US-Präsident Trump beschränkt Gain-of-function-Forschung
Erlass verbietet US-Finanzierung von Forschung an gefährlichen Krankheitserregern / Auch Regulierung nicht-staatlich finanzierter Forschung wird erarbeitet / Kritiker der Gain-of-function-Forschung sehen Erlass als ersten Schritt zum vollständigen Verbot
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am 5. Mai 2025 einen Präsidentenerlass („executive order“) zur Gain-of-function-Forschung. Er verbietet die öffentliche Förderung der Forschung an gefährlichen Krankheitsserregern in ausländischen Laboren, die nicht „mit den Aufsichtsstandards der Vereinigten Staaten übereinstimmen“. Darüber hinaus unterbindet die Anordnung vorübergehend „die Forschung mit infektiösen Krankheitserregern und Giftstoffen in den Vereinigten Staaten“, „bis eine sicherere, durchsetzbarere und transparentere Politik für diese Forschung entwickelt und umgesetzt werden kann.“ Für gefährliche Gain-of-function-Forschung aus nicht-staatlicher Finanzierung sollen neue Regulierungen erarbeitet werden, die diese Forschung „steuern, begrenzen und überwachen“.
Vom Erlass erfasst wird „gefährliche Gain-of-function-Forschung“, die die Pathogenität oder Übertragbarkeit eines Infektionserregers oder Toxins erhöht und dadurch „schädliche Folgen“ nach sich zieht, wie beispielsweise die Immunabwehr oder Behandlungsmöglichkeiten zu unterlaufen. Zu den Zielen des Erlasses gehöre, die US-Bevölkerung vor solchen „Laborunfällen und anderen Zwischenfällen im Bereich der Biosicherheit“ zu schützen, die „wahrscheinlich Covid-19 verursacht haben“, heißt es in einem Schreiben des Weißen Hauses. Als Länder, die Anlass zur Sorge geben, werden namentlich China und der Iran genannt. Dem Erlass zufolge soll eine Abwägung stattfinden zwischen der „Verhinderung katastrophaler Folgen“ gefährlicher Gain-of-function-Forschung einerseits und der „Bereitschaft zur Abwehr biologischer Bedrohungen“ andererseits. Zudem möchte die US-Regierung die „weltweite Führungsrolle“ der USA in den Bereichen „Biotechnologie, biologische Gegenmaßnahmen, Biosicherheit und Gesundheitsforschung“ sichern.
Zur Umsetzung des Erlasses sollen der Direktor der Wissenschaftsbehörde „Office of Science and Technology Policy“ (OSTP) und andere relevante Behörden zusammenarbeiten und innerhalb von 90 bis 180 Tagen neue Sicherheitskonzepte, Berichtspflichten und Kontrollmechanismen für gefährliche Gain-of-function-Projekte erarbeiten. In der Vergangenheit hätten Forscher potentielle „gesellschaftliche Schäden“ nicht anerkannt und durch „subjektive Interpretation“ von Regularien die Aufsicht umgangen.
Der Pressetermin zur Unterzeichnung erfolgte im Beisein von Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. und dem Direktor der US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH), Jay Battacharya. Kennedy erinnerte in seinem Redebeitrag an den Beginn der Gain-of-function-Forschung in den USA durch US-Militär und Geheimdienste ab 1947. Unter US-Präsident Nixon sei die Dual-Use-Forschung, also Forschung, die sowohl an Biowaffen wie auch an Impfstoffen dagegen forschte, verboten worden. 1973 hätten über 180 Länder die Biowaffenkonvention unterzeichnet. Das habe die Gain-of-function-Forschung bis zum Beginn der 2000er Jahre unterbunden. Eine Regelungslücke im 2001 verabschiedeten „Patriot Act“ habe die Gain-of-function-Forschung wieder in Gang gesetzt und ein internationales Biowaffenwettrüsten ausgelöst. Gerechtfertigt werde mit der Entwicklung von Impfstoffen gegen zukünftige Pandemien. Kennedy schloss hingegen: „In der gesamten Geschichte der Gain-of-function-Forschung können wir auf keine einzige gute Sache verweisen, die herausgekommen wäre“.
