Gasmarkt

Europäische Energie- und Chemieunternehmen fordern Rückkehr zu russischen Gaslieferungen

Gestiegene Importpreise von Erdgas verursachen hohe Energiekosten und Arbeitsplatzverluste / Warnung vor Abhängigkeit von US-Lieferungen wegen möglichem Handelskrieg / EU-Kommission erwägt Zölle auf russisches Gas

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Einem Bericht der Nachrichtenagentur „Reuters“ zufolge sprechen sich Geschäftsführer und Vorstände deutscher und französischer Energieunternehmen für eine Steigerung russischer Gasimporte aus – auch über ehemals genutzte Pipelines wie „Nord Stream“ oder per Transit über die Ukraine. Zudem warnten sie vor einer zu großen Abhängigkeit von US-Gaslieferungen. Auch Politiker, Wissenschaftler und Analysten wiesen auf die Gefahr hin, dass die Vereinigten Staaten (USA) die Ausfuhr von Flüssigerdgas (LNG) in einem sich anbahnenden Handelskrieg instrumentalisieren könnten.

Christof Günther, Geschäftsführer von „Infraleuna“, Betreiber des „Chemieparks Leuna“, erklärte laut der Nachrichtenagentur, dass sich die deutsche Chemieindustrie in einer Krise befinde und in den vergangenen fünf Quartalen so viele Arbeitsplätze abgebaut habe, wie sei Jahrzehnten nicht mehr. Die Wiedereröffnung der „Nord Stream“-Pipelines würde die Preise stärker senken als alle derzeitigen Subventionsprogramme. Das sei zwar ein „Tabuthema“, sagte Günther, aber viele Kollegen seien sich einig, dass man zu russischem Gas zurückkehren müsse. Auch Klaus Paur, Geschäftsführer von „Leuna-Harze“, einem mittelständischen Petrochemie-Hersteller im „Chemiepark Leuna“, fordert laut „Reuters“ die Eröffnung von „Nord Stream 2“, um die Energiekosten im Griff zu behalten. Tatsächlich zeigt eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes, dass in Deutschland der Importpreis von Erdgas im Februar 2025 um knapp das Vierfache höher lag als im Februar 2020.

Didier Holleaux, Vizepräsident des französischen Energieversorgungskonzerns „Engie“ plädiert laut „Reuters“ für einen jährlichen Import von russischem Gas von 60 bis 70 Milliarden Kubikmetern in die EU, einschließlich LNG. Voraussetzung sei ein „vernünftiger Frieden“ in der Ukraine. Das wären 20 bis 25 Prozent des EU-Bedarfs, während es vor dem Krieg noch 40 Prozent waren. Laut einer Auswertung in der „Reuters“-Meldung lag der Anteil der russischen Lieferungen am gesamten EU-Gasimport 2024 bei knapp 19 Prozent, derjenige der USA bei knapp 17 Prozent. Vor einer Steigerung des russischen Gasimports müssten jedoch zunächst Schiedsgerichtsverfahren aufgrund ausgebliebener Lieferungen von „Gazprom“ beigelegt werden, erläuterte Holleaux.

Patrick Pouyanne, Direktor des französisches Energieunternehmens „TotalEnergies“, warnte gegenüber Reuters vor einer zu großen Abhängigkeit von US-amerikanischem Gas. Sein Unternehmen ist ein großer Exporteur von LNG aus den Vereinigten Staaten und verkauft auch russisches LNG von der Firma „Novatek“. Pouyanne glaubt, dass die EU zukünftig wieder jährlich 70 Milliarden Kubikmeter russisches Gas importieren werde. Im „Reuters“-Beitrag werden verschiedene Politiker, Wissenschaftler und Analysten zitiert, die ebenfalls vor dem Hintergrund der aktuellen US-Zollpolitik vor der Gefahr warnen, dass die US-Regierung bei einem eskalierenden Handelskrieg LNG-Exporte als Druckmittel einsetzen könnte.

Die Einschätzungen der Energieunternehmen werden von aktuellen Import-Zahlen und dem Stand der deutschen Gasspeicher bestätigt. Eine Auswertung der europäischen Wirtschaftsdenkfabrik „Bruegel“ zeigt, dass sich die jährlichen EU-Gasimporte seit 2023 am unteren Rand des Minimums zwischen 2015 und 2020 befinden oder darunter liegen. Seit Anfang 2025 ist zudem der Import von russischem Gas in die EU über die Ukraine beendet worden. Dieser hat 15 Milliarden Kubikmeter jährlich betragen. Der NDR meldet, dass der Füllstand der deutschen Gasspeicher mit 30 Prozent derzeit um elf Prozentpunkte niedriger liege als im Mittel der Jahre 2017 bis 2021.

Obwohl die EU bis 2027 vollständig auf den Import von russischem Gas verzichten will, sind die Gaslieferungen aus Russland 2024 im Vergleich zu den Vorjahren wieder gestiegen – insbesondere nach Italien, Tschechien und Frankreich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will in den nächsten Wochen einen Fahrplan veröffentlichen, wie das Ziel der Unabhängigkeit von russischem Gas doch noch erreicht werden soll, berichtet die „Frankfurter Rundschau“. Da Ungarn und die Slowakei angekündigt haben, Sanktionen gegen russische Gasimporte mit einem Veto zu blockieren, werde in Brüssel derzeit die Idee diskutiert, Zölle auf russisches Gas zu erheben. Dafür brauche es in der EU nur eine einfache Mehrheit.

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