Zwei ARD-Journalisten werden Sprecher der neuen Bundesregierung
Neue Sprecherin des Innenministeriums: ARD-Journalistin Sarah Frühauf machte „Ungeimpfte“ für Lockdown verantwortlich / Georg Link vom Südwestrundfunk (SWR) wechselt zum Verkehrsministerium / Kritiker betonen fehlende journalistische Distanz zur Regierung
(Diese Meldung ist eine Übernahme von Multipolar)
Zwei Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden Sprecher der neuen Bundesregierung in Berlin. Sarah Frühauf, seit 2020 Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio, übernahm am 19. Mai die Leitung des Pressereferats im Bundesinnenministerium unter Alexander Dobrindt (CSU). Zuerst hatte das Portal „Table Media“ darüber berichtet. (12. Mai) Zudem wird der SWR-Journalist Georg Link im Presseamt des Verkehrsministeriums unter Patrick Schnieder (CDU) tätig sein.
Frühaufs Wechsel hat Kritik hervorgerufen, insbesondere vor dem Hintergrund eines „Tagesthemen“-Kommentars vom November 2021, in dem sie „Ungeimpften“ die Schuld an der Fortdauer der „Pandemie“ und am „nächsten“ Lockdown gab. Der Journalist Alexander Teske, der damals als Planungsredakteur bei der verantwortlichen „ARD aktuell“-Redaktion tätig war, bezeichnet den Kommentar in seinem Buch „Inside Tagesschau“ als repräsentativ für „vorgefertigte Meinungen“ innerhalb der ARD: „Es ist der Sound vieler Kollegen in diesen Tagen“, heißt es darin. Der Journalist und Journalisten-Ausbilder Peter Welchering, welcher unter anderem für den „Deutschlandfunk“ tätig ist, schrieb auf „X“: „Das passt. Sie hat schon immer regierungsnah berichtet.“
Das Bundesinnenministerium (BMI) ließ eine Anfrage von Multipolar zur Personalie Frühauf unbeantwortet. Sara Sievert, seit Mai stellvertretende Ressortleiterin des Briefing-Dienstes „Table Media“, lobte die Personalie und bezeichnete Frühauf als eine der „profiliertesten Unions-Kennerinnen“ der ARD. Sie bilanzierte: „Ein großer Gewinn für das BMI“.
Oppositionelle Medien hingegen kritisierten Frühaufs Nominierung. „Nius“ schreibt: Ihr Kommentar in den Tagesthemen sei „ein Höhepunkt der öffentlichen Verunglimpfung von Menschen während der Coronakrise“ gewesen. „Apollo News“ bezeichnet, Frühaufs damalige Äußerungen als „abfällig und hasserfüllt“. Bei den „Nachdenkseiten“ ist zu lesen: Es sei möglich, dass die Journalistin ihren neuen Posten „gerade wegen“ ihres Corona-Kommentars und der dadurch bewiesenen „Zuverlässigkeit“ bekommen hat. Die „Berliner Zeitung“ kritisierte, die Bundesregierung mache sich unglaubwürdig, wenn sie einerseits gegen „Hass und Hetze“ kämpfe, sich andererseits aber mit „polarisierenden“ Sprechern wie Frühauf umgebe.
Der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen wies in einem Interview mit dem Radiosender „Kontrafunk“ und in einem Kommentar Anfang Mai darauf hin, dass es die „Drehtür“ zwischen Politik und Journalismus „noch gar nicht so lange“ gebe. Ihm zufolge ist es „erstaunlich, wie offen solche Dinge mittlerweile passieren“. Dabei bezog er sich in erster Linie auf das damals jüngste Beispiel von Stefan Kornelius, der Ende April von der „Süddeutschen Zeitung“ in das Amt des Regierungssprechers wechselte.
Der Schritt sei für beide Seiten vorteilhaft, erläuterte Meyen. Einerseits hafte dem Regierungssprecher so das Image des vermeintlich neutralen und glaubwürdigen Berichterstatters an, wovon die Politik profitiere. Zudem verfügten ehemalige Journalisten über gute Kontaktnetzwerke in die etablierte Presselandschaft. Andererseits sende die „Drehtür“ auch ein „Signal“ an andere Journalisten: Wer sich regierungskonform verhalte, dem winkten gut bezahlte Positionen mit Beamtenstatus, Pensionsansprüchen und geregelter Arbeitszeit. „Alles Dinge, die im normalen Journalismus immer seltener werden.“
Dass der Wechsel von Journalisten – und darunter vorrangig Korrespondenten – in die Politik keine Ausnahme ist, bestätigte zuletzt Georg Link, der vor seiner Anstellung als SWR-Landeskorrespondent für Rheinland-Pfalz ebenfalls als Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio gearbeitet hat. Die Tageszeitung „Der Westen“ betont, dass sowohl der neue Verkehrsminister Schnieder als auch sein neuer Sprecher aus demselben Bundesland kommen. „Man kannte sich also offenbar bestens.“
Ähnliche Wechsel öffentlich-rechtlicher Hauptstadtkorrespondenten aus jüngster Vergangenheit betreffen Michael Stempfle und Anna Engelke. Stempfle war ARD-Korrespondent beim SWR sowie – ebenfalls – im ARD-Hauptstadtstudio und ist seit 2023 Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung. Seinen kommenden Chef Boris Pistorius (SPD) bezeichnete Stempfle in der „Tagesschau“ nur wenige Tage vor seinem Wechsel ins Ministerium als „Vollblutpolitiker, der anpackt“. Auch Engelke war Korrespondentin im ARD-Hauptstadtbüro und von 2017 bis 2022 Sprecherin des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD). Anschließend wechselte sie wieder zur ARD zurück und wurde Leiterin der Gemeinschaftsredaktion Radio im Hauptstadtstudio Berlin.