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Koalitionsvertrag: Ärzte müssen elektronische Patientenakte anbieten

Gesundheitsministerium: Für Patienten soll Nutzung der elektronischen Patientenakte freiwillig bleiben / Kritik an elektronischer Patientenakte von Ärzten und Datenschützern / Koalitionsvertrag kündigt weitere Bausteine zum „digitalen Bürger“ an

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) soll für Patienten freiwillig bleiben. Das teilt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Nachfrage von Multipolar mit. „Für Patienten bleibt die ePA freiwillig, für Ärzte wird die Nutzung nach einer Übergangszeit Pflicht“, schreibt das BMG. Ein Satz in den aktuellen Koalitionsvereinbarungen  der kommenden Bundesregierung hatte diesbezüglich für Verwirrung gesorgt. Dort heißt es: „Noch 2025 rollen wir die elektronische Patientenakte stufenweise aus, von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung.“

Leser hatten daraus geschlossen, dass die ePA für Patienten noch in diesem Jahr verpflichtend werden solle. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte dagegen stets die Freiwilligkeit betont. Patienten können der Nutzung der ePA bei ihrer Krankenkasse aktiv widersprechen. Kritiker befürchten schon länger, dass die „ePA für alle“ nur zu Beginn für Patienten freiwillig sein und in Zukunft Teil einer „digitalen Identität“ werden solle, mit der Bürger „gläserne Menschen“ werden könnten.

Datenschützer hatten außerdem betont, dass zahlreiche Akteure aus Forschung und Technik größeres Interesse an den Datensätzen haben könnten. Weitere Teile einer Entwicklung zum „digitalen Bürger“  deuten sich ebenfalls im Koalitionsvertrag an, der vergangene Woche unter anderem vom designierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vorgestellt wurde. So heißt es darin: „Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität.“

Für Arztpraxen soll es noch in diesem Jahr verpflichtend werden, die elektronische Patientenakte anzubieten. Schon die „Telematik“ als vorbereitende Technik zur späteren Nutzung der ePA in den Praxen war vom BMG „sanktionsbewehrt“ eingeführt worden. Wer sich als Arzt weigerte, die von der Bundesagentur „Gematik“ vorgesehene Technik „Telematik“ anzuschaffen und auf eigene Kosten zu betreiben, konnte mit finanziellen Abzügen bestraft werden. Jens Spahn (CDU) hatte zu seiner Zeit als Gesundheitsminister (2018 bis 2021) diese Bestrafung für Ärzte, die durch die Einführung einer ePA das Arzt-Patienten-Verhältnis in seiner Vertraulichkeit bedroht sahen, noch erhöht. Die Sanktionen reichten bis zum Entzug der Zulassung. 2019 hatte Spahn zudem seinen Vertrauten, den Pharma-Manager Markus Leyck Dieken, als Chef der „Gematik“ eingesetzt.

Die ePA ist vom amtierenden Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu Beginn des Jahres 2025 auf den Weg gebracht worden – zunächst testweise in Modellregionen. Im Dezember 2024 hatte der „Chaos Computer Club“ (CCC) vor der Einführung der ePA gewarnt. Sie sei trotz jahrelanger Vorbereitung technisch noch keinesfalls einführungsreif. Es gebe „besorgniserregende Sicherheitsprobleme“, die vom BMG „heruntergespielt“ und „geleugnet“ würden, kritisiert der CCC. Unter anderem könnten Kriminelle über die ePA an sensible Daten von Millionen Versicherten gelangen. Auch Ärzte und Verbände warnten im Januar vor Einführung der ePA in ihrer jetzigen Form. Die Praxen könnten keine weiteren Belastungen von technisch unausgereiften Lösungen stemmen. Lauterbach gab sich dennoch zuversichtlich, die ePA bis März oder April bundesweit einführen zu können.

Auf Multipolar-Nachfrage zum aktuellen Zeitplan teilte das BMG mit, der „Hochlauf der ePa“ erfolge „in den nächsten Wochen“. Die Einführung solle „schrittweise passieren“. Den Praxen werde zunächst Zeit gelassen, die entsprechende Technik zu installieren und sich an die ePA „zu gewöhnen“. Dann folge die verpflichtende Anwendung, die in einem dritten Schritt „sanktionsbewehrt“ sei. Minister Lauterbach habe sich mit den Ergebnissen der Testphase „sehr zufrieden gezeigt“. Die Sicherheitsupdates seien in Absprache mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erfolgreich installiert worden. „Die Einführung beginnt, wenn die ePA technisch stabil und sicherheitstechnisch unbedenklich läuft“, erklärte ein Sprecher. Das werde in Kürze der Fall sein.

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