Wahl in Moldawien

Regierung geht gegen EU-kritische Parteien und Medien vor

Wahlergebnis bestätigt absolute Mehrheit für Pro-EU-Regierungspartei / Pressefreiheit eingeschränkt, Razzien, Verhaftungen und Wahlausschlüsse / Vorsitzende der Wahlkommission: EU hat „das Recht, sich in Wahlen einzumischen“

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Nach monatelangem polizeilichen, juristischen und administrativen Maßnahmen gegen EU-skeptische Parteien und Medien hat die EU-freundliche Regierungspartei die Parlamentswahlen in Moldawien gewonnen. Laut vorläufigem amtlichen Ergebnis verteidigte die „Partei der Aktion und Solidarität“ (PAS) bei der Wahl am 28. September ihre absolute Mehrheit im Parlament. Mit 50,2 Prozent der abgegebenen Stimmen kann die PAS mit 55 von 101 Sitzen im Parlament rechnen. Die Wahlbeteiligung lag bei 52 Prozent. Die unterlegenen Oppositionsbündnisse wie der „Alternativblock“ (rund 24 Prozent) oder der „Patriotische Wahlblock“ (rund 8 Prozent) wollen ein gutes Verhältnis zu Russland aufrecht erhalten und lehnen die alleinige Ausrichtung auf die EU ab.

Die Polizei hatte in den Wochen vor der Wahl hunderte Razzien sowie dutzende Verhaftungen bei der Opposition durchgeführt. Noch in den letzten Tagen vor der Wahl hat die Zentrale Wahlkommission (CEC) Oppositionsparteien und Kandidaten die Zulassung entzogen. Durch eine Änderung des Wahlgesetzes war dies möglich. Betroffen war die Partei „Victorie“, die mit dem nach Russland geflohenen Oligarchen Ilan Sor in Verbindung stehen soll. Laut Geheimdienst und Sicherheitsdienst SIS soll die Partei zudem die bestehende Verfassungsordnung in Frage stellen, indem sie eine Vereinigung Moldawiens mit Russland anstrebe. Seit dem Referendum vom Oktober 2024 ist die EU-Integration als Verfassungsaufgabe festgeschrieben.

Auch Politiker und Parteien aus der autonomen Region Gagausien wurden sanktioniert. Die amtierende Gouverneurin von Gagausien, Efghenia Gutul, wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Noch zwei Tage vor der Wahl wurde die Partei „Herz Moldaus“, angeführt von der früheren Gouverneurin Gagausiens, von der Wahl ausgeschlossen. „Herz Moldaus“ war mit 26 Kandidaten auf der Liste des Bündnisses „Patriotischer Block“, vertreten, der damit geschwächt wurde. Kurz vor der Wahl wurde auch die Partei „Großmoldawien“ ausgeschlossen und schon abgegebene Stimmen für ungültig erklärt.

Der Zwischenbericht des „Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte“ der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) vom 12. September führt eine Reihe von Beispielen an, wie die Pressefreiheit durch Gesetzesänderungen seit 2022 für EU- und regierungskritische Medien stark eingeschränkt wurde. So dürfe der SIS immer noch das ausgelaufene Notstandsrecht anwenden und Webseiten und TV-Sender ohne vorherige juristische Prüfung blockieren mit der Begründung Desinformation, Hassrede oder Inhalte, die als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft wurden, zu bekämpfen. Mehr als 100 Webseiten, mehrheitlich russische Nachrichtenportale, seien blockiert.

Gerechtfertigt wurde das Vorgehen gegen Parteien und Medien vor allem mit Vorwürfen der illegalen Finanzierung, zu starker Russlandnähe sowie systematischer und massiver Versuche der Wahlbeeinflussung seitens Russlands durch Stimmenkauf, Desinformationskampagnen und die Vorbereitung gewaltsamer Aufstände zur Destabilisierung des Landes. Vor diesem Hintergrund wurde der Großteil der Voranmeldungen von Moldawiern in Russland, für die bei den letzten Wahlen zu wenige Stimmzettel zur Verfügung standen, von der Zentralen Wahlkommission (CEC) als Manipulationsversuch mit fiktiven Identitäten gewertet.

Wie im Jahr 2024 standen für die in Russland lebenden bis zu 500.000 Moldawier nur zwei Wahllokale in Moskau zur Verfügung. Bei der Parlamentswahl 2021 waren es noch 17 gewesen. Die Wahlbeobachter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates PACE kritisierten im Vorfeld die „starke Reduzierung der Zahl an Wahllokalen“ für Wähler in der abtrünnigen Region Transnistrien, „die vielen Bürgern ihr Wahlrecht vorenthalten könnte“. Wie in den vorangegangenen Wahlen im Herbst 2024 zum Präsidentenamt und zum EU-Referendum waren die Stimmen der Moldawier im westlichen Ausland entscheidend für den Wahlausgang. Nach Auszählung aller knapp 2000 Wahlkreise im Land erhielt die PAS 44,1 Prozent der Stimmen und verfehlte die absolute Mehrheit. In der Diaspora erhielt die Partei hingegen 78,1 Prozent der Stimmen.

Westliche Diplomaten und Politiker setzten sich im Vorfeld der Wahl für die Regierungspartei ein. In einem Offenen Brief warnten ehemalige US-Botschafter in Moldawien, Rumänien und bei der OSZE vor einem „Sieg der pro-russischen Kräfte“. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk traten auf Einladung von Sandu am Unabhängigkeitstag am 27. August als „Wahlhelfer“ öffentlich auf. Die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Moldawiens, Angeline Karaman, hält laut dem Online-Medium „Forum Geopolitica“ eine pro-EU-Einflussnahme für gerechtfertigt. Denn das „Hauptziel Chisinaus“ „besteht im Beitritt Moldaus in die EU. Folglich hat die EU auch das Recht, sich in die Wahlen einzumischen“.

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