Digitale Einflusskampagne

Bericht: Israel organisierte verdeckte Online-Kampagne für Machtwechsel im Iran

Israelische Regierung finanzierte Social-Media-Operation in persischer Sprache / Kanadische Forscher und israelische Journalisten: Nahezu tausend künstliche Social-Media-Profile verbreiteten Botschaften für Rückkehr des Schah-Sohns / Zeitliche Abstimmung mit Angriff auf iranisches Dissidentengefängnis

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Die israelische Regierung hat mit einer verdeckten Online-Kampagne versucht, einen Machtwechsel im Iran herbeizuführen und den persischen Kronprinzen Reza Pahlavi zum zukünftigen iranischen Staatsoberhaupt aufzubauen. Das geht aus einem Bericht der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ hervor, der auf gemeinsamen Recherchen mit dem Wirtschaftsmagazin „Marker“, Analysen der Universität Toronto und auf Aussagen von fünf anonymen Quellen basiert. (3. Oktober) Es habe eine „groß angelegte digitale Einflusskampagne“ in persischer Sprache gegeben, die von Israel aus betrieben und mit israelischen Steuergeldern finanziert wurde, um das öffentliche Ansehen Pahlavis zu steigern und Forderungen nach der Wiederherstellung der Monarchie im Iran zu stärken. Dies sei Teil einer noch größeren Social-Media-Kampagne gegen den Iran, die Tel Aviv bereits seit Jahren durchführe und die den „geopolitischen Interessen“ Israels diene.

Den Recherchen zufolge nutzte die Kampagne gefälschte Profile auf Online-Plattformen wie „X“, „Telegram“ oder „Instagram“, um meist durch Künstliche Intelligenz (KI) produzierte Umsturz-Botschaften und pro-Pahlavi-Narrative während des Zwölf-Tage-Krieges im Juni 2025 im Iran zu verbreiten. Fast tausend „Avatare“ seien an der gesamten Kampagne beteiligt gewesen. Hunderte dieser „Fake-Nutzer“ hätten online für Pahlavi geworben, seine Nachrichten geteilt und Hashtags wie „#KingRezaPahlavi“ verwendet, heißt es im Bericht. Sie hätten iranische Bürger zudem dazu aufgerufen, Banken zu stürmen und all ihr Geld abzuheben sowie von Balkonen aus den Tod des iranischen Staatsoberhaupts Ali Chamenei zu fordern. Ebenso wurden gefälschte Medienberichte über ins Ausland fliehende hohe Beamte Irans oder protestierende Künstler verbreitet. Mehr als 100 dieser Nutzerprofile seien während des Krieges „simultan“ erstellt worden und nutzten KI-generierte Profilbilder. Hunderte weitere in der Kampagne genutzte Konten seien bereits während der iranischen „Hijab-Proteste“ im Jahr 2022 gegründet worden, dann aber bis zum Kriegsbeginn im Juni jahrelang „inaktiv“ gewesen.

Die Online-Kampagne gegen den Iran sei bereits vor den aktuellen Berichten von israelischen Journalisten und von Social-Media-Forschern des „Citizen Lab“ (Universität Toronto) als ausländische Einflussoperation identifiziert worden, nun sei klar, dass sie „höchstwahrscheinlich“ aus Israel gesteuert wurde, schreibt „Haaretz“. Schlüsselperson sei die damalige israelische Geheimdienstministerin und derzeitige Wissenschaftsministerin Gila Gamliel von der Regierungspartei Likud. Sie sei nicht nur Ansprechpartnerin für Pahlavi und habe ein Treffen zwischen ihm und Regierungschef Benjamin Netanjahu ermöglicht, sondern habe das Kampagnen-Netzwerk auch genutzt, um sich selbst zu profilieren. Besonderes Aufsehen habe ein KI-generiertes Video mit dem Titel „Nächstes Jahr im freien Teheran“ gesorgt, das die Ministerin mit ihrem Ehemann sowie Netanjahu und Pahlavi mit deren Ehefrauen bei einem Spaziergang durch die Straßen von Teheran zeigt. Ein weiteres Video stellte Ali Chamenei als Adolf Hitler dar.

