Medien

Rutschen wir in eine "Kulturrevolution"?

Die westlichen Medien erzeugen die Öffentlichkeit und gefährden sie zugleich. Das allerdings wird nun zu einem Demokratieproblem.

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Foto: Tho-Ge; Quelle: Pixabay; Lizenz
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Nach der erbärmlichen, vor allem auch außenpolitisch desaströsen Bilanz der „Ampel-Regierung“ waren die Blicke auf die Zusammensetzung und die ersten Bekundungen der Merz-Regierung gerichtet. Johann Wadephul – als erster CDU-Außenminister seit Gerhard Schröder (1961–1966, kritisch damals als „SA-Schröder“ bezeichnet) – stellt gewiss bildungsmäßig und diplomatisch-politisch eine sichtbare Anhebung des Niveaus der außenpolitischen Kultur der Regierenden dieses Landes gegenüber seiner Vorgängerin dar. Zugleich wirkt er oft als „His Master’s Voice“ seines Kanzlers und steht damit in Mithaftung für falsche Lagebeurteilungen in Sachen Russland, China und Israel. Zu der Feststellung, dass die Angriffe Israels und der USA auf den Iran völkerrechtswidrig waren, konnte er sich nicht öffentlich durchringen; allerdings eierte er so rum, dass man ihm in der Tagesschau der ARD vom 30. Juni 2025 an der Nasenspitze ansehen konnte, er tat das wider besseres Wissen.

Am 30. Juni nun bekundete Wadephul bei einem Kiew-Besuch: „Die Freiheit und Zukunft der Ukraine ist die wichtigste Aufgabe unserer Außen- und Sicherheitspolitik.“ Man werde „felsenfest an der Seite der Ukraine stehen“. 1 Allerdings lautet der Amtseid, den auch jeder Bundesminister ablegen muss: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden […] werde.“ 2 Hier geht es um das deutsche Volk, nicht um die Ukraine. Offenbar hat der Minister da etwas verwechselt. Es sei denn, man unterstellt eine geopolitische Interessenartikulation der deutschen politischen Klasse, die auch auf Kosten des deutschen Volkes wahrgenommen wird.

Zu den sprachlichen Operationen dieser Klasse und ihrer journalistischen Hilfswilligen gehört, die Regierungen ungeliebter Staaten als „Regime“ zu adressieren und missliebige Politiker als „umstritten“. Hier hatten wir es offenbar mit den Formulierungskünsten des „umstrittenen“ Außenministers Wadephul zu tun.

Der Philosoph Michael Andrick hat darauf bestanden, den Begriff „Regime“ nicht nur auf undemokratische Staatswesen, wie den Iran, zu beziehen, sondern als analytische Kategorie auf die Betrachtung von politischen Systemen überhaupt anzuwenden. 3 In diesem Sinne ist das derzeitige Regime in Deutschland „ein selbsterklärtes Parteienkartell, das sich als ‚die demokratischen Parteien‘, ‚die Parteien der demokratischen Mitte‘ oder […] als ‚unsere Demokratie‘ bezeichnet“. Dieses Regime fußt auf vier Machtsäulen: „politische Willkür in der Justiz, Postenhoheit über Macht- und Einflusszentren, Kontrolle des politischen Leitdiskurses und eine systematisch angstverbreitende Ideologie mit unrealistischen Dogmen über angebliche innere, äußere und globale Existenzbedrohungen“. Deren Grundthesen werden zu einem „Panorama eines permanenten Ausnahmezustands« gebündelt: „Im Innern sei die Demokratie existenziell durch rechte Extremisten bedroht; im Äußern sei das Land existenziell durch russische Expansionspläne bedroht; im Ganzen sei die Welt des Menschen durch eine selbstgemachte Klimakatastrophe bedroht.“

Der Medienanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel betonte, der Staat enge durch den mit „trivialen Floskeln wie ‚Hass und Hetze‘ kontaminierten Diskurs“ den Rahmen der Meinungsfreiheit immer weiter ein. Er „lässt mit der Auslagerung und Millionenförderung von weltanschaulichen Erfüllungsgehilfen von Correctiv bis HateAid oder Trusted Flaggern [das sind private Meldestellen für „illegale Hassrede“ im Internet im Sinne der EU-Regelungen – E. C.] in verfassungs- rechtlich problematischer Weise und mit dem Geld der Steuerzahler Dinge tun, die ihm selbst von der Verfassung verboten sind“. 4 Mittlerweile hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 24. Juni 2025 zur Aufhebung des Verbots des rechten Compact-Magazins durch die frühere Innenministerin der Ampel-Regierung, Nancy Faeser, diesem Treiben im Sinne der „Freiheit von Meinung, Presse und Medien“ (Art. 5 GG) eine eindeutige Grenze gesetzt. 5

