Medien

Armer Journalismus

Medien und Armut: Das ist so ähn- lich wie beim Teufel mit dem Weih- wasser. Eine Kolumne

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Michael Meyen
Quelle: Tilo Gräser, Mehr Infos

Am besten was zu Medien und Armut, heißt es aus der Redaktion, als ich nach den Plänen für diese Kolumne
frage. Okay. Der Redaktionsschluss naht, und ich bin froh, dass sofort eine Idee aufploppt. Medien und Armut: Das ist so ähnlich wie beim Teufel mit dem Weihwasser. Batya Ungar-Sargon, eine US-Journalistin, hat das in ihrem Buch Bad News wunderbar erklärt. In Kurzform: Die Zahlungsbereitschaft der Werbekunden steht und fällt mit dem Status des Publikums. Also schreibt man über das, was die Bessergestellten interessiert, idealerweise in einer Sprache, die auch den letzten Emporkömmling abschreckt. Weltdeutung statt W-Fragen und Akademiker-Kauderwelsch für Möchtegern-Intellektuelle. Dazu ein wenig Service-Journalismus, der uns an das erinnert, was wir tun sollen, wenn es nach denen geht, die das Sagen haben. Unterhaltung, Mode, Shopping und immer wieder Rankings. Wohin mit all den Dollars? Welches Restaurant muss ich gesehen, welches Auto gefahren, welche Reise gemacht haben? Dafür hat man im Gegenzug, das ist Batya Ungar-Sargon am wichtigsten, aufgehört, über das Leben und die Probleme der Arbeiterklasse zu sprechen, und so erst ein halbes Volk als Abonnenten oder Käufer ausgeschlossen und dann auch die Politik dazu gebracht, die Belange dieser Menschen aus dem Blick zu verlieren. Was nicht in die Leitmedien kommt, interessiert die Entscheider nicht.

Wir reden über die USA, wie gesagt, über das Mutterland des kommerziellen Journalismus und über ein Mediensystem, das keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk kennt. Trotzdem. Es genügt, hier die Reizwörter der deutschen Politik zu nennen. Einwanderung, Corona, Gendern, Klima, Russland, Krieg. In aller Regel heißt es auch: Großstadt gegen Provinz, Hochqualifizierte gegen Geringqualifizierte, West gegen Ost. Kurz: Die Leitmedien sprechen auch in diesem Land für die, die jetzt schon sehr viel oder wenigstens ausreichend haben und weiter profitieren, wenn aus den Diskursen Gesetze werden.

Bei Batya Ungar-Sargon gibt es noch zwei Schleifen mehr. Nummer eins: Die Medienkonzerne können sich längst aus- suchen, wen sie einstellen. Gewinner sind die Besten der Besten. Es genügt nicht einmal mehr, aus einer wohlhabenden Familie zu stammen. Gefragt sind Netzwerke und eine Vision. Auf Deutsch: Aktivismus für den Status quo. Und Schleife Nummer zwei, eng damit verknüpft: Akademiker, die nach oben wollen oder dort schon sind, können auch deshalb alles ausblenden, was die Schönen und Reichen nicht interessiert, weil das Traffic-Mantra genau das von ihnen verlangt. Wer möglichst viele möglichst oft auf seine Seite und am besten zum Bezahlen bringen will, der kann und darf nicht über die Kellnerin schreiben, über den Busfahrer, über den Koch – über und für Menschen, die weder Zeit noch Energie haben, um den ganzen Tag online zu sein.

Ich hatte mir das gerade ausgemalt, als die neue Ausgabe der Fachzeitschrift Publizistik in mein Mail-Postfach flattert. Ganz oben: „Wie ertrage ich Armut mit Würde?“ – eine Studie zu Journalisten, denen es nicht ganz so gut geht.

Den vollständigen Text lesen Sie in der  aktuellen Ausgabe 11/12 2025 unseres Magazins, das im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften erhältlich ist. Sie können das Heft auch auf dieser Website (Abo oder Einzelheft) bestellen.

MICHAEL MEYEN ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der LMU München. Aktuelle Veröffentlichungen: Cancel Culture, Der dressierte Nachwuchs (2024) und Staatsfunk (2025)

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