Ukraine-Krieg

Ukrainisches Parlament ratifiziert Rohstoffvertrag mit USA

Vorrangiger Zugriff der USA auf ukrainische Bodenschätze / US-Waffenlieferungen werden künftig mit Rohstoffeinnahmen beglichen / Kritiker: Ressourcenausbeutung nach „imperialem Muster“, keine Sicherheitsgarantien für die Ukraine

(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)

Das ukrainische Parlament hat den zwischen den USA und der Ukraine vereinbarten „Rohstoffdeal“ am heutigen Donnerstag (8. Mai) ratifiziert. 338 der derzeit insgesamt 400 Abgeordneten stimmten dafür. Parlamentspräsident Ruslan Stefanchuk sagte das Abkommen sei „ein Beweis für die sich vertiefende strategische Partnerschaft zwischen der Ukraine und den Vereinigten Staaten von Amerika“. Das Abkommen über die Einrichtung eines Investitionsfonds für den Wiederaufbau der Ukraine war Ende April von der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julija Swiridenko und dem US-Finanzminister Scott Bessent in Washington unterzeichnet worden.

Die Ukraine trägt zum Fonds bei, indem sie den USA vorrangigen Zugang zu ihren Rohstoffen ermöglicht sowie die Hälfte ihrer Einkünfte aus der Förderung von Bodenschätzen einzahlt. Die Gelder sollen zunächst in den Aufbau der Ukraine investiert werden und später an beide Vertragspartner ausgeschüttet werden. Sollten die Vereinigten Staaten weitere „Waffensysteme, Munition, Technologie oder Ausbildung“ bereitstellen, wird die Kapitaleinlage des US-Partners um den geschätzten Wert der Militärhilfe erhöht. Hierunter fallen auch die jüngsten Waffenlieferungen der USA an die Ukraine.

Der veröffentlichte allgemeine Teil des Vertragstextes sieht die Gründung einer „Limited Partnership“ – vergleichbar mit einer Kommanditgesellschaft – zwischen der US-Agentur „United States International Development Finance Corporation“ und der staatlichen ukrainischen Organisation „Agency on Support Public-Private Partnership“ vor. Das Dokument enthält lediglich generelle Aussagen zum Ziel des Abkommens sowie zu dessen grobem rechtlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Rahmen. So sind die Partner bestrebt, eine „souveräne und widerstandsfähige“ Ukraine zu schaffen. Die Vereinbarungen sollen bei Widersprüchen zwischen dem Abkommen und der ukrainischen Gesetzgebung Vorrang haben. Einkünfte der Partnerschaft sollen in keinem der beiden Partnerländer versteuert oder mit Zöllen belegt werden. Die Laufzeit ist unbegrenzt. Hinsichtlich konkreter Details sowie etwaigen Konflikten mit den Verpflichtungen der Ukraine im Rahmen des EU-Beitritts wird in dem Dokument auf eine gesonderte, nicht öffentlich zugängliche Vereinbarung der Limited Partnership verwiesen.

In einem Facebook-Post der ukrainischen Wirtschaftsministerin Swiridenko finden sich einige nähere Angaben zu dem Abkommen. So soll der Fonds zu gleichen Teilen von der Ukraine und den USA kontrolliert werden. Alle ukrainischen Ressourcen blieben weiterhin im Besitz des Landes. Nur der ukrainische Staat dürfe bestimmen, wo und was abgebaut werden soll. Auch bisherige staatliche Unternehmen blieben weiterhin im Besitz der Ukraine. Das Abkommen enthalte keinen Hinweis auf etwaige Schulden der Ukraine gegenüber den Vereinigten Staaten. Nur neue Lizenzen zur Förderung von „kritischen Materialien“ sowie Öl- und Gas sollen zu 50 Prozent in den Fonds einfließen. Einnahmen aus bereits begonnenen oder im Haushalt vorgesehenen Projekten würden nicht aufgenommen. Laut Swiridenko geht die ukrainische Regierung davon aus, dass die Einnahmen des Fonds erst nach zehn Jahren an die Partner ausgeschüttet werden. Bis dahin würden sie in den Wiederaufbau investiert.

Der ukrainische Ministerpräsident Denis Schmygal bestätigte die paritätische Verwaltung des Fonds durch die Ukraine und die USA. „Keine der beiden Parteien wird dabei einen Vorteil haben. Alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen“, erklärte er im ukrainischen Parlament. (2. Mai) Ziel des Fonds sei es „Investitionen anzuziehen“ und „nicht Vermögenswerte zu transferieren“. Das Abkommen decke dem Regierungschef zufolge das gesamte Hoheitsgebiet der Ukraine ab. Im nicht veröffentlichten Anhang des Vertragswerks sei eine „exklusive Liste der Bodenschätze“ enthalten. Das Volumen des Fonds werden mindestens „Dutzende, vielleicht Hunderte von Milliarden Dollar“ betragen, schäzte Schmygal.

Ein älterer Entwurf des Vertrags sah vor, dass die USA drei Vorstandmitglieder des Fonds benennen, die Ukraine jedoch nur zwei. Zudem sollten die Gewinne des Fonds nicht ausschließlich in ukrainische Rohstoff- und Infrastrukturprojekte investiert werden, sondern damit zunächst die bereits erfolgte US-Unterstützung zuzüglich Zinsen beglichen werden. Des Weiteren sollten die USA das Recht auf ein Veto gegen den Verkauf ukrainischer Ressourcen an Drittländer erhalten.

Die offizielle Verlautbarung des Weißen Hauses bestätigt, dass der Vorstand der Partnerschaft aus drei ukrainischen und drei US-amerikanischen Mitgliedern bestehen soll. Allerdings sollen die USA weiterhin das Recht haben, die abgebauten Bodenschätze für sich zu beanspruchen oder den Käufer zu bestimmen. „Wirtschaftliche Sicherheit“ sei „nationale Sicherheit“, und dieser Aspekt verhindere, dass „wichtige Ressourcen in die falschen Hände“ geraten, heißt es vonseiten der US-Regierung.

Die Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ wertet das Abkommen als „diplomatischen Erfolg“ Kiews, da die USA die „maßlosen Forderungen“ aus vorherigen Entwürfen zurückgenommen hätten. Allerdings sei die Ukraine nun „ohne Not“ in ein „weiteres Abhängigkeitsverhältnis“ zu den USA gedrängt worden, das auch nach einem möglichen Ende der Kampfhandlungen „für Jahrzehnte“ andauern kann. Zudem enthalte der unterzeichnete Text keine Sicherheitsgarantien für die Ukraine, erklärte das „Handelsblatt“.

Das Magazin „Geopolitical Monitor“ sieht in dem Vertrag einen Bruch des Budapester Memorandums. In letzterem hätten sich die USA, Russland und Großbritannien 1994 verpflichtet‚ „auf wirtschaftlichen Zwang zu verzichten“. Die Souveränität der Ukraine sollte gewahrt und nicht den Interessen der drei Länder untergeordnet werden. Die US-Regierung habe ihre sicherheitspolitische Unterstützung und den diplomatischen Zugang ausgenutzt, um die Ukraine unter Druck zu setzen, den USA „nach imperialem Muster“ exklusiven Zugang zu den Bodenschätzen des Landes zu gewähren.

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