Paul-Ehrlich-Institut nutzt WHO-Algorithmus zur Bewertung von Impfnebenwirkungen
Bewertung entscheidend für Anerkennung möglicher Impfschäden / Journalistin: „manipulationsanfälliger Algorithmus“ hilft Impfschäden „klein zu rechnen“ / Schäden durch neuartige Präparate könnten systematisch übersehen werden
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Einer Recherche der Journalistin Aya Velázquez zufolge nutzt das für die Arzneimittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) einen Algorithmus der Weltgesundheitsorganisation (WHO), um Verdachtsfallmeldungen zu möglichen Impfnebenwirkungen zu bewerten. Anhand des WHO-Algorithmus sortiere das Institut die gemeldeten Verdachtsfälle in vier unterschiedliche Kategorien ein: „Konsistent“ bedeute, „dass ein Kausalzusammenhang zum Impfereignis wahrscheinlich ist“. Daneben definiert der Algorithmus drei weitere Kategorien: „inkonsistent“, „unbestimmt“ und „unklassifizierbar“. Fällt eine Verdachtsfallmeldung bei der Bewertung in eine dieser Kategorien, werde davon ausgegangen, dass es sich nicht um eine Impfnebenwirkung handele. Nach Analyse der Funktionsweise des WHO-Instruments kommt Velázquez zu dem Schluss, es handele sich um einen „manipulationsanfälligen Algorithmus“, mit dessen Hilfe mögliche Impfschäden „systematisch kleingerechnet“ würden.
Als Impfnebenwirkung könne eine Verdachtsmeldung dem Algorithmus zufolge nur klassifiziert werden, wenn die Beschwerden erstens „in einem plausiblen Zeitfenster nach der Impfung“ aufgetreten seien, zweitens „nicht kausal von einem anderen Ereignis als der Impfung abhängen“ würden, drittens „biologisch plausibel“ und viertens „besonders typisch oder häufig mit dem Impfstoff assoziiert“ seien. Velázquez zeigt, wie diese Kriterien im Detail mit problematischen Klassifizierungen einhergehen können.
So sagte etwa die ehemalige Leiterin der Abteilung Sicherheit von biomedizinischen Arzneimitteln und Diagnostika am PEI, Brigitte Keller-Stanislawski, vor dem Corona-Untersuchungsausschuss in Brandenburg über 88 in dem Bundesland nach Impfung gemeldete Todesfälle, man könne „nicht sagen“, dass diese Meldungen „tatsächlich ursächlich auf die Impfung zurückzuführen sind.“ Denn unter den Meldungen seien „auch zwei Covid-19-Fälle“ mit einem „zu dem Zeitpunkt noch nicht ausreichenden Impfschutz“.
Diese Begründung werfe laut Velázquez Fragen auf. Das PEI habe in der Vergangenheit „vollständigen Impfschutz“ zunächst zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis vorausgesetzt, später war nur noch von unkonkreten „Intervallzeiten“ die Rede, die für einen „vollständigen Impfschutz“ abzuwarten seien. Velázquez problematisiert, dass viele Impfnebenwirkungen just in diesen Zeitraum wenige Tage oder Wochen nach der Impfung fielen. Möglicherweise schließe das PEI somit genau diese Fälle „systematisch“ aus. Die Journalistin wollte von der Behörde daher wissen, „ob Verdachtsfälle ohne vollständigen Impfschutz nicht als ‚konsistent‘ bewertet werden“. Das PEI ließ die Frage zum Umgang mit dem Kriterium „Zeitplausibilität“ bis zur Veröffentlichung der Recherche unbeantwortet.
Auch der Ausschluss möglicher anderer kausaler Faktoren, die anstelle der Impfung die gemeldeten Beschwerden hätten verursachen können, erweise sich als heikel. Im Fragebogen der WHO würden diese „‚alternativen Faktoren’ sehr detailliert abgefragt“, was die „Gefahr einer Verzerrung“ berge. Der prüfende Mediziner könne so eher dazu tendieren, die Beschwerden nicht der Impfung zuzuordnen. Vorerkrankungen, Medikamentenkonsum und psychosoziale Ursachen machten einen Impfschaden unwahrscheinlicher. Hinzu kommt: Sieben von zehn Fragen in der Checkliste des WHO-Algorithmus beziehen sich der Recherche zufolge auf eine „mangelhafte Verabreichung des Impfstoffes“. Velázquez schreibt, der prüfende Mediziner würde „hierbei sogar dazu angehalten, aktiv selbst nach Gegenbeweisen zu einem möglichen Impfschaden in der Fachliteratur zu suchen“. Bei einer fehlerhaften Verabreichung werde ein möglicher Schaden durch den Impfstoff ausgeschlossen, die Verantwortung liege dann lediglich beim behandelnden Arzt.
