Europäische Union organisierte 2019 eigene Pandemie-Übung
Planspiel „Blue Orchid“ und länderübergreifende „Experten-Workshops“ zur Pandemievorbereitung fanden 2019 statt / EU-Parlamentarier fordert „lückenlose Aufklärung“ / EU-Kommission: keine weiteren Informationen wegen Sicherheitsinteressen und aus „rechtlichen Gründen“
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Die EU organisierte im Februar 2019 eine eigene Pandemieübung mit dem Titel „Blue Orchid“. Das geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des EU-Abgeordneten Gerald Hauser (FPÖ, Patriots for Europe) vom 11. März diesen Jahres hervor. Zuerst hatte das österreichische Online-Medium „tkp“ über die Vorgänge berichtet. In der Antwort der EU-Kommission heißt es, die Übung sei durchgeführt worden, „um Mechanismen, Verfahren und Kommunikationskanäle“ zwischen der Kommission und der EU-Seuchenschutzbehörde ECDC (Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) „im Bereich des Krisenmanagements zu testen“.
Die Kommission und das ECDC hätten außerdem „im März 2019 regionale Experten-Workshops zur Bereitschaftsplanung im Hinblick auf Pandemien“ durchgeführt. Ziel sei gewesen, „die nationalen Ansätze“ in den Ländern der EU und des Europäischen Wirtschaftsraumes „zu koordinieren“. Dies bezieht sich auf die „Planung, Umsetzung und Bewertung von Bereitschaftsplänen für (Influenza-)Pandemien“ in den jeweiligen Ländern. In seiner Anfrage hatte sich Hauser erkundigt, ob die EU-Kommission und „die Kommission und ihre Agenturen“ an internationalen Pandemieübungen im Vorfeld der Corona-Krise teilgenommen haben. Dies verneinte die Kommission: „Weder die Kommission noch das ECDC noch die Europäische Arzneimittel-Agentur waren an den Simulationsübungen (Atlantic Storm, CLADE X, Event 201 und Spars Pandemic 2025-2028) beteiligt.“
Zudem wollte Hauser wissen, seit wann den zuständigen Stellen bekannt gewesen sei, „dass im Jahr 2020 eine Pandemie eintreten würde“. Hintergrund seiner Frage war eine Aussage des Moderna-Geschäftsführers Stephan Bancel, wonach sich das Unternehmen bereits 2019 mit einer milliardenfachen Produktion von Impfdosen auf eine kommende Pandemie vorbereitet habe.
In der Antwort der EU-Kommission heißt es, das ECDC habe am 17. Januar 2020 seine „erste Schnellrisikobewertung“ veröffentlicht. Die Behörde habe die Lage aufmerksam verfolgt und ihre Schnellrisikobewertungen aktualisiert, „sobald vertrauenswürdige wissenschaftliche Informationen verfügbar wurden“. Am 26. Januar 2020 sei eine „zweite Aktualisierung dieser Schnellrisikobewertung“ erschienen, in der die „potenziellen Auswirkungen“ der Ausbrüche als „hoch und eine weitere weltweite Ausbreitung als wahrscheinlich eingeschätzt wurden“. Folglich habe das ECDC vor einer Pandemie gewarnt.
Zudem verweist die EU-Kommission in ihrer Antwort auf ein „Handbuch zu Simulationsübungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in der EU“ aus dem Jahr 2014. Darin wird argumentiert, dass mit dem Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) erstmals die Möglichkeit aufgekommen sei, dass „bisher unbekannte Erreger“ zu „Massensterben und enormen wirtschaftlichen Verlusten führen“. Auch hätten „weitreichende Überschwemmungen und Hitzewellen die Auswirkungen von Umweltbedrohungen auf die Gesundheit deutlich gemacht“. Die Empfehlungen des Handbuchs zielen unter anderem darauf ab, sogenannte Drills einzuführen, „um spezifische Fähigkeiten und Kooperation“ untereinander einzuüben. Dabei sei es einzig den Übungsleitern („controllers“) vorbehalten, „den Spielern Informationen oder Anweisungen“ zu geben.
Aus Sicht von Hauser sei die Antwort der EU-Kommission auf seine Anfrage nicht zufriedenstellend. „Warum all diese Übungen?“ fragt er in einer Pressemitteilung Mitte August. Darin heißt es unter Bezugnahme auf die Pandemieübung Event 201 im Oktober 2019 und die Aussage von Moderna-Chef Bancel weiter: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass viele Akteure bereits mit dem Eintreten einer Pandemie im Jahr 2020 rechneten“. Er fordere „vollständige Transparenz“ hinsichtlich der „Vorbereitungen, Entscheidungsgrundlagen und beteiligten Netzwerke“. Eine „lückenlose Aufklärung“ sei „höchst unerlässlich“.
In einer bislang unbeantworteten Folgeanfrage, erkundigte sich der Abgeordnete Ende Juli nach den zentralen Inhalten und Szenarien der Übung „Blue Orchid“. Gefragt wird auch, welche konkreten Erkenntnisse und Konsequenzen sich aus der Übung ergaben und wo Inhalte, beteiligte Institutionen, Teilnehmer sowie Ergebnisse öffentlich eingesehen werden können. Auf Nachfrage von Multipolar teilte ein Beamter der EU-Kommission mit: „Aus rechtlichen Gründen haben die Kommission und das ECDC keine Informationen zu dieser internen Übung veröffentlicht, um die Interessen der europäischen Bürger im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit zu wahren.“