Corona-Aufarbeitung

Staatsanwaltschaft prüft Aussagen von Drosten vor sächsischem Corona-Untersuchungsausschuss

Virologe vor Ausschuss: Unterzeichner einer Leopoldina-Stellungnahme vom November 2021 haben keine „Impfpflicht für Gesamtbevölkerung“ empfohlen / Journalistin: „handfeste Lüge“ / Rechtswissenschaftler: falsche uneidliche Aussagen Drostens „plausibel“

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Die Staatsanwaltschaft in Dresden prüft Aussagen des Virologen Christian Drosten, die dieser als Sachverständiger vor dem Corona-Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtags getätigt hatte. Dies teilte die Staatsanwaltschaft Multipolar auf Nachfrage mit. Konkret geht es um die von Drosten mitunterzeichnete Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom 27. November 2021, die sich unter anderem mit einer allgemeinen Impfpflicht beschäftigte.

Drosten bestritt vor dem Untersuchungsausschuss am 21. August, die Unterzeichnenden der Stellungnahme hätten „eine Impfpflicht für die Gesamtbevölkerung empfohlen“. Inhalt und Anliegen sei vielmehr gewesen: „Wir empfehlen der Politik mal, die juristischen Grundvoraussetzungen für eine bevölkerungsweite Impfpflicht zu überprüfen.“ Die bei der Anhörung anwesende Journalistin Aya Velázquez bezeichnete dies als „handfeste Lüge von Drosten zur umstrittenen Leopoldina-Empfehlung“. Zudem sagte Drosten man habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Leopoldina-Stellungnahme noch nicht gewusst, „dass ganz kurze Zeit später die Omikronwelle kommen würde“ – und dass mit der Omikron-Variante des Virus „die Sterblichkeit, die Pathogenese ein Stück weit abgeschwächt“ sein würde.

Tatsächlich findet sich in der Leopoldina-Stellungnahme in einer Liste mit Empfehlungen auch „die Vorbereitung zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht unter Berücksichtigung der dafür erforderlichen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen“. Weiter hinten heißt es in der Stellungnahme: „Auch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ist unter den aktuellen, vor einem Jahr so nicht vorhersehbaren Umständen ethisch und rechtlich gerechtfertigt: als letzte Maßnahme, um eine Impflücke zu schließen, die sich augenscheinlich anders nicht beheben lässt.“ Nur so könnten die Bürger vor weiteren „desaströsen Folgen“ bewahrt werden. Zu Omikron schreiben die Autoren: „Das Auftreten neuer Virusvarianten – wie z.B. aktuell der Omikron-Variante –, die infektiöser sein könnten, macht ein schnelles und konsequentes Handeln noch dringlicher.“

Von Multipolar auf diese Widersprüche angesprochen, antwortet Christian Drosten, das Zitat zur „Einführung einer allgemeinen Impfpflicht“ als „letzte Maßnahme“ stamme aus dem „Abschlusskapitel, das eine wissenschaftlich-ethische Beurteilung abgibt und auch eindeutig so gekennzeichnet ist“. Dieses „Wissenschaftsfeld“ falle nicht in seine „Fachexpertise“. Er empfiehlt daher: „Konsultieren Sie doch gern die Autoren der Stellungnahme, die entsprechend fachlich ausgewiesen sind.“

Auch bei der Aussage zu Omikron bestehe „keinerlei Widerspruch“ zur Leopoldina-Stellungnahme vom November 2021. Drosten betont gegenüber Multipolar, zu diesem Zeitpunkt sei nicht „abzusehen“ gewesen „dass Omikron zu einer dominanten Variante in Deutschland werden würde“. Ebenso wenig sei „die abgeschwächte Charakteristik der Omikron-Variante zu dieser Zeit erkennbar“ gewesen. Es habe seinerzeit sogar Daten gegeben, „die in Ländern mit vorherrschende[r] Omikron-Verbreitung – insbesondere Südafrika – auch eine Veränderung des Schweregrads in eine ungünstige Richtung suggerierten“. Da jene Daten „rudimentär und widersprüchlich“ gewesen seien, habe man „verantwortungsvollerweise mit einer Vorsichtsüberlegung arbeiten“ müssen. Tatsächlich äußerte sich damals jedoch am Tag der Veröffentlichung der Leopoldina-Stellungnahme die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands South African Medical Association (SAMA), Angelique Coetzee, zur Omikron-Variante: „Angesichts der milden Symptome, die wir derzeit beobachten, besteht kein Grund zur Panik, da wir keine schwer erkrankten Patienten sehen.“

Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg, hält es für „plausibel“, dass Drosten vor dem sächsischen Corona-Untersuchungsausschuss „falsche uneidliche Aussagen gemacht hat“. Dazu müsse zunächst die objektive Seite geprüft werden, erläuterte der Rechtswissenschaftler im Gespräch mit Multipolar. „Professor Drosten hat in Dresden keine Meinung oder eine subjektive Einschätzung geäußert. Das waren Tatsachenbehauptungen.“ Strafbar wäre das aber nur, wenn Drosten mit Vorsatz gehandelt hätte. Auch das sei „gut begründbar“. Drosten habe genau gewusst, was er sagte. „Und er wollte genau das auch so sagen. Das ist kein Versprecher oder eine sonstige Fahrlässigkeit.“

Ob die Straftat einer „falschen uneidlichen Aussage“ nach Paragraph 153 Strafgesetzbuch (StGB) vorliege, müsse nun die zuständige Staatsanwaltschaft in Dresden prüfen. Im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Bei einer uneidlichen Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Paragraph 162 StGB) würde es sich laut dem Juristen um ein „Offizialdelikt“ handeln, bei dem die zuständige Staatsanwaltschaft ermitteln muss, sobald ihr Tatsachen bekannt werden, die einen Anfangsverdacht begründen. Auf Drostens Aussagen zur Leopoldina-Stellungnahme vor dem sächsischen Corona-Untersuchungsausschuss angesprochen, bestätigte die Dresdener Staatsanwaltschaft auf Multipolar-Anfrage: „Der Sachverhalt ist hier bekannt und wird auf mögliche strafrechtliche Relevanz geprüft.“ Die Prüfung werde allerdings „etwas Zeit in Anspruch nehmen“.

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