Ebenfalls fehleranfällig sei die Bewertung der „biologischen Plausibilität“. Denn hierfür müsse es „einen in der Literatur bereits bekannten oder möglichen biologischen Wirkmechanismus geben“. Es bestehe damit die Gefahr, dass noch unbekannte Schäden, die – wie im Fall der Coronaimpfstoffe – von neuartigen Präparaten verursacht worden sein könnten, „systematisch übersehen werden“. Ähnliches gelte für die Anforderung, wonach die gemeldeten Beschwerden „besonders typisch oder häufig mit dem Impfstoff assoziiert“ sein müssten. Gerade die Coronaimpfstoffe hätten „mannigfaltige und sehr unterschiedliche Symptome“ verursacht. Es sei daher „denkbar, dass ein Arzt ein Krankheitsbild als nicht spezifisch für den Impfstoff abtut, wenn aus der Fachliteratur bekannt ist, dass es auch von anderen Faktoren ausgelöst werden kann“.
Velázquez weist außerdem darauf hin, dass selbst dann, wenn der Algorithmus einen gemeldeten Verdachtsfall als „konsistent“ bewerte, das nicht gleichbedeutend sei mit einem Impfschaden. Wenn ein Geschädigter etwa „Angst vor der Impfung“ gehabt habe und der Arzt diese Angst „stärker gewichtet als die kausalen Indizien“ handele es sich „gemäß den Kriterien der WHO um keinen Impfschaden“. Eine solche Gewichtung sei „problemlos möglich“, schreibt Velázquez. Die Entscheidung liege allein beim bewertenden Arzt. Insgesamt bewertete das PEI von 3.086 Verdachts-Todesfällen in Deutschland nur 74 als „konsistent“ – das entspricht 2,4 Prozent. Wie viele der 350.868 nicht-tödlichen Fälle gemäß dem WHO-Algorithmus vom PEI als „konsistent“ bewertet wurden, sei unklar. Eine entsprechende Nachfrage von Velázquez ließ das PEI unbeantwortet.
Die Bewertungen des PEI würden sich laut Velázquez unmittelbar auf die Anerkennung und Unterstützung jener Menschen auswirken, die mutmaßlich einen Impfschaden erlitten haben. Die Versorgungsämter lehnen die Mehrheit der Entschädigungsanträge ab und berufen sich dabei auf die Sicherheitsberichte des PEI. Das Institut sehe – „auf Grundlage einer Bewertung mit einem WHO-Algorithmus“ – „noch immer kaum Risikosignale“. Velázquez zitiert mehrere Erfahrungsberichte von mutmaßlich Impfgeschädigten, „die von den Versorgungsämtern trotz klarster Indikation abgelehnt wurden“. Velázquez betont, dass die Verwendung des WHO-Algorithmus nicht vorgeschrieben sei und das PEI auch eine andere Bewertungsmethode verwenden könnte. Der WHO-Algorithmus helfe jedoch die Zahl anerkannter Fälle niedrig zu halten. Das bedeute für das PEI „weniger Sicherheitssignale, weniger Arbeit, weniger Skandal und weniger Rechtfertigungsdruck, warum man nicht früher Alarm geschlagen hat“.
Geringe Anerkennungsquoten Impfgeschädigter würden außerdem dem deutschen Staat viel Geld sparen und die Pharmaunternehmen vor einem Verlust der Zulassung schützen. Ebenso würden „Stiftungen, die in Impfungen investiert sind und dafür lobbyiert haben, profitieren“. Von manchen dieser Stiftungen – wie der Gates-Stiftung oder der Impfallianz Gavi – ist die WHO in erheblichem Maße finanziell abhängig. Durch die Anwendung eines von ihr bereitgestellten Algorithmus zur Bewertung möglicher Impfschäden scheine die WHO laut Velázquez auch bei der „Abwicklung der Pandemie“ erneut eine „fragwürdige Rolle“ zu spielen.