Nach Einschätzung der kanadischen Forscher sei die Online-Kampagne zudem mit militärischen Aktionen Israels gegen den Iran synchronisiert gewesen. So gebe es „Anzeichen“, dass die Betreiber im Voraus vom Angriff am 23. Juni auf das Evin-Gefängnis in Teheran wussten, in dem viele Oppositionelle inhaftiert seien. Nur Minuten nach den ersten Explosionen und vor allen Medien hätten entsprechende Avatare über den Angriff berichtet und dabei den Eindruck erweckt, als handele es sich bei ihnen um Anwohner. Die künstlichen Profile hätten zudem gefälschte Videos aus dem Gefängnis verbreitet und Menschen dazu aufgerufen, die Haftanstalt zu stürmen und Insassen zu befreien. Den kanadischen Forschern zufolge sei all das nur mit „Vorwissen“ über den Angriff möglich gewesen. Bei dem einstündigen israelischen Bombenangriff um die Mittagszeit waren 80 Zivilisten ums Leben gekommen. Organisationen wie „Amnesty International“ und „Human Rights Watch“ schätzen den Angriff als „Kriegsverbrechen“ ein.

Reza Pahlavi, ältester Sohn des gleichnamigen 1979 durch die Islamische Revolution vertriebenen Schahs von Persien, lebt seit mehr als 40 Jahren im US-Exil. Israel habe eine Beziehung zu ihm aufgebaut, „vermutlich als Teil der Bemühungen, einen Regimewechsel zu fördern“, heißt es im „Haaretz“-Bericht. Dabei sei „keineswegs klar“, dass die Iraner Pahlavi als Staatsoberhaupt wollten, schreiben die israelischen Journalisten. Er trage das politische Erbe seines Vaters, eines „Diktators, der von Israel und den USA unterstützt wurde“ und dessen Herrschaft unter anderem für „Korruption, politische Unterdrückung sowie die Folterung von Regimegegnern“ stand. Pahlavi selbst verweist auf seine hohe Beliebtheit unter iranischen Social-Media-Nutzern und forderte während des zwölftägigen Krieges einen Umsturz in seinem Heimatland. Er stehe jedoch nicht für eine Neuauflage der Monarchie sondern für Demokratie, erklärte die Zeitung „Jüdische Allgemeine“.

Raz Zimmt vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv sagte, die Zusammenarbeit der israelischen Regierung mit Pahlavi sei ein „Fehler“. Die Kooperation bestärke Ayatollah Khamenei in seiner Darstellung, dass Israel und die USA den Iran wieder in einen „Vasallenstaat“ verwandeln wollen. Die meisten Iraner hätten kein Interesse an der Wiederherstellung der Monarchie. Alberto Fittarelli, Forschungsleiter des beteiligten „Citizen Lab“-Instituts aus Toronto, sagte, die von Israel genutzten Methoden der Einflussnahme seien typisch für Autokratien, sollten von demokratischen Regierungen jedoch nicht angewendet werden. Der Iran betreibe seinerseits vergleichbare Social-Media-Kampagnen gegen Israel, erklärte „Haaretz“.

Der Investigativjournalist Kit Klarenberg schreibt in einem Beitrag (7. Oktober), bei Israels Vorgehen handele es sich um „psychologische Kriegsführung“, die auf einen „Regime-Wechsel“ in Teheran und auf Zustimmung für die Einsetzung Pahlavis hinarbeite. Israel werde dabei von ähnlichen verdeckten Online-Kampagnen des Pentagon unterstützt. Doch der Schah-Sohn genieße „keine Unterstützung“ bei den Menschen im Iran und die meisten Exil-Iraner lehnten ihn ebenfalls ab. Dass Israel trotzdem so viele Ressourcen in Pahlavi investiert habe, sei ein „peinlicher Misserfolg“.

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