Deutsche Pharmaindustrie

Pharmaunternehmen „BioNTech“ übernimmt Konkurrenten: Bund wird Miteigentümer

Bundesregierung findet Übernahme „positiv“ – Firma werde „deutscher Biotech-Champion“ mit „weitem mRNA-Patentportfolio“ / Staat bisher zweitgrößter Anteilseigner an „Curevac“ / Interessenkonflikte des Bundes beim Thema Impfungen wachsen weiter

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Das in Mainz ansässige Pharmaunternehmen „BioNTech“ und sein Tübinger Konkurrent „CureVac“ haben den Abschluss eines bindenden Kaufvertrags bekanntgegeben. Darin beabsichtigt „BioNTech“, alle Aktien an „CureVac“ zu einem Gesamtpreis von rund 1,25 Milliarden US-Dollar zu erwerben. Die Übernahme soll per Aktientausch erfolgen, wobei die „CureVac“-Aktie mit „circa“ 5,46 US-Dollar bewertet werden soll. Die „BioNTech“-Aktie wird aktuell an der Börse in New York mit knapp 105 US-Dollar gehandelt . Die Bundesregierung, die mit 13 Prozent der Aktien zweitgrößter Anteilseigner an „CureVac“ ist, wird demnach in Folge des Umtauschs Anteilseigner von „BioNTech“.

Auf Anfrage von Multipolar teilte eine Sprecherin der Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) mit, das Ministerium stehe der Transaktion „grundsätzlich positiv“ gegenüber und leite nun „die üblichen Prüfprozesse“ ein. Mit der Übernahme werde „ein neuer deutscher Biotech-Champion“ mit „weitem mRNA-Patentportfolio“ entstehen. Dieser sei „noch besser positioniert“, um „die führende Rolle der deutschen Pharmaindustrie“ weiter auszubauen.

Der zukünftige Anteil des Bundes an „BioNTech“ hänge laut BMWE vom genauen Umtauschkurs beziehungsweise der Entwicklung der „BioNTech“-Aktie in den nächsten Monaten ab. Die Frage, ob die Bundesregierung ihren zukünftigen Aktienanteil an dem Mainzer Unternehmen behalten oder diesen veräußern will, beantwortete die Sprecherin des Ministeriums nicht. Multipolar wollte zudem wissen, wie die Bundesregierung mögliche Interessenkonflikte bewertet, die mit dem Besitz an Pharmaunternehmen entstehen können. Schließlich unterstehen die Behörden, die für die Zulassung von Arzneimitteln und Impfstoffen verantwortlich sind, direkt der Regierung. Darauf antwortete die Sprecherin des BMWE, der Bund prüfe „kontinuierlich“, „ob das wichtige Bundesinteresse gegeben“ sei. Daneben berücksichtige er auch das „Vermögensinteresse“ des Bundes.

In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom Juli 2020 heißt es: Die Beteiligung des Bundes an „Curevac“ sei „von herausragendem strategischen Interesse“, und gehöre zum „wirtschafts- und gesundheitspolitischen Bundesinteresse“. Die Beteiligung sei „durch die industriepolitische Zielsetzung geleitet, systemrelevante Industrien, wie im Bereich der medizinischen Biotechnologie, am Standort Deutschland zu stärken“.

Die Molekularbiologin Sabine Stebel wies gegenüber Multipolar darauf hin, dass „BioNTech“ Anfang Juni mitteilte, eine „globale strategische Partnerschaft“ mit dem New Yorker Pharmazieunternehmen „Bristol-Myers Squibb“ zur „Entwicklung und Kommerzialisierung“ eines Krebsmedikamentes eingegangen zu sein. Die finanziellen Ressourcen für die Übernahme von „CureVac“ kommen möglicherweise aus dieser Partnerschaft, erklärte Stebel. Laut eigener Auskunft hatte „BioNTech“ im ersten Quartal 2025 ein Nettoverlust in Höhe von 400 Millionen Euro zu verzeichnen.

Zwischen „BioNTech“ und „CureVac“ sind noch einige Patentklagen (siehe „BioNTech“-Jahresbericht 2024 ab Seite 68) offen, die mit der Übernahme hinfällig werden. „CureVac“, ein deutsches Unternehmen mit rechtlichem Sitz in den Niederlanden, begann – ähnlich wie „BioNTech“ – bereits in den 2000er Jahren, an Impfpräparaten und Krebsmedikamenten auf Basis der mRNA-Technologie zu forschen. Zu Beginn der Corona-Krise entwickelte das Unternehmen, wie sein Mainzer Konkurrent, ein mRNA-Covid-19-Präparat. Beim Börsengang im August 2020 beteiligte sich der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 17 Prozent an „CureVac“ und förderte das Unternehmen in der Folge mit 252 Millionen Euro. Nachdem es den Wettlauf wegen mangelnder Wirksamkeit seines Präparats verloren hatte, verklagte das Tübinger Unternehmen seinen Mainzer Konkurrenten aufgrund der Verletzung einer Reihe von geistigen Eigentumsrechten, die bei der Herstellung des Corona-Präparats von „BioNTech“ und „Pfizer“ verwendet worden sein sollen.

Das Startup-Unternehmen „BioNTech“ konnte hingegen 2021 und 2022 Gewinne von jeweils rund zehn Milliarden Euro verzeichnen. Auch der Bund sowie die Länder und Kommunen, in denen das Unternehmen ansässig ist, konnten sich über außergewöhnlich hohe Steuereinnahmen freuen. Die „BioNTech“-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin erhielten kürzlich den Deutschen Nationalpreis. Mit dem Erfolg, der nur aufgrund verkürzter Zulassungsverfahren möglich war, konnte das Unternehmen laut Molekularbiologin Stebel einen eventuellen Verlust des Unternehmens spätestens 2023 vermeiden. Denn im November 2023 hätte „BioNTech“ Investoren Geld zurückzahlen müssen. Wäre das nicht gelungen, hätte Ugur Sahin die Firma möglicherweise verloren, „genauso wie er seine Firma Ganymed an Astellas verloren hat“, sagte Stebel, die ein Buch über Sahins und Türecis Impfstoffentwicklung geschrieben hat. „Ganymed“ war ein Startup, das Sahin habe verkaufen müssen, um Investoren auszubezahlen.

Mit einem möglichen zukünftigen Anteil an „BioNTech“ steigen die bereits bestehenden Interessenkonflikte des Bundes weiter an. So finden sich beispielsweise in der Ständigen Impfkommission (STIKO) eine ganze Reihe an Mitgliedern mit Nähe zur Pharmaindustrie. Aufgrund der EU-Beschaffungsverträge bezahlt der Bund zudem die Anwälte der Pharmaindustrie, um Klagen zu Covid-19-Impfstoffschäden abzuweisen.

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