Corona

Erste Ungeimpfte im Gesundheitswesen scheitern vor Gericht

(Redaktion, 25.7.22) Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht hat in den vergangenen Wochen zu ersten Betretungs- und Tätigkeitsverboten geführt. Mindestens ein Zahnarzt und einige Mitarbeiter, die weder gegen Corona geimpft waren noch eine Genesung oder eine Impfunfähigkeitsbescheinigung vorlegen konnten, dürfen demnach nicht mehr arbeiten. Dies haben in mindestens zwei Fällen auch die angerufenen Verwaltungsgerichte bestätigt. Laut einem n-tv-Bericht von Mitte Juli seien bundesweit gut 70 Mitarbeitern in Gesundheitseinrichtungen das Betreten ihrer Arbeitsstätte bzw. ihre Tätigkeit untersagt worden. Allerdings sollen dem Bericht zufolge in Deutschland mehr als 160.000 Mitarbeiter von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Arzt- und Therapiepraxen bei den Gesundheitsämtern als ungeimpft gemeldet worden sein.

Am heutigen Montag scheiterte ein Zahnarzt aus der Grafschaft Bentheim (Niedersachsen) mit einem Eilantrag gegen das gegen ihn im Juni verhängte Tätigkeitsverbot. Der Zahnarzt ging dagegen vor Gericht und wies bei der Begründung unter anderem darauf hin, dass kein nach dem Arzneimittelgesetz zulässiger Impfstoff gegen das Coronavirus vorliege. Das Verwaltungsgericht Osnabrück folgte den Ausführungen des Zahnarztes nicht, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Landkreis habe korrekt nach dem Infektionsschutzgesetz gehandelt, welches nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im April über die einrichtungsbezogene Impfpflicht rechtmäßig sei.

Der ungeimpfte Zahnarzt habe eine besondere Verantwortung gegenüber seinen Patienten, sein Infektionsrisiko wie auch das Übertragungsrisiko seien gegenüber Geimpften erheblich erhöht, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Allerdings gibt es nach der aktuellen FAQ (Stand Anfang Juni) des Robert-Koch-Instituts keine klare Aussage darüber, ob dies bei Omikron wirklich der Fall ist. Die Übertragung „scheint bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt ist“, heißt es dort. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts kann mit einer Beschwerde vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angefochten werden.

In Rheinland-Pfalz hatten die Gesundheitsämter nach einem Medienbericht Mitte Juli rund 1000 Bußgeldverfahren eingeleitet, zehn Tätigkeitsverbote und ein Betretungsverbot ausgesprochen. In der vergangenen Woche hatte das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße  einen Eilantrag einer Betroffenen zurückgewiesen. Die Zahnarzthelferin darf nach Entscheidung des zuständigen Gesundheitsamtes die Praxis nicht betreten, was das Gericht laut Pressemitteilung bestätigte. Da sie laut Gericht mittlerweile einen positiven PCR-Test vorgelegen hat, darf sie im Zeitraum vom 29. bis 90. Tag nach dem Test die Praxis betreten. Der Beschluss kann noch beim Rheinland-Pfälzischen Oberverwaltungsgericht angefochten werden.

Auch in Brandenburg gibt es erste Betretungsverbote. Diese haben laut rbb zwei Betroffene im Kreis Oder-Spree (Brandenburg) erhalten. Für sie habe ihre Einrichtungsleitung Ersatz gefunden, heißt es in dem Bericht weiter. In Berlin wiederum können einige Gesundheitsämter noch nicht einmal angeben, wie viele Mitarbeiter in Gesundheitsberufen überhaupt als ungeimpft gemeldet worden sind. Die BZ berichtet, dass die meisten Gesundheitsämter in den Bezirken nicht in der Lage seien, die von den Arbeitgebern gemeldeten Daten zu prüfen und Sanktionen einzuleiten. Aus Bayern meldet die Augsburger Allgemeine gut 56.000 Ungeimpfte im Gesundheitswesen, von denen jedoch noch niemand ein Betretungsverbot erhalten habe. „Wir haben den Gesundheitsämtern im Rahmen unserer Vollzugshinweise mitgeteilt, dass bei der Prüfung von Sanktionen das Thema der Versorgungssicherheit maßgeblich zu berücksichtigen ist“, sagt Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Ein Pflegeheimbetreiber aus dem Landkreis Lindau am Bodensee hatte der Zeitung berichtet, dass einige seiner Mitarbeiter sich in Richtung Österreich orientieren würden – dort gilt keine Impfpflicht.

Die Politik auf Landes- und Bundesebene diskutiert derzeit darüber, ob die bis Ende des Jahres geltende Regelung verlängert wird. Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) beispielsweise kann sich die Verlängerung der Nachweispflicht nur in Verbindung mit einer allgemeinen Impfverpflichtung gegen COVID-19 vorstellen. In Thüringen fordern die Landesärztekammer Thüringen, die Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen, der Landesverband Thüringen der Ärzte und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und das Universitätsklinikum Jena ein Aussetzen der Regelung. Sie sagen: „Wir können uns das fehlende Personal in der jetzigen Situation nicht leisten.“

Der Abschlussbericht des mittlerweile aufgelösten Corona-Krisenstabes fasste Mitte Juli Vorbehalte der Länder gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht zusammen. Laut Business Insider fordern sie eine Neubewertung der Maßnahme, berichten von Schwierigkeiten bei der Umsetzung und fordern eine Evaluierung, wie die Impfpflicht praktisch umgesetzt werden könnte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler geht dann auch davon aus, dass die Maßnahme Ende des Jahres ausläuft.

Der Berliner Rechtsanwalt Justus Hoffmann bereitet unterdessen eine erneute Verfassungsklage von 40 Betroffenen vor. Unter ihnen ist eine Psychotherapeutin, die von der Berliner Zeitung mit den Worten zitiert wird: „Die Betroffenen fühlen sich ausgeschlossen, abgelehnt, nicht ernst genommen, zum Objekt degradiert, es kommt zu Angststörungen, Depressionen, Somatisierungsstörungen, selten auch zu posttraumatischen Belastungsstörungen und damit verbundenen Arbeitsunfähigkeitszeiten.“ Sie fragt, was ein Gesetz nütze, das krank macht?

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