Die Steuerung des Leitdiskurses erfolgt in erheblichem Maße über die Auswahl von Politikern, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR), speziell in Talkshows auftreten dürfen. Das Statistische Bundesamt hatte Ende 2024 eine Auswertung veröffentlicht, mit der die Parteizugehörigkeit der zu Gast gewesenen Politiker in den politischen Talkshows von ARD und ZDF im Jahr 2024 mit dem Sitzanteil der Parteien im damaligen Bundestag kontrastiert wurden. So kam CDU/CSU auf 31,3 Prozent Talkshow-Teilnahme bei 26,7 Prozent Bundestagssitzen; ebenfalls bevorzugt waren die Grünen (17,2 Prozent zu 16 Prozent) und die FDP (13 Prozent zu 12,3 Prozent).
Die vierte Kartellpartei SPD erschien leicht benachteiligt: 25,9 Prozent Talkshow-Teilnahme zu 28,2 Prozent Bundestagssitzen. Ob das politische Gründe hatte oder damit zusammenhing, dass Kanzler Olaf Scholz und die Parteivorsitzende Saskia Esken weniger telegen waren als Robert Habeck und Christian Lindner, lässt sich anhand dieser Statistik nicht feststellen. Politisch klar ist jedoch etwas anderes: Die brandmauermäßig ausgegrenzte AfD kam auf 2,6 Prozent Talkshow-Teilnahme bei damals noch 10,4 Prozent Bundestagsanteil. 6

Der Strukturierung des Leitdiskurses kommt nach wie vor eine zentrale Bedeutung zu. Sie erfolgt nicht nur über die „Zwangsabgaben“ für den ÖRR in Höhe von 10 Milliarden Euro im Jahr, sondern auch über die direkte Bezahlung von Journalisten durch die Regierung; laut Bundestagsdrucksache 20/5822 vom 27. Februar 2023 waren das anhin mehr als 150 Journalisten, nicht nur des ÖRR, sondern auch von Der Spiegel, Die Zeit oder Der Tagesspiegel. Spätestens seit der Corona-Pandemie wurde erwirkt, dass auch ÖRR-Mitarbeiter daran gehindert werden, ihren Beruf als Kontrolle der Mächtigen im Interesse der Öffentlichkeit wahrzunehmen. Das „Ringen darum, was im Sender sagbar ist und was nicht“, wurde schwieriger, so Andrick. 7

In besonderem Maße aufschlussreich sind die kritischen, oft sehr persönlichen Berichte ehemaliger ÖRR-Mitarbeiter, sozusagen „Zeitzeugenberichte“ Betroffener, die in der Regel nichts mehr zu verlieren haben. Hier fiel mir besonders der Erfahrungsbericht der Chinesin Danhong Zhang ins Auge, die freiwillig als junge Frau nach Deutschland gekommen war, hier studierte, sich im journalistischen Gewerbe hochgearbeitet hatte und nach frustierenden Erfahrungen in den deutschen Medien nach China zurückging. 8

Danhong Zhang wurde in Peking geboren, kam 1988 nach Deutschland, war 1990 bis 2004 feste Mitarbeiterin der China-Redaktion der Deutschen Welle (DW), ab 2004 stellvertretende Leiterin der China-Redaktion. Im Gefolge einer Medienkampagne wurde sie 2008 von ihrer leitenden Position freigestellt, wechselte 2009 in die Wirtschaftsredaktion der DW und wurde 2015 erste „nicht muttersprachliche Kolumnistin“ der DW. 2019 kündigte sie bei der DW und kehrte nach China zurück.

Die Medienkampagne gegen Zhang begann im Herbst 2008 mit der Unterstellung, sie habe in einer deutschen Rundfunksendung „die chinesische KP gelobt“. Tatsächlich hatte sie lediglich festgestellt, dass es China gelungen sei, 400 Millionen Menschen aus absoluter Armut zu befreien (bis heute sind es über 800 Millionen).

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ERHARD CROME (Jg. 1951) hat am Institut für Internationale Beziehungen in Potsdam-Babelsberg studiert. 1987 Habilitation. Von 2002 bis 2016 Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Geschäftsführender Direktor des WeltTrends-Instituts für Internationale Politik, Potsdam. Der Politikwissenschaftler publizierte in Verlagen der Eulenspiegel-Verlagsgruppe mehrere Bücher.

1 https://www.tagesschau.de/ausland/europa/wadephul-kiew-versprechen-waffenhilfe-100.html.
2 Art. 56 und 64 Grundgesetz
3 Berliner Zeitung, 26./27. April 2025 und 3./4. Mai 2025
4 Berliner Zeitung, 4./5. Januar 2025
5 https://www.bverwg.de/pm/2025/48
6 de.statista.com, 19. Dezember 2024
7 Berliner Zeitung, 3./4. Mai 2025
8 Danhong Zhang, »Nur die richtige Meinung ist frei. Erfahrungsbericht einer Journalistin«,
Fiftyfifty Verlag, Köln 2024

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