Medien

Claus Kleber und Mahmud Ahmadinedschad – ZDF-Moderator in blasser Rolle

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 21. März 2012 –

Der ZDF-Moderator und Anchorman des Heute-Journal, Claus Kleber, führte kürzlich ein Interview mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Die 20-minütige Version des Gespräches wurde Montagnacht um 0.20 Uhr auf dem Digitalkanal ZDFinfo ausgestrahlt, in voller Länge (über 40 Minuten) veröffentlichte das ZDF das Interview nur online auf heute.de.

Über zwei Jahre hatte sich das ZDF um das Interview bemüht. Zeit genug, Fragen zu entwickeln, die dazu beitragen könnten, Sachverhalte zu vertiefen und Erkenntnisse zu gewinnen. Doch genau das geschah nicht. Kaum eine der von Claus Kleber gestellten Fragen klang nicht gleichzeitig wie ein Vorwurf. Dem Zuschauer drängte sich der Eindruck auf, Kleber führe das Interview weniger in seiner Rolle als Journalist, sondern eher als Ankläger und verlängerter Arm der sogenannten internationalen Staatengemeinschaft – einer Chiffre für das Zweckbündnis aus USA, EU, Israel und den arabischen Diktaturen am Golf.

Klebers Fragen ließen nicht das geringste Bemühen erkennen, seine Voreingenommenheit zu kaschieren. Es ging in der Hauptsache um das iranische Atomprogramm. Erwartungsgemäß erhob der ZDF-Journalist die bekannten Vorwürfe: Der Iran kooperiere nicht ausreichend mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), er verweigere ihr den Zutritt zu seinen Anlagen.

Der „König des Bösen“, so bezeichnete die Frankfurter Rundschau Ahmadinedschad nach dem Interview, konterte in gewohnter Manier, als er auf den Doppelstandard aufmerksam machte, der im Westen vorherrscht. So müsse sich Israel („die Zionisten“) keine Kritik dafür anhören, wenn es sein Atomprogramm nicht den internationalen Regeln unterwerfe, obwohl es selbst über Atombomben verfüge. Zudem drohe das Land dem Iran mit Krieg und nicht umgekehrt.

Kleber wies darauf hin, dass Israel im Gegensatz zum Iran den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet habe und daher auch nicht zur selben Transparenz verpflichtet sei. „Das heißt, jeder der nicht Mitglied vom Nichtverbreitungsvertrag ist, ist frei zu tun, was er will“, fragt Ahmadinedschad zurück. „So ist das wohl“, lautet Klebers lapidare Antwort.  

Wiederholt erklärte Ahmadinedschad, der Iran baue an keiner Atombombe und verfolge auch nicht die Absicht, eine zu bauen. Atombomben seien unmenschlich, unmoralisch und gehörten der Vergangenheit an. In der Atomfrage würde das Land mit offenen Karten spielen.

„Wenn Ahmadinedschad eine Bombe bauen möchte oder will, wird er das bekanntgeben“, erklärt der Präsident seine Haltung – in der dritten Person. „Und er wird auch keine Angst vor jemandem haben. Und wenn wir sagen, wir bauen keine Bombe, bauen wir keine Bombe.“ Ob er sich an dieser Stelle schon zum Pluralis Majestatis emporgeredet hatte oder sein Land meinte, blieb unklar.

Doch dann wies Ahmadinedschad zurecht auf die Unmöglichkeit hin, den von der IAEA geforderten Beweis antreten zu können, man baue nicht an einer Bombe. „Wie kann man beweisen, dass man nicht krank ist. Krankheit kann man beweisen“, so Ahmadinedschad.

„Indem man alles offenlegt und alle Türen öffnet“, erwiderte Kleber.

„Würde Deutschland erlauben, dass das Büro von Frau Bundeskanzlerin von Inspektoren (durchsucht wird)“, kontert Ahmadinedschad.

„Deutschland hat noch nie einen Zugang verwehrt, den Inspektoren haben wollten“, klärt der deutsche Journalist den iranischen Präsidenten auf.

„Das heißt Deutschland erlaubt der IAEA, außerhalb der Gesetze zu handeln? Bei der IAEA gibt es auch Regelungen und Vorschriften. Und es gibt einen Vertrag mit uns. Und unsere Selbständigkeit kann die IAEA dadurch nicht verletzen.“  

Unerfüllbare Forderungen

Genau das ist der springende Punkt: Claus Kleber und die „internationale Staatengemeinschaft“ verlangen eben nicht vom Iran, sich an den Atomwaffensperrvertrag zu halten. Sie verlangen, dass der Iran Zugang zu allen militärischen und behördlichen Einrichtungen gewährt, auch wenn die IAEA vertraglich dazu gar nicht befugt ist. Deutschland hat Inspektoren nie den Zugang verwehrt, weil diese sich nie angemaßt haben, über die vertraglichen Regelungen hinausgehende Befugnisse für sich in Anspruch zu nehmen.

