Medien

"Die Menschen wollen Frieden und die Presse hetzt für den Krieg"

Patrik Baab, ein langjähriger Journalist und Autor des Buches "Auf beiden Seiten der Front", steht in der Ukraine auf einer Todesliste. Im Interview spricht Baab über die Sanktionierung deutscher Journalisten sowie über die Rolle der Medien im "postfaktischen" Zeitalter. Er erläutert seine persönliche Motivation und die ethischen Herausforderungen seiner Arbeit in Kriegsgebieten. Mit ihm sprach ÉVA PÉLI.

1760350607

Foto: Rumen Milkow
Mehr Infos

HINTERGRUND Herr Baab, wie schätzen Sie die Sanktionierung gegen die beiden deutschen Journalisten Alina Lipp und Thomas Röper ein?

PATRIK BAAB Ihnen wird vorgeworfen, „russische Propaganda“ verbreitet und durch ihre Berichterstattung zu „destabilisierenden Aktivitäten“ beigetragen zu haben. Dies ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Denn die Maßnahmen umfassen ein EU-weites Einreiseverbot und das Einfrieren von Vermögenswerten. Damit sind Thomas Röper und Alina Lipp faktisch ausgebürgert. Das alles ohne Gerichtsverfahren, ohne Anklage, ohne die Möglichkeit der Verteidigung. Dies erinnert an die trübste Epoche der deutschen und europäischen Geschichte.

HINTERGRUND Sie gehen hier mit den Verantwortlichen hart ins Gericht. Können Sie Ihre Kritik an der Sanktionierung noch etwas ausführen?

BAAB Das darf man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Zwei Kriegsreporter, Alina Lipp und Thomas Röper, gehen in die Todeszone und setzen ihr Leben dafür ein, damit wir authentische, ungefilterte Informationen über das Kriegsgeschehen bekommen. Die Recherche-Ergebnisse passen natürlich nicht zu den Propaganda-Märchen beider Seiten. Dann entscheiden irgendwelche Schreibtischtäter in Brüssel oder in den EU-Regierungen, die sich beim ersten scharfen Schuss einfeuchten würden, dass dies nicht zu der hohlen Zweckpropaganda passt, mit der sie die Menschen in Deutschland und der EU in neue Kriege hineintreiben wollen. In der Behaglichkeitszone ihrer Schreibtische wollen sie das wegzensieren und die Kriegsreporter ihrer Bürgerrechte berauben.

Dies ist eine Schweinerei ohnegleichen und stellt ein Dolchstoß in den Rücken der Betroffenen dar. Während Alina Lipp und Thomas Röper für die Wahrheit über den Krieg kämpfen, sollen sie von Sesselfurzern in der Etappe fertiggemacht werden.

HINTERGRUND Welche Rückschlüsse ziehen Sie aus diesem Vorgehen für die Meinungsfreiheit und die Medienlandschaft in Deutschland und der EU?

BAAB Es zeigt den Übergang Deutschlands und der EU zu einer neuen Form der Willkürherrschaft. Das Schärfste aber ist, dass die verkommene Meute der Propagandapresse den Mund hält oder auch noch Beifall klatscht. Wissen Sie, was Verkommenheit ist? Kurt Tucholsky hat 1921 darüber geschrieben: „Denn dies eben ist Verkommenheit: Nicht mehr zu fühlen, wie tief man gesunken ist.“ Dies zeigt, dass wir längst in einer post- faktischen Medienlandschaft angekommen sind. Es geht den selbsternannten Qualitätsmedien nicht mehr um Information, sondern um Denunziation. In diesem Propagandakrieg wird die Lüge zum Geschäftsmodell der Presse.

HINTERGRUND Sie kritisieren auch die EU-Sanktionspolitik generell. Warum?

BAAB Damit treibt auch die Brüsseler „Eurokratie“ ihren antidemokratischen Kurs auf die Spitze. Alle diese 17 Sanktionspakete gegen Russland sind weder vom Sicherheitsrat noch von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verhängt – wie das mit der UN-Resolution 1761 vom 6. November 1962 gegen den Apartheidstaat Südafrika der Fall war. Alle diese Sanktionspakete gegen Russland sind reine Willkürakte und damit vollständig völkerrechtswidrig.

Die EU-Kommission ist ein von den Bürgern der Europäischen Union nicht gewähltes und nicht wählbares übernationales Gremium. Dieses Gremium entscheidet eigenmächtig, wen sie auf die Sanktionsliste setzt. Dabei werden als Begründung politische Kampfbegriffe verwendet, die darauf abzielen, politische Gegner, Dissidenten oder unbequeme Publizisten zu kriminalisieren. Die strafrechtliche Verfolgung politischer Gegner ist aber ein klassisches Zeichen einer Diktatur.

HINTERGRUND Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für die Demokratie in Europa?

BAAB Das Gebaren der EU-Kommission zeigt, dass wir in Europa schon lange nicht mehr in einer Demokratie leben. Eine politische Clique will das Grundgesetz und andere demokratische Verfassungen in Europa auf dem Verordnungswege aushebeln. Das Ziel ist, die Menschen in neuen Kriegen gegen Russland zu opfern, damit die Monopolkonzerne des Finanzkapitalismus weiter Rendite einstreichen können. Rosa Luxemburg hat völlig zu Recht geschrieben: „Die Dividenden steigen und die Proletarier fallen.“

HINTERGRUND Wie können wir die Propaganda durchschauen?

BAAB Propaganda richtet sich nicht gegen den Feind, sondern zielt auf die eigene Bevölkerung. Sie soll darüber getäuscht werden, dass es im Westen offensichtlich Eliten gibt, die uns in einen neuen Krieg mit Russland hineinziehen wollen. Man hat den Eindruck, viele Menschen in Deutschland leben im Zustand einer Amnesie, merken nicht, dass sie unter einer Dunstglocke von Propaganda gehalten werden sollen und ihnen viele wesentliche Informationen vorenthalten werden.

Das Interviews mit Patrik Baab lesen Sie in der  aktuellen Ausgabe 9/10 2025 unseres Magazins, das im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften erhältlich ist. Sie können das Heft auch auf dieser Website (Abo oder Einzelheft) bestellen.

PATRIK BAAB ist Politikwissenschaftler und Publizist. Seine von den Propaganda-Medien angegriffene Reportage „Auf beiden Seiten der Front. Meine Reisen in die Ukraine“ (2023) wurde ein Bestseller. Daneben schrieb er „Propaganda-Presse. Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben“ (2024), „Recherchieren. Ein Handbuch zur Kritik der herrschenden Meinung“ (2022) und „Im Spinnennetz der Geheimdienste. Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet?“ (2017). Seine Bücher, Artikel und Interviews wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Der Hintergrund-Newsletter

Wir informieren künftig einmal in der Woche über neue Beiträge.

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Abo oder Einzelheft hier bestellen

Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.

Hintergrund abonnieren

Drucken

Drucken

Teilen

Voriger Artikel Medien Die Informationswelt in Käfighaltung
Nächster Artikel Medien Im Kampf um das freie Wort