Russland verzeichnet in der Ukraine größten Geländegewinn seit einem Jahr
Russische Armee rückt auf Großstadt Saporischschja vor / Pokrowsk vollständig eingenommen / US-Politikwissenschaftler: Russische Überlegenheit ist „Todesstoß“ für Ukraine
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Die russische Armee hat im November in der Ukraine mehr als 700 Quadratkilometer an Gelände erobert. Dies geht aus Berechnungen der Nachrichtenagentur „Agence France-Presse“ (AFP) auf Basis von Angaben des „Institutes for the Study of War“ in Washington hervor. Der monatliche Zugewinn sei der größte im Jahr 2025 gewesen sowie der größte seit November 2024, als die russische Armee 725 Quadratkilometer eingenommen habe. Damit besetze Russland aktuell knapp 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebietes, berichtet AFP.
Die größten Geländegewinne gab es südwestlich von Pokrowsk (Russisch: Krasnoarmeijsk) in Richtung der Großstadt Saporischschja (Saporoschje). Dort rückten die russischen Truppen nach Informationen des ukrainischen Projekts „DeepStateMAP“ seit Anfang November auf einer Breite von 30 Kilometern circa zehn Kilometer in Richtung Westen vor und stehen aktuell kurz davor, die Kleinstadt Huljajpole (Guljaipole) einzunehmen.
Einschätzungen des weißrussischen Militärbloggers „Military Summary“ zufolge ist das russische Vorrücken auf die Großstadt Saporischschja der Hauptgrund für die Eile der US-Regierung, einen Verhandlungsfrieden mit Russland herzustellen. Da der überwiegend größte Teil der Stadt auf der östlichen Seite des Flusses Dnipro (Dnjepr) liege, könne die russische Armee mit ihrem breiten Vorstoß die ukrainischen Nachschublinien in die Stadt von Osten her abschneiden und die ukrainische Armee ohne großen Widerstand zu einem Rückzug auf die westliche Seite des Flusses zwingen. Als Analogie nannte der Blogger den Rückzug der russischen Streitkräfte aus der Stadt Cherson Ende 2022.
Die russische Armee sei inzwischen auf weniger als 60 Kilometer an die Nachschublinien herangerückt, führt der weißrussische Militärblogger weiter aus. Sollte den russischen Einheiten die Einnahme von Huljajpole gelingen und die in Richtung Norden verlaufende ukrainische Verteidigungslinie durchbrechen, befänden sich zwischen der Front und der Großstadt Saporischschja keine signifikanten ukrainischen Verteidigungsanlagen mehr. Ein Verlust der Großstadt mit 710.000 Einwohnern wäre die größte Katastrophe für die ukrainische Armee seit Beginn des Krieges Anfang 2022, heißt es in dem Bericht.
Auch an anderen Stellen der Front rückten die russischen Truppen vor und konnten umfassende Gewinne erzielen. So meldete der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Dezember, dass die russische Armee die lange umkämpfte Stadt Pokrowsk vollständig eingenommen habe. In der durch die Eroberung der Stadt vollständig eingekesselten Nachbarstadt Myrnohrad (Dimitrow) sollen nach Informationen aus verschiedenen Quellen noch bis zu 2.000 ukrainische Soldaten ausharren. Nach Angaben des dänischen Militärbloggers „WeebUnion“ sei die russische Armee bereits im Begriff, von Pokrowsk aus weiter Richtung Nordwesten vorzustoßen, während die vollständige Einnahme der eingekreisten Stadt Myrnohrad noch erfolge.
Der deutsche Journalist Christoph Wanner berichtete bereits Mitte November, dass russische Truppen in die 90 Kilometer nordöstlich von Pokrowsk gelegene Kleinstadt Siwersk (Sewersk) „eingesickert“ seien. Von der Stadt selbst sei „nichts mehr übrig“. Sollte Siwersk fallen, wäre dies problematisch für die Ukraine, weil von dort aus die letzten beiden Großstädte im Donbass unter der Kontrolle Kiews, Slowjansk (Slawjansk) und Kramatorsk, nicht mehr weit seien.
Im nördlichen Abschnitt der Front bei Kupjansk haben russische Einheiten nach Angaben von „WeebUnion“ Geländegewinne innerhalb des „Kessels“ südöstlich der Stadt für sich verzeichnen können. Ziel der russischen Streitkräfte sei es, eine östliche Nachschublinie in die bereits eingenommene Stadt Kupjansk zu erobern, um die unter ukrainischen Angriffen stehende nördliche Nachschublinie in die Stadt zu entlasten. Auch die weiter nördlich liegende Kleinstadt Wowtschansk sei laut Generalstabschef Waleri Gerassimow von russischen Truppen vollständig eingenommen worden.
In einem Interview mit der britischen Zeitschrift „The Spectator“ legte der US-amerikanische Politikwissenschaftler John Mearsheimer seine Einschätzung dar, wie der Konflikt auf dem Schlachtfeld enden wird. Die militärischen Kräfteverhältnisse lägen eindeutig auf der Seite Russlands. Der ukrainische Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj habe selbst zugegeben, dass die russische Armee der ukrainischen über die gesamte Frontlinie im Verhältnis drei zu eins überlegen sei, an einigen Abschnitten sogar im Verhältnis sechs zu eins. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij habe zugestanden, dass die russische Armee in Pokrowsk eine Überlegenheit an Soldaten von acht zu eins aufweise. Angesichts der Probleme Kiews, die Verluste aufzustocken, und angesichts der Überlegenheit der russischen Waffen handele es sich nicht mehr um einen „fairen Kampf“, so Mearsheimer. In einem Abnutzungskrieg sei dies ein „Todesstoß“.