermittelt den Eindruck, als würde an der Abschlusserklärung zu COP28 nicht so lange verhandelt, bis man einen gemeinsamen Kompromiss gefunden hat (was eigentlich üblich wäre), sondern vielmehr so, als wolle Deutschland mit Baerbock an der Spitze die anderen Teilnehmer so lange zurechtkneten, bis alle nach seiner Pfeife tanzen.

Doch das gelang nicht! Die Mehrheit der anwesenden Staaten widersetzte sich der Bevormundung und das Treffen endete mit einer halbherzigen Erklärung, statt des geforderten totalen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen ist nurmehr die Rede von einer „Abkehr“.

Nebenschauplatz Kernenergie

Kein Wunder, können sich viele Nationen mit dem Gedanken einer angemessenen „Abkehr“ anfreunden. Noch nie war der Neubau von mehr Kernkraftwerken weltweit geplant als in diesem Jahr. Und Deutschland? Das Land war einst führend in der Technologie der friedlichen Nutzung der Atomenergie.

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