Iran muss nicht – und kann es auch gar nicht – seine „Gesundheit“ unter Beweis stellen. Es ist Aufgabe der IAEA, die „Krankheit“ festzustellen. Hierzu hat sie Zugang zu sämtlichen Atomanlagen des Landes, welche zudem von der Atomenergiebehörde kameraüberwacht werden. Es gibt wohl kein Land auf der Welt, dessen Atomprogramm schärfer kontrolliert wird, als das des Iran. Die Zusammenarbeit mit dem IAEA geht sogar über die Verpflichtungen hinaus, die dem persischen Land vertraglich auferlegt worden sind. So zeigte sich Teheran beispielsweise vor zwei Wochen bereit, Inspektoren der IAEA und der UNO Zutritt zur geheimen Militäranlage in Parchin zu gewähren. Das war keine Pflicht, sondern ein Entgegenkommen Teherans, das im Westen aber nicht honoriert wurde. Die Kriegsdrohungen gegen den Iran haben trotzdem nicht nachgelassen.

„Alle Türen öffnen“, diese Forderung ist praktisch nichts weniger, als die Aufgabe der Souveränität des Landes zu verlangen, also dessen Kapitulation. Den Zugang zu sämtlichen militärischen Einrichtungen zu gewähren, würde die Verteidigungsfähigkeit des Landes stark untergraben. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Daten der IAEA schnell bei ausländischen Geheimdiensten wiederfinden würden.

Der Iran hätte nichts zu gewinnen, wenn er der Forderung nachkäme, den Zutritt zu sämtlichen Anlagen unabhängig davon zu gewähren, ob sie Teil des Atomprogramms sind oder nicht. Würde bei der Inspektion dieser Anlagen nichts Verdächtiges gefunden, so könnte behauptet werden, das Atomwaffenprogramm sei noch geheimer, als bislang angenommen. Als UN-Inspektoren im Irak unter Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen fanden, galt das den späteren Angreifern nicht als Beweis für deren Nichtexistenz. Im Falle Irans könnte ein vergleichbares Szenario mit dem Vorwurf atomarer Aufrüstung konstruiert werden.

Wenig souverän

Ahmadinedschads Stärke, auf den Doppelstandard des Westens im Fall des Atomprogramms oder  bei Menschenrechtsfragen hinzuweisen, ist zugleich seine Schwäche. Er ist geübt darin, die Staffel weiterzureichen: Was ist mit den Menschenrechten im besetzen Palästina oder in den mit dem Westen verbündeten Golfdiktaturen, fragt er zurück, wenn die Menschenrechtslage im Iran zur Sprache kommt. Verprügelte Demonstranten? Die gibt es auch in Großbritannien. Meinungsfreiheit? Und was ist mit den „Wissenschaftlern“, die in Europa im Gefängnis sitzen, weil sie den Holocaust in Frage stellen?

Plötzlich dienen dem iranischen Präsidenten jene Länder als Maßstab, die er vornehmlich kritisiert. Er verfällt in ausweichende Retourkutschen, die ihn wenig souverän erscheinen lassen.

„Wir drehen uns im Kreis“, stellte Kleber fest. Leider unternahm er auch keine besonderen Anstrengungen, den Kreis zu durchbrechen und Ahmadinedschad aus der Reserve zu locken.

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Zum Beispiel hätte er den Präsidenten mit der Frage konfrontieren können, ob die seit Jahren bestehenden Kriegsdrohungen Israels Ahmadinedschads Regierung – zumindest innenpolitisch – ihm nicht auch einen Vorteil verschaffen. Erfahrungsgemäß bringt eine äußere Bedrohung die Menschen eher dazu, sich hinter ihre Regierung zu stellen. Oder ob die Einflussnahme auf innenpolitische Verhältnisse durch westliche Staaten dem Regime nicht auch einen willkommenen Vorwand liefert, genuine Proteste als vom Westen gesteuert zu delegitimieren und entsprechend mit Repressionen zu überziehen. Und ob seine Rede von Israel als „künstlichem Staat“ und seine Anzweiflung des Holocaust nicht Wasser auf die Mühlen der rechten Hardliner in der Netanjahu-Regierung seien und deren Rückhalt in der israelischen Bevölkerung bei einem möglichen Angriff auf den Iran stärken würden.

Doch Fragen, die aus dem Gut-Böse-Schema ausbrechen, konnte oder wollte Kleber nicht stellen. Vielleicht durfte er auch nicht. Was in dem Fall aber nicht einer Zensur durch iranische Stellen geschuldet wäre. „Inhaltliche Absprachen, was zum Beispiel zur Sprache kommt und nicht kommen darf, gab es keine“, sagte Kleber nach dem Interview.

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