Moldawien Wahl

Deutsche Wahlbeobachterin: Potenzielle moldawische Oppositionswähler massiv behindert

Auslandsstimmen entschieden geopolitisch brisante Wahl / Pro-EU-Regierung erschwerte Stimmabgabe für moldawische Wähler in Transnistrien, Russland und Weißrussland / Wahlbeobachterin: Repression in Vorwochen und fehlende Beobachtung der Auslandswahl bleiben im Westen unberücksichtigt

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Der Zugang zu den Wahllokalen für potenzielle Wähler der Opposition bei den Parlamentswahlen in Moldawien sei „massiv gestört“ worden. Dies berichtet die EU-Abgeordnete und Wahlbeobachterin Ruth Firmenich (BSW) in einem Interview mit den „NachDenkSeiten“. Für Wähler aus Transnistrien, einem abgespaltenen und von Russland unterstützten Teil des Landes östlich des Flusses Dnister, standen zwar auf westlicher Seite des Flusses Wahllokale zur Verfügung. Allerdings sei im Vergleich zu den vorhergehenden Parlamentswahlen die Anzahl dieser Wahllokale von 42 auf zwölf „erheblich“ reduziert worden. Von diesen zwölf seien in der letzten Woche vor der Wahl aufgrund von „nebulösen Sicherheitsbedenken“ fünf umplatziert worden. Am Wahltag durften nur individuelle PKWs die Brücken des Dnisters überqueren. Busse und sogar Taxis seien von der Polizei zurückgewiesen worden. Zudem seien die Wähler aufgrund von „Bombendrohungen“ kaum noch über die Brücken gekommen.

Auch den in Russland und Weißrussland lebenden Moldawiern sei die Teilnahme an der Wahl erschwert worden. Die moldawische Regierung habe lediglich zwei Wahllokale in Moskau und eines in Minsk eingerichtet. Die maximale Anzahl an Wahlscheinen pro Wahllokal sei auf 5.000 begrenzt gewesen. Im Gegensatz dazu habe es etwa 300 Wahllokale im westlichen Ausland gegeben, davon mehr als 70 in Italien und 36 in Deutschland. Da ein Drittel der wahlberechtigten Moldawier im Ausland lebe, darunter viele in Russland, werde das Wahlergebnis massiv durch die Auslandsstimmen beeinflusst, erklärt Firmenich. Dies habe sich auch im Wahlergebnis widergespiegelt. Die Regierungspartei habe in Moldawien selbst 44 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht. Bei den Auslandsstimmen seien es 78 Prozent gewesen.

Auf Nachfrage der Wahlbeobachterin, was der Grund für die geringe Anzahl der Wahllokale in Russland gewesen sei, habe ein Vertreter der regierenden pro-europäischen Partei PAS („Partei der Aktion und Solidarität“) „unverhohlen“ geantwortet, dass mehr Wahlmöglichkeiten „gefährlich“ wären. Firmenich berichtet außerdem, dass am Wochenende vor der Wahl 250 Objekte durchsucht und etwa 100 Menschen verhaftet wurden. Das sei ihr in Gesprächen vor Ort bestätigt worden. Als Wahlbeobachterin sei sie erst am Donnerstag vor der Wahl in Moldawiens Hauptstadt Chisinau eingetroffen. 100 Verhaftungen in Moldawien entspräche auf Deutschland umgerechnet einer Größenordnung von etwa 4.000, erklärt die EU-Abgeordnete.

Der Wahltag selbst sei in allen Regionen im Land ruhig verlaufen, so dass das Abschlussstatement der Wahlbeobachtungskommission bis auf wenige Beschwerden positiv ausgefallen sei. Firmenich kritisiert, dass man mithilfe der externen Beobachtung den Wahlen die „Weihen einer tatsächlich demokratischen Wahl“ erteilen wollte. Man könne die Beurteilung einer Wahl jedoch nicht nur davon abhängig machen, ob am Wahltag in den Wahllokalen „die Urnen versiegelt waren“. Das Problem habe im Vorfeld gelegen und daran, dass es keine Wahlbeobachtung bei den Auslandsstimmen gab.

Bei dem Abschlussstatement sei betont worden, dass es trotz der von Russland ausgehenden Gefahr, die Wahl zu stören und zu beeinflussen, gelungen sei, eine faire und demokratische Wahl abzuhalten. Keiner der anwesenden Journalisten habe hierzu Nachfragen gestellt. Es sei zwar klar gewesen, dass Russland die Wahl beeinflussen wollte. Eine Einflussnahme habe jedoch auch vonseiten der EU stattgefunden – beispielsweise in Form von Besuchen westlicher Regierungschefs kurz vor der Wahl in Chisinau oder durch eine Rede der moldawischen Präsidentin Maia Sandu von der Regierungspartei zwei Wochen vor der Wahl im Europaparlament. Letzteres habe auf die Auslandsstimmen abgezielt.

Bei der Wahl in Moldawien Ende September hat die regierende pro-europäischen Partei PAS laut vorläufigem amtlichen Ergebnis mit 50,2 Prozent erneut die absolute Mehrheit erlangt. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 52 Prozent. Die Zentrale Wahlkommission Moldawiens hat noch in den letzten Tagen vor der Wahl Oppositionsparteien und Kandidaten die Zulassung entzogen. Ein Zwischenbericht des „Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte“ der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) führte eine Reihe von Beispielen an, wie die Pressefreiheit in dem Land durch Gesetzesänderungen seit 2022 für EU- und regierungskritische Medien stark eingeschränkt wurde.

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