Nach Korrektur der Wirtschaftsdaten: Kritik an Statistischem Bundesamt
Medien und Ökonomen werfen Statistik-Behörde vorangegangene „Schönfärberei“ und „Manipulation“ bei deutschen Wachstumszahlen vor / Rezession statt Stagnation: Amt korrigiert Zahlen für 2022 bis 2024 nachträglich nach unten / Wissenschaftler: längste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Medien und Wirtschaftswissenschaftler üben Kritik am Agieren des Statistischen Bundesamts in der Zeit der Ampelkoalition. Das Amt hatte Ende Juli in einer Pressemitteilung das deutsche Wirtschaftswachstum für die Zeit ab Anfang 2021 nachträglich korrigiert. Demnach hat es zwischen Ende 2022 und Ende 2024 nicht wie damals vom Amt erklärt einen quartalsweisen Wechsel von jeweils einem leichten Wachstum und einem leichten Schrumpfen der Wirtschaft gegeben, sondern eine durchgehende Flaute über acht Quartale. Dies geht aus der Tabelle „Alt-Neu-Vergleich Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt“ am Ende der Pressemitteilung hervor. Während sich Deutschland anhand der alten Zahlen lediglich in einer wirtschaftlichen Stagnation befand, handelte es sich nach der Neuberechnung laut Definition um eine „technische Rezession“.
Mehrere Medien und Ökonomen haben daraufhin auf die Folgen und möglichen Hintergründe der Fehleinschätzung des Amtes, das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist, hingewiesen. So schreibt das „Handelsblatt“: Politik, Medien und Unternehmen hatten zwischen 2021 und 2024 ein „völlig verzerrtes Bild von der wirtschaftlichen Lage in Deutschland“. Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) äußerte gegenüber der Tageszeitung, so etwas habe er in seiner langen Zeit als Konjunkturforscher noch nicht erlebt. In Zukunft müsse man die Revisionen abwarten und die Zahlen stärker in den Kontext mit anderen Indikatoren stellen, bewertet der Professor für Volkswirtschaftslehre die Folgen der Fehleinschätzung.
Die „Berliner Zeitung“ titelt: „Zahlen für Habeck ‚geschönt‘?“. Die Zeitung weist jedoch darauf hin, dass es für solche Vorwürfe „keinerlei Belege“ gebe. Die optimistischen Prognosen des ehemaligen grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck hätten auf dem „damals verfügbaren Kenntnisstand“ basiert. Das „eigentliche Problem“ sei, dass die korrigierten Daten die Wahrscheinlichkeit eines dritten Rezessionsjahres in Folge „erheblich erhöhen“ würden. Damit unterscheide sich Deutschland spürbar von anderen großen Industrienationen. Die anhaltende Rezession lasse sich vor allem auf massive Einbrüche in der energieintensiven Industrie – etwa in der Chemie- und Stahlbranche –, der Automobilindustrie und der Bauwirtschaft zurückführen, erklärt die Zeitung.
Die „Nachdenkseiten“ vermuten hinter der Revision „kreative Buchführung und Schönfärberei“. Auch in einer weiteren Pressemitteilung zum Thema (22. August) verzichtete das Amt laut „Nachdenkseiten“ darauf, das Zustandekommen der „grandiosen Fehleinschätzung“ zu erklären. Es setze sich mit seinem Vorgehen dem Verdacht aus, „politisch gewünschte Ergebnisse“ produzieren zu wollen. Nicht zum ersten Mal seien die Statistikbeamten aus Wiesbaden in dieser Hinsicht auffällig geworden. Bereits in der Coronakrise wurden sie von dem Datenanalysten Marcel Barz verdächtigt, die Sterbefallzahlen in eine politisch gewünschte Richtung gedreht zu haben. Dieser Verdacht war vom Osnabrücker Versicherungsmathematiker Matthias Reitzner erhärtet worden.
Der Ökonom und ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Heiner Flassbeck macht in einem Beitrag darauf aufmerksam, dass bereits zu der Zeit, als das Statistische Bundesamt die veralteten Wirtschaftszahlen veröffentlicht hat, diese „durch nichts gerechtfertigt“ waren. In einem Interview mit dem „Overton-Magazin“ verdeutlicht er, dass „die entscheidenden Indikatoren“ – die Zunahme der Arbeitslosigkeit sowie der Rückgang der offenen Stellen – auf eine Rezession hingewiesen hätten. Das habe man „einfach auf Seite gedrückt“. Tatsächlich stehe die Bundesrepublik vor der „längsten Rezession ihrer Geschichte“.
Wären die wirklichen Zahlen zeitnah bekannt gewesen, wäre die Ampelkoalition nach Einschätzung Flassbecks entweder „viel früher zerbrochen“, oder man hätte eine „andere Wirtschaftspolitik“ gemacht – und unter Umständen auch die Außenpolitik geändert. In einem weiteren Beitrag sieht der Ökonom die Fehleinschätzung der Bundesbehörde entweder als das Ergebnis einer „Manipulation“ oder eines „grandiosen sachlichen Versagens“. Politisch könne man diesen „Fehltritt des Amtes“ nur dadurch beantworten, dass man die Statistiker zukünftig zwingt, die Annahmen für ihre Schätzungen vollständig offenzulegen.
Auf Nachfrage des „Overton-Magazins“, wie hoch das Statistischen Bundesamt den politischen und wirtschaftlichen Schaden seiner Fehlberechnungen einschätzt, antwortete die Behörde: „Im Zeitraum Ende 2022 bis Mitte 2024 wurden nach altem Datenstand vier Quartale mit negativem Vorzeichen veröffentlicht, nun sind es sechs. Nach unserer Ansicht gibt es insofern auch auf Quartalsbasis eine signifikant schlechtere Entwicklung, jedoch keine völlige Neubewertung der wirtschaftlichen Entwicklung.“