Auch Jay Battacharya hob hervor, dass die Gain-of-function-Forschung die Menschen nicht vor einer zukünftigen Pandemie schützen würde. Die Krankheitserreger könnten aus Laboren entweichen und eine Pandemie erst auslösen. Battacharya lobte den Erlass als ersten regulatorischen Rahmen für diese gefährliche Forschung in den USA. Er stelle sicher, dass die Öffentlichkeit und nicht allein die Wissenschaftler über die Inkaufnahme möglicher Risiken entscheiden. Kennedy ergänzte: „Es gibt kein Labor, das gegen Lecks immun ist“. Der Erlass werde „verhindern, dass diese Art von unbeabsichtigten Lecks in Zukunft auftreten und die Menschheit gefährden.“
Der Epidemiologe Nicolas Hulscher begrüßt den Erlass als „einen entscheidenden ersten Schritt, um die gefährliche Gain-of-function-Forschung ein für alle Mal zu beenden.“ Er hebt hervor, dass „eine lange ignorierte Gefahr“ anerkannt werde: nicht vom Staat finanzierte Gain-of-function-Forschung in privaten Laboren und Universitäten. Zum ersten Mal weise die US-Regierung die Behörden an, risikoreiche biotechnologische Aktivitäten „außerhalb der staatlichen Finanzierungskanäle zu verfolgen und zu regulieren – ein Schritt, der wichtige Schlupflöcher schließen könnte, die bei früheren pandemiebezogenen Experimenten ausgenutzt wurden“. Ein vorübergehender Stopp sei jedoch keine dauerhafte Lösung. Hulscher dokumentiert Beispiele von Experimenten in den USA und sagt, dass „die rücksichtslosesten und risikoreichsten GoF-Experimente“ auf US-Boden stattgefunden haben.
Der Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger erklärt auf Multipolar-Anfrage, „die hoch riskante Gain-of-function-Forschung mit pandemiefähigen Erregern“ werde „leider auch in Deutschland, unter anderem mitten in Berlin“ betrieben. „Eine Trennung von Biowaffenforschung und -entwicklung für Abwehr- oder Angriffszwecke ist nicht möglich. Daher handelt es sich in allen Fällen um eine Verletzung der internationalen Biowaffen-Konvention aus den siebziger Jahren.“ Daher könne der jetzige Erlass in den USA „nur der Anfang sein.“ Unter Verweis auf die „Hamburger Erklärung“ vom Februar 2022, die von ihm initiiert wurde, erneuert Wiesendanger seine Kritik an der „menschenverachtenden Forschung, die sämtliche moralischen und ethischen Werte der Weltgemeinschaft verletzt“ und fordert „die biotechnologische Gefährdung der Menschheit“ zu beenden. Auch die US-Medizinexpertin Meryll Nass fordert ein „weltweites Verbot und eine weltweite Durchsetzung“. Dies könne über eine erweiterte Biowaffenkonvention geschehen.
Der Virologe Christian Drosten, Koordinator des Forschungsverbund „RAPID“ (Risk Assessment in Pre-pandemic Respiratory Infectious Diseases) äußerte sich nicht auf Multipolar-Anfrage. In seinem NDR-Podcast vom Juni 2021 erklärte Drosten: „Ich sage eben nicht, man müsste das komplett verbieten.“ Er habe dazu eine „viel differenziertere Ansicht“. Um die „großen Fragen unserer Zeit“ zu beantworten „muss man diese Experimente machen“. Die Forschung sei kontrollierbar: „Wir wissen ja, was wir tun. Wir haben Sicherheitslabore. Wir haben bestimmte biologische Sicherheitsmaßnahmen.“ Wenn man hingegen mit „Nicht-Fachleuten“ spreche, würden diese oft „einfach emotionale Meinungen wiedergeben“ oder sich „wichtigmachen wollen“. Das führe „in eine eigentlich abwegige Diskussion“.