Verdi

Lehrlinge klagen über Arbeitsdruck und Überstunden

(07.11.2016/dpa)

Fast die Hälfte der Auszubildenden und jungen Beschäftigten fühlt sich nach einer Umfrage als billige Arbeitskraft. Annähernd jeder Zweite klagt über Überstunden, körperliche Belastung oder zu viele Arbeitsaufgaben. Das sind Ergebnisse einer Befragung unter 16- bis 27-Jährigen im Auftrag der Gewerkschaft Verdi, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Andererseits sind mehr als achtzig Prozent der jungen Menschen im Allgemeinen zufrieden mit ihrer Berufsausbildung.

Neben dem Arbeitsdruck sind der Umfrage zufolge auch fehlende Perspektiven „Stimmungskiller bei den jungen Menschen“. Nur jeder Zweite erhält demnach eine Übernahmegarantie nach der Ausbildung. „Das ist hochgradig demotivierend und alarmierend zugleich, zumal die Zufriedenheit mit der Qualität der dualen Berufsausbildung grundsätzlich sehr hoch ist“, erklärte Verdi-Chef Frank Bsirske. Anlass der Umfrage ist der Start der bundesweiten Verdi-Aktionswoche „Gute Ausbildung – gute Arbeit“.

Der Anteil zufriedener junger Menschen liege in mitbestimmten und tarifgebundenen Betrieben noch höher. Bis zu 87 Prozent fühlten sich dort durch ihre Berufsausbildung auf die Arbeitswelt gut vorbereitet. Bei Mitgliedern einer Gewerkschaft liege die Zufriedenheitsrate bei 89 Prozent. Bsirske schlussfolgerte daraus: „Da, wo es Betriebs- und Personalräte gibt und wo Gewerkschaften eine gestaltende Rolle haben, werden bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen geschaffen als dort, wo Mitbestimmungsstrukturen und Gewerkschaften fehlen oder sogar behindert werden.“

An die Adresse der Arbeitgeber gerichtet mahnte der Verdi-Chef: „Die Tarifflucht der letzten Jahre sorgt für Unzufriedenheit unter den Beschäftigten, die auch der gute Ruf der Ausbildungsqualität nicht zukleistern kann.“ Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegten: Nur noch fünfzehn Prozent der Betriebe seien in Deutschland tarifgebunden. Bsirske erklärte, wer das Potenzial junger Fachkräfte langfristig halten wolle, müsse bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen schaffen, mit Mitbestimmungsstrukturen und einer Stärkung der Tarifbindung.

Vergangene Woche hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Analyse Zahlen der Bundesagentur für Arbeit kritisiert, wonach es in Deutschland mehr offene Lehrstellen als Bewerber geben würde. „Die Geschichte vom bundesweiten Azubi-Mangel entpuppt sich bei Licht betrachtet als Märchen“, so die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. „Rund 283.000 Jugendliche, die von der Bundesagentur für Arbeit als ausbildungsreif eingestuft wurden, haben keinen Ausbildungsplatz bekommen. Die Mehrheit von ihnen wird in Ersatzmaßnahmen geparkt – und wird in den kommenden Jahren kaum eine Chance auf einen Ausbildungsabschluss haben.“

Drucken

Drucken

Teilen