Corona

Unzumutbare Belastung für Heimbewohner durch neue Maskenpflicht

FFP2-Masken müssen seit dem 1. Oktober an vielen Orten getragen werden.
Foto: Ivan Radic, Lizenz: CC BY, Mehr Infos

(Redaktion/5.10.22) Pflegeheimbetreiber, Interessenvertreter von Heimbewohnern und Spitzenverbände kritisieren die verschärfte Maskenpflicht in Alten- und Pflegeheimen. Sie ist am 1. Oktober in Kraft getreten und verpflichtet die Bewohner, in allen Gemeinschaftsräumen eine FFP2-Maske zu tragen. „Menschen mit Behinderungen oder hohem Pflegebedarf werden hier unzumutbaren Belastungen ausgesetzt“, sagte beispielsweise Marcel Kabel dem MDR. Der Vize-Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Sachsen-Anhalt ist nur einer von vielen Kritikern der Neuregelung, die bis zum April kommenden Jahres gelten soll.

Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz handelt es sich bei der FFP2-Maskenpflicht außerhalb des eigenen Zimmers um eine unangemessene Zwangsmaßnahme. Laut Aussage des Vorstands der Stiftung, Eugen Brysch, fehlen dagegen humane und effiziente Corona-Strategien. In Baden-Württemberg kritisieren der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Sozialverband VdK, Pflege- und Behinderteneinrichtungen in einer gemeinsamen Stellungnahme die verschärften Corona-Regelungen scharf und fordern die sofortige Aufhebung.Die Maskenpflicht ist ein massiver Verstoß gegen das Recht auf Selbstbestimmung und soziale Teilhabe der betroffenen Menschen“, heißt es. Die Testpflicht für Betreuungs- und Pflegepersonal sei zudem ein Misstrauensvotum gegen die gesamte Branche.

Menschen in besonderen Wohnformen, beispielsweise Senioren und Behinderte, müssten ab Oktober bis zu sechzehn Stunden pro Tag eine FFP2-Maske tragen. „Das ist diskriminierend, menschenunwürdig und ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungs- und Teilhaberecht der Betroffenen“, sagt Ursel Wolfgramm vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Baden-Württemberg. Auch Tobias Braun von der Karl-Schubert-Gemeinschaft e.V. (KSG) in Filderstadt hält die Regelungen für untragbar und nicht umsetzbar. Die KSG betreibt Werkstätten und Wohngruppen für Behinderte. Braun erläutert: „Die permanente FFP2-Maskenpflicht in Behindertenwerkstätten ist für die Beschäftigten unzumutbar und schon allein unter Arbeitsschutzaspekten wie Tragepausen gar nicht umsetzbar.“

Gegenüber dem SWR sagte die Pressesprecherin der Caritas in Baden-Württemberg, Eva-Maria Bolay, dass insbesondere für Demenzerkrankte die Maskenpflicht oft nicht nachvollziehbar und auch nicht durchsetzbar sei. „Was soll das Pflegepersonal denn tun, wenn eine demenzkranke Person die Maske immer wieder entfernt?“, fragt sie. Ähnliche Kritik üben Pflegeheimbetreiber aus Krefeld. „Insbesondere für Menschen mit kognitiven Einschränkungen hängt das Verstehen oder Nicht-Verstehen der Dinge, die um einen herum geschehen, in hohem Maße von den Möglichkeiten ab, Mimik, Gestik und Nähe zu erleben“, sagte Jörg Schmidt, Geschäftsführer der Städtischen Seniorenheime Krefeld der Westdeutschen Zeitung. „Diese Aspekte werden jedoch bei solch pauschalen Maßnahmen ebenso ignoriert, wie auch die sich daraus wahrscheinlich ergebenen negativen Konsequenzen für die betroffenen Menschen.“

Die Zeitung schreibt allerdings, dass das Landesgesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen den Bund um Klärung zum Thema Maskenpflicht gebeten habe. Es gehe darum, wo die Maskenpflicht nun genau gelten soll. So könnten solche Gemeinschaftsräume ausgeschlossen sein, in denen das tägliche Leben neben dem eigenen Zimmer stattfindet – in denen also gegessen, gespielt und miteinander kommuniziert wird. Wenn dort keine Maske getragen wird, würden die Behörden zumindest vorerst nicht dagegen vorgehen, schreibt die Zeitung.

Kritik gibt es weiterhin ebenfalls an der sogenannten „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“, die nach derzeitigem Stand noch bis Ende des Jahres gilt. Zunächst ist sie zum 1. Oktober verschärft worden. Als vollständig geimpft gilt nur noch, wer drei Impfungen nachweisen kann. Dies wollen allerdings nach einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland die Hälfte der Bundesländer nicht umsetzen. Die anderen acht, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, wollen die dritte Impfung der Beschäftigten im Gesundheitswesen überprüfen. In den Bundesländern und Landkreisen wird das Gesetz unterschiedlich umgesetzt, viele ungeimpfte Mitarbeiter durften weiterarbeiten.

Das Parlament der Thüringer Ärzteschaft will die Pflicht zum Nachweis einer Impfung ganz aufheben. Ziel ist es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Neben der besonderen Belastung der Beschäftigten begründet die Landesärztekammer ihre Forderung wie folgt: „Angesichts dessen, dass die Impfung nicht vor Übertragung des Virus in der jetzigen Variante schützt, ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr sinnvoll.“ Die Impfung selbst empfiehlt die Kammer weiterhin jedem Bürger, da sie vor schweren Krankheitsverläufen schütze.

Der Gesundheitsausschuss des Bundestages befasst sich am kommenden Mittwoch (12. Oktober) mit dem Thema. Die AfD möchte die Verhältnismäßigkeit der Regelung vor dem Hintergrund der aktuellen Situation neu abwägen. In der Bundesregierung werde eine mögliche Verlängerung noch geprüft, heißt es in einer aktuellen Antwort auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion.

(hb)

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