Kritik an „finanziellen Fehlanreizen“ für Impfärzte in der Corona-Krise
Niedersächsische Landesregierung: Vergütung für Corona-Impfungen hat Impfbereitschaft der Ärzte gesteigert / Impfhonorare wurden im Winter 2021/2022 erhöht, nicht jedoch Honorar für Aufklärung ohne Injektion / Kritiker: Vergütung für Corona-Impfung „ungewöhnlich hoch“
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Aus Sicht der niedersächsischen Landesregierung hat das Vergütungssystem für die Verabreichung von Corona-Impfstoffen, die „Impfbereitschaft“ unter Ärzten gesteigert und insgesamt zu einer „gewünschten Erhöhung der Impfquote beigetragen“. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage des fraktionslosen Abgeordneten Jozef Rakicky von der WerteUnion bejahte die Landesregierung eine entsprechende Frage. Die Impfhonorare waren zum Jahreswechsel 2021/2022 erhöht worden. Die niedersächsische Landesregierung schreibt, die Erhöhung sei zwischen Bund und Ländern vereinbart worden. Ziel sei es gewesen, „bis Ende Januar 2022 weitere 30 Millionen Impfungen (Booster-, Erst- und Zweitimpfungen) zu erreichen“.
Der Abgeordnete wollte in seiner Anfrage auch wissen, wie sichergestellt worden sei, dass finanzielle Anreize nicht zu einer „übermäßigen oder unnötigen Verabreichung von Impfungen“ oder zu einer „weniger kritisch“ eingestellten Ärzteschaft führen würden. Die Landesregierung gibt darauf keine Antwort, sondern verweist lediglich auf das damalige Anliegen, wonach „sich baldmöglichst weitere Personen impfen lassen und damit einen solidarischen Beitrag zur Überwindung der Pandemie leisten“ sollten.
Rackicky betont in Reaktion auf die Antwort der niedersächsischen Landesregierung, dass die Honorare für die Verabreichung von Corona-Impfungen „ungewöhnlich hoch“ gewesen seien. Den Impfärzten wirft er vor, „unbekannte Risiken dieser unerforschten Produkte“ in Kauf genommen zu haben. „Hoffentlich wird die nächste Arzt-Generation nicht mit Entsetzen auf ihre Vorgänger schauen, wie wir es heute beim Blick auf manche Fehlleistungen der Ärzteschaft in der Vergangenheit tun“, kommentiert er in einer Stellungnahme.
Rakicky ist selbst Mediziner und war Chefarzt der neurologischen Abteilung am Helios Klinikum St. Marienberg in Helmstedt (Niedersachsen). Im Januar 2022 hatte er in einer Rede auf einer Demonstration in Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt) gesagt, die Zahlen zu den Impfnebenwirkungen, die er als Arzt selbst beobachtet habe, würden nicht offen kommuniziert. Er habe sich gewundert, warum viele seiner Kollegen „so impfbegeistert“ gewesen seien und stellte einen Zusammenhang zur lukrativen Vergütung her. Ärzte in der Region kritisierten daraufhin seine Äußerungen, auch das Helios-Klinikum distanzierte sich.
Gemäß der „Coronavirus-Impfverodnung“ vom 10. März 2021 des Bundesgesundheitsministeriums betrug die Vergütung in Arztpraxen 20 Euro pro Impfung. Musste der Patient außerhalb der Praxis, beispielsweise in einer Einrichtung, besucht werden, wurde der Aufwand mit weiteren 35 Euro vergütet. Falls in der Einrichtung noch andere Personen geimpft wurden, wurde das mit jeweils weiteren 15 Euro vergütet. Für eine „ausschließliche Impfberatung zum Coronavirus SARS-CoV-2 ohne nachfolgende Schutzimpfung“ konnten hingegen lediglich 10 Euro abgerechnet werden.
Im November 2021 wurde die Vergütung unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf 28 Euro pro Impfung erhöht und stieg für Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage sowie für den 24. und 31. Dezember auf 36 Euro. Sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) verfügte im Folgemonat, dass vom 27. Dezember 2021 bis 7. Januar 2022 auch werktags jede Impfung mit 36 Euro zu vergüten sei. Für Impfungen gegen andere Krankheiten als Covid-19 erhielten beispielsweise Berliner Ärzte für AOK-Versicherte zu diesem Zeitpunkt zwischen knapp 8 und 20 Euro pro Impfung. Exemplarische Berechnungen anhand von Berliner Durchschnittswerten hatten laut dem Sender „n-tv“ ergeben, dass Ärzte damals monatlich zwischen knapp 2800 und 3600 Euro mit Corona-Impfungen verdient haben könnten.
Auch in Impfzentren wurde die Verabreichung der Corona-Impfstoffe speziell vergütet. Die Regelungen unterschieden sich in den einzelnen Bundesländern. Dem „n-tv“-Beitrag vom Dezember 2021 zufolge verdienten Ärzte in Berlin 120 Euro pro Stunde, in Nordrhein-Westfalen 150 Euro. In Niedersachsen waren es ebenfalls 150 Euro, wie aus der Antwort der Landesregierung auf Rakickys kleine Anfrage hervorgeht („37,50 Euro je angefangener 15 Minuten der ärztlichen Tätigkeit“). Nach Schließung der Impfzentren erfolgte ab Oktober 2021 die Impfung in Niedersachsen unter anderem durch „mobile Impfteams“. Hier betrug der Stundensatz der Ärzte 130 Euro („32,50 Euro je angefangener 15 Minuten“), wobei die Fahrtzeiten „als ärztliche Tätigkeit“ galten.
Ein Klinikarzt aus Deutschland, der anonym bleiben möchte, berichtete Multipolar von Kollegen in Elternzeit, die an „ein bis zwei Wochenenden in Impfzentren“ soviel verdient hätten, wie ansonsten in „fünf bis sechs Monaten Arbeit in Vollzeit“. Mehrere Kollegen hätten ihm das „stolz“ erzählt. Aus seiner Sicht habe es „finanzielle Fehlanreize“ gegeben, die „sicher so beabsichtigt“ gewesen seien. Das ARD-Magazin „Monitor“ bezeichnete die Vergütungen für Corona-Impfungen im Januar 2022 als „einträgliches Geschäft“ für Ärzte. Für die Meldung von Impfnebenwirkungen werden Ärzte hingegen nicht bezahlt. Laut „Ärztezeitung“ sieht die Bundesregierung „keinen Grund“, ein Honorar für die Meldung unerwünschter Wirkungen von Corona-Impfungen einzuführen.