Nach Millionenspende: Rüstungsinvestor durfte britischen Premier als „Berater“ nach Kiew begleiten
Geleakte Daten: Britischer Rüstungsinvestor nahm an Treffen mit Selenskij teil nachdem er Millionenspende an Boris Johnson tätigte / Medien: möglicher Interessenkonflikt Johnsons im Ukraine-Krieg / Als Premierminister agitierte Johnson gegen Friedensschluss mit Russland
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Durchgestochene Dokumente zeigen, dass der ehemalige britische Premierminister Großbritanniens, Boris Johnson, bei einer Reise in die Ukraine im September 2023 von einem Großspender und Rüstungsinvestor begleitet wurde. Das berichtet die britischen Tageszeitung „The Guardian“. Konkret geht es um die Teilnahme am „Yalta European Strategic Forum“. Organisatoren des Treffens erklärten dem Artikel zufolge, der britische Geschäftsmann Christopher Harborne sei als „Berater, Büro von Boris Johnson” registriert gewesen. Die Enthüllungen werfen laut „Guardian“ die Frage auf, ob Johnson hinsichtlich seiner Ukraine-Politik die „Grenzen zwischen öffentlichem Dienst und Geldverdienen verwischt“ habe.
Christopher Harborne hatte Johnson im November 2022, nur eineinhalb Monate nach dem Ende von dessen Amtszeit als Premierminister, eine Million Pfund gespendet. Der „Guardian“ berichtete bereits Anfang 2023 darüber. Der Unternehmer sei größter Anteilseigner des britischen Waffenherstellers „QinetiQ“, dessen Roboter und Drohnen an die ukrainischen Streitkräfte geliefert werden, schreibt der „Guardian“. „QinetiQ“ hat nach Angaben der britischen Nachrichtenseite „openDemocracy“ mehrere langjährige Verträge mit dem britischen Verteidigungsministerium abgeschlossen.
Die Erkenntnisse des „Guardian“ basieren auf Dokumenten, die unter dem Titel „Boris Files“ bekannt wurden und Anfang Oktober von der Whistleblower-Organisation „Distributed Denial of Secrets“ mit Sitz in den USA veröffentlicht wurden. Ein darin enthaltener vertraulicher Brief, der von Johnson verfasst wurde, bestätigt, dass Harborne ihn auf der Reise in die Ukraine begleitet hat. Laut einem Reiseplan, welcher der britischen Tageszeitung vorliegt, haben von britischer Seite nur Johnson und Harborne an der Eröffnungssitzung des hochrangigen Treffens in Kiew teilgenommen, bei dem auch Wolodimir Selenskij anwesend war. Auch an weiteren Treffen mit Selenskyj sowie mit dem ukrainischen Außenminister und anderen Vertretern aus Politik, Geheimdiensten, Militär und Industrie könnte Harborne teilgenommen haben.
Aus den „Boris Files“ geht zudem hervor, dass Johnson – neben der Reise nach Kiew – in der Zeit zwischen Anfang Dezember 2022 und Mitte November 2023 mehrfach persönlich Kontakt mit Harborne hatte. Zwei Treffen haben demnach im Monat der Millionen-Zahlung stattgefunden, berichtet der „Guardian“. Im Januar 2023 sei es zu einem Telefonat der beiden mit dem Titel „Ukraine-Bericht“ gekommen. Zudem habe Harborne den Landsitz des britischen Premiers „Chequers“ während Johnsons Amtszeit mindestens zweimal aufgesucht. Boris Johnson äußerte gegenüber dem „Guardian“ in einer Stellungnahme bezüglich der „Boris Files“, dass die Berichterstattung „größtenteils aus illegalen russischen Hackerangriffen“ zu stammen scheine. Zudem habe er der Tageszeitung vorgeworfen, die „Arbeit für Putin“ zu machen. Laut „Distributed Denial of Secrets“ sei die Herkunft der enthüllten Daten jedoch nicht bekannt, erklärt das britische Medium.
Die Berliner Zeitung hat in einem Beitrag die vom „Guardian“ geäußerten Vorwürfe gegen Johnson mit seiner „tragenden Rolle im Ukrainekrieg“ in Zusammenhang gebracht. So soll er „maßgeblich“ dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im Frühjahr 2022 platzten. Der damalige britische Premierminister sei kurz nach den Verhandlungen in Istanbul nach Kiew geflogen, um die ukrainische Staatsführung weiter zum Kämpfen zu bewegen, obwohl die ukrainische Regierung bereits einem Waffenstillstand und dem Verzicht auf einen Nato-Beitritt zugestimmt hatte. Die aktuellen Vorwürfe würden „ein Licht auf mögliche Interessen von Johnson im Ukrainekrieg“ werfen, berichtet die Berliner Zeitung.
Dawyd Arachamija, ukrainischer Verhandlungsführer in Istanbul und Fraktionsvorsitzender der ukrainischen Regierungspartei, hatte in einem Interview erklärt, der damalige britische Premierminister Boris Johnson habe die Ukraine aufgefordert, die im März 2022 geschlossene Friedensvereinbarung zwischen Russland und der Ukraine nicht zu unterzeichnen und weiterzukämpfen. Auch der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett, Vermittler zwischen der russischen und ukrainischen Regierung zu Beginn des Krieges, äußerte später in einem Interview, Boris Johnson habe während der Friedensverhandlungen in Istanbul eine „aggressive Linie“ vertreten. Der Westen habe die Verhandlungen geblockt und entschieden, „Putin weiter zu attackieren“.