Lauterbach – Fehlverhalten ohne Konsequenzen?

Colonia insana – mauern, bis der Arzt fehlt

Verfahren abgeschlossen, alle Fragen offen. So schätzt unser Autor die Reaktion der Universität Köln auf die Anzeige des möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein. Denn die Vorwürfe, Lauterbachs Bewerbung in Tübingen habe 1995 eine Vielzahl von Fehlern enthalten, konnten seiner Auffassung nach nicht ausgeräumt werden. Auch nicht von Karl Lauterbach selbst. Zweiter und letzter Teil zu diesem bemerkenswerten Vorgang.

1695647449

Haupteingang der Universität Köln.
Raimond Spekking, Lizenz: CC BY-SA 4.0, Mehr Infos

Karl Lauterbachs Lebenslauf ist ein Pudding, der auch mit größter Sorgfalt nicht an die Wand zu nageln ist. Mit einer ordentlichen Kommission, die entsprechend befugt war, hätte sich dieser Zustand verändern können. Der Auffassung, dass sich jede fragwürdige Angabe in seiner Bewerbung nach Tübingen vom 10. Dezember 1995 als Untersuchungsgegenstand gem. „Ordnung zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ eignen würde, schloss sich die Kommission allerdings nicht an; dies trotz der Tatsache, dass Falschangaben in einer Bewerbung gem. § 1 Nr. 1 c) jener Ordnung Gegenstand eines entsprechenden Verfahrens sein können.1

Die zahlreichen formalen Fragwürdigkeiten waren Thema des ersten Teils. In diesem zweiten Teil soll es zunächst darum gehen, die drei Untersuchungsgegenstände genauer anzusehen, die der Kommission betrachtenswert erschienen. Es zeigt sich: Selbst diese Sachverhalte untersuchte sie nachlässig. Die Ignoranz, mit der das Rektorat der Universität die Kommissionsarbeit verteidigte, wurde schließlich in einem Schreiben vom 3. August 2023 erneut zur Schau gestellt. Dieses Schreiben wird am Schluss dokumentiert.

Die drei Sachverhalte

In dem Kommissionsbericht steht: „Drei Sachverhalte […] können nicht ohne zusätzliche Erläuterungen von Prof. Lauterbach eingeordnet werden.“ Damit ist gleichzeitig gesagt: Alle anderen Angaben waren offenbar ohne zusätzliche Erläuterungen von Lauterbach einer Einordnung zugänglich – allerdings hat die Kommission es unterlassen, diese Einordnung schriftlich zu fixieren: Sämtliche Kritikpunkte zu Lehrveranstaltungen, Drittmittelangaben und allgemein zu seinem Lebenslauf hat sie nämlich ohne Erläuterungen verworfen. Es ist nicht sichtbar, dass eine eigenständige Prüfung überhaupt stattfand.

Der Tagungsband, der nie erschien

Beim ersten Sachverhalt bestätigt die Kommission zunächst meinen Vorwurf. Sie stellte diese Frage an Karl Lauterbach: „Sie hatten angegeben, dass der Tagungsband nicht veröffentlicht wurde, einen Beitrag hieraus allerdings als ‚im Druck‘ befindlich angegeben. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?“ Hierzu notiert die Kommission später: „Bei einer Publikation stellt sie eine Falschangabe fest“. Diese Falschangabe ist allerdings doppelt, weil Lauterbach zugleich auch der Herausgeber des Tagungsbandes sein sollte. Ferner war dieser Tagungsband in der initialen Bewerbung in der 1. Publikationsliste als Monographie mit Lauterbach als Einzelautor gekennzeichnet. Diesen lästigen Umstand behebt die Kommission dadurch, indem sie die 1. Publikationsliste für irrelevant erklärt. Zur Erinnerung: Diese 1. Publikationsliste war der Bewerbung vom 10. Dezember 1995 angehängt. Sie wurde durch eine zweite Publikationsliste im Jahre 1997 ergänzt. Die Details sind in Teil 5 der Serie „der Karlatan“ aufgelistet. Ein weiteres Ergebnis ist, dass auch die Drittmittelangabe unter den Teppich gekehrt werden kann, die Lauterbach mit 20.000 DM für eine Förderung als „Buchautor“ angab. Im Endergebnis schliff die Kommission die multiplen Falschangaben zu einer einzelnen „Ungenauigkeit“ ab.

