USA verhängen einseitig Zölle gegen Europäische Union
Grundlage: rechtlich nicht bindende Verabredung mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen / EU verspricht Investitionen in USA und Importe aus US-Energiesektor / Kritiker bezweifeln Umsetzbarkeit und sehen „Unterwerfung“ gegenüber USA
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Am 7. August hat US-Präsident Donald Trump per Verordnung neue Zölle unter anderem für Importe aus der EU in Kraft gesetzt. Sie beruhen auf einer politischen Vereinbarung, die am 27. Juli zwischen ihm und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) getroffen wurde. Laut den Erläuterungen der EU-Kommission und einem Papier des Weißen Hauses wurde unter anderem vereinbart, auf EU-Importe in die USA grundsätzlich ein Zollsatz von 15 Prozent zu erheben. Dies betreffe beispielsweise Autos, Autoteile und Pharmaprodukte. Industrielle Güter aus den USA sollen dagegen zollfrei in die EU importiert werden dürfen.
Die Verabredung vom 27. Juli ist rechtlich nicht bindend und viele Aspekte sind noch offen. So gibt es bislang keine Übereinstimmung, für welche Güter gegenseitige Zollfreiheit gelten soll. Laut EU-Angaben gehören dazu eine Reihe strategischer Produkte, wie beispielsweise Flugzeuge, gewisse Chemikalien, Halbleiter, manche landwirtschaftliche Produkte, natürliche Ressourcen, kritische Rohstoffe. Für die US-Regierung könnten diese Produkte Belange der nationalen Sicherheit tangieren und mit 15 Prozent Zoll belegt werden. Auf die Exporte von Aluminium und Stahl soll der Zollsatz nach US-Angaben bei 50 Prozent verbleiben. Verhandlungen über ein Quotensystem, die die EU erwähnt, seien nach US-Aussagen nicht geplant.
Das Dokument des Weißen Hauses erklärt zudem: EU und USA beabsichtigten, „ungerechtfertigte Hindernisse für den digitalen Handel zu beseitigen“. Die EU „bestätigt“ demnach, „dass sie keine Netznutzungsgebühren einführen oder beibehalten wird“. In den Erläuterungen der Europäischen Kommission fehlt jedoch jeder Bezug darauf. Das Einhegen und Besteuern von US-Digitalkonzernen wie Meta, Alphabet oder X ist eigentlich Ziel des EU-Digitalrechts („Digital Market Act und Digital Services Act“). Auch die im US-Faktenblatt benannte Zustimmung der EU „erhebliche Mengen an US-Militärausrüstung“ zu kaufen, fehlt in den Informationen der EU-Kommission.
Ursula von der Leyen hatte im Rahmen der Vereinbarung zusätzliche EU-Investitionen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar versprochen. Weiterhin beabsichtigt die EU Käufe im Energiesektor (Gas, Öl und Nukleartechnologie) im Umfang von 750 Milliarden US-Dollar in den nächsten drei Jahren. Laut von der Leyen ermögliche das „Stabilität und Berechenbarkeit“ und vermeide einen Zollkrieg. Die Energieeinkäufe aus den USA trügen zur Diversifizierung der EU-Energieimporte bei und reduzierten die Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen. Dieser Teil der Vereinbarung kommt dem Ziel von der Leyens entgegen, ab 2027 alle russischen Gasimporte in die EU zu verbieten.
Indes werden Zweifel an der Tragfähigkeit und Berechenbarkeit der „per Handschlag“ besiegelten Vereinbarung geäußert. Von der Leyen räumte ein, dass sie die 600 Milliarden Investitionen nicht garantieren könne, da sie von privaten Investoren zu leisten seien. Der handelspolitische Sprecher der EU-Kommission, Olof Gill, verteidigt gegenüber Multipolar die Höhe der zugesagten Investitionen. Der Betrag gründe in realistischen Schätzungen der zu erwartenden EU-Investitionen in den nächsten Jahren. Falls die versprochenen EU-Investitionen nicht fließen sollten, droht Trump mit 35 Prozent Zöllen.
Nach Berechnungen der US-Organisation „Institute for Energy Economics and Financial Analysis“ (IEEFA) sei auch die Realisierbarkeit der Energiekäufe fraglich. Die EU müsste 70 Prozent ihrer fossilen Energien von den USA importieren. Gegenüber Multipolar macht Kommissionssprecher Gill auf diesen Einwand hin geltend, dass die „derzeitigen Einfuhren von verflüssigtem Erdgas, Erdöl, Kernbrennstoffen und Brennstoffdienstleistungen aus den USA in die EU“ sich bereits auf rund 90 bis 100 Milliarden US-Dollar beliefen. Hinzu kämen Ersatzlieferungen für russisches Öl und Gas – im Jahr 2024 habe die EU immer noch fossile Brennstoffe im Wert von etwa 22 Milliarden Euro und nukleare Lieferungen für etwa 700 Millionen Euro aus Russland importiert. Des weiteren erwähnt der Sprecher zusätzliche mögliche Aufträge an US-Atomenergiefirmen, die in die EU liefern würden, inklusive Miniatomreaktoren.
In dem nun auf Grundlage der Verabredung vom 27. Juli zu erarbeitenden Vertragswerk zwischen der EU und den USA soll es auch um sogenannte nicht-tariffäre „Handelshemmnisse“ gehen. Sie betreffen zum Beispiel Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzenschutz oder die gegenseitige Anerkennung von unterschiedlichen Standards. Neben dem Investor-Staat-Klagerecht waren diese nicht-tariffären Aspekte wesentlicher Teil der Auseinandersetzung um das nicht zustande gekommene Abkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Kommissionssprecher Gill schreibt, die EU werde „sicherstellen“, dass ihre Grundsätze, Vorschriften und Standards „in allen künftigen rechtsverbindlichen Vereinbarungen vollständig berücksichtigt und eingehalten” würden.
Das formulierte Ziel, die „Widerstandsfähigkeit von Lieferketten zu stärken“, „nicht-marktwirtschaftlichen Praktiken entgegenzuwirken“ und bei Investitionskontrollen sowie Exportbeschränkungen zu „kooperieren“, wird von Analysten als Schulterschluss von EU und USA gegen Chinas Wirtschaftsmacht gedeutet. Unklar sei, ob sich die EU der konfrontativen US-Linie gegen China anschließen werde. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic bestätigt, es gehe nicht nur um Handel, sondern den „größeren geopolitischen Kontext“. Der französische Premierminister Francois Bayrou sagte, es sei traurig, dass die EU – „ein Bündnis freier Länder, die ihre Werte und ihre Interessen verteidigen wollen“, sich zur „Unterwerfung“ gegenüber den USA entschlossen habe.