Ein AIDS-Artikel, der nicht besprochen werden durfte

Die Kommission hat beim ersten Sachverhalt die erste Publikationsliste aus dem Jahre 1995 komplett missachtet. Beim zweiten Sachverhalt besteht die Merkwürdigkeit auch darin, dass der betreffende Titel nur in der ersten Publikationsliste erscheint. Die Kommission war offenbar nicht in der Lage, diesen Titel zu lokalisieren, denn sie musste Lauterbach selbst bitten, die Angaben zu verifizieren: „Wir haben keinen Zugriff auf diesen Artikel.“

Das Ergebnis im Bericht: „Eine zweite Publikation hätte sorgfältiger angegeben werden können, da die Alleinautorschaft eines Kapitels aus der Druckfassung der Zeitschrift nicht eindeutig hervorgeht.“ Sie geht nicht nur „nicht eindeutig“ hervor. Sie geht überhaupt nicht hervor. Die Formulierung „Alleinautorschaft eines Kapitels“ begrenzt den Schaden zugunsten von Lauterbach. Dieser gab an, Alleinautor eines Aufsatzes zu sein und suggerierte damit, dass dieser Beitrag mehr ist, als er tatsächlich ist: ein 6,5-seitiges Unterkapitel. Das Ergebnis wiederum überrascht: „Hier liegt allerdings keine Falschangabe vor.

Wer den Versuch machen möchte, den Text zu finden, der möge schauen, ob er erfolgreicher ist als die Kommission:

Lauterbach, K. W. AIDS als Herausforderung für das Solidarprinzip in der Gemeinschaft. Österreichische Krankenhauszeitung, AIDS-Sonderausgabe Herbst 1992

Wie dem auch sei: Die Kommission tat das Naheliegende nicht. Ich habe nach eigener Recherche eine Kopie dieses Textes problemlos über die Fernleihe bezogen. Einen Anlass dazu, mich diesbezüglich zu kontaktieren, sah die Kommission nicht.

Das Institut, das vor steter Transparenz nicht zu sehen ist

Die fragwürdige Institutsangabe ist der dritte Sachverhalt. Hierzu schreibt die Kommission wie folgt:

„3. Sie haben in der Bewerbung im Jahre 1995 geschrieben: ‚Zum 1. Dezember 1995 habe ich die zunächst kommissarische Leitung des neu gegründeten Instituts für Gesundheitsökonomie an der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln (Vergütungsstufe C3) übernommen.‘
Aus Presseartikeln hat die Kommission entnommen, dass das Ministerium diese Angabe mittlerweile dahingehend korrigiert hat, dass Sie ‚mit dem Aufbau‘ des Instituts betraut waren. Dies ist auch nach unserer Aktenlage so zutreffend beschrieben. Die GWP-Kommission würde gerne wissen, ob die Tübinger Universität von dieser Korrektur seinerzeit bereits Kenntnis hatte.“

Dieser Absatz aus dem Kommissionsbericht könnte fragwürdiger nicht sein. Die Aussage des Gesundheitsministeriums im Jahre 2023 kann die Faktizität der Bewerbungsangabe des Nicht-Politikers Lauterbach aus dem Jahre 1995 nicht verändern. Ausgerechnet denjenigen als Gewährsmann heranzuziehen, der die initiale Falschaussage getätigt hat, ist äußerst fragwürdig. Was hätte Lauterbach denn sagen sollen? Für die Antwort „Ich habe in der Bewerbung gelogen und der Kommission anschließend die Wahrheit verschwiegen“ dürfte keine Motivation vorliegen. Sagen wir es vielleicht mit Lauterbach aus dem Jahre 2020: „Die Wahrheit führt in sehr vielen Fällen zum politischen Tod, ich bitte Sie!“2

Das Ergebnis der Kommission wirft weitere Fragen auf:

„Die schriftliche Beschreibung des Anstellungsverhältnisses im Dezember 1995 hätte formal anders formuliert werden müssen. Prof. Lauterbach war kommissarischer Leiter eines ‚im Aufbau‘ befindlichen Instituts. Das Institut wurde aber erst ein Jahr später formal gegründet. Die Kommission sieht keinen Anhaltspunkt an der Aussage zu zweifeln, wonach Prof. Lauterbach diesen Umstand gegenüber der Tübinger Berufungskommission ‚stets transparent‘ gemacht habe.“

Anlass, an der steten Transparenz zu zweifeln, gibt es jedoch genug: Der Tübinger Berufungsbericht aus der damaligen Zeit widerlegt diese Auffassung. Der Berichterstatter fasst den Stand in seinem Bericht vom 14. Oktober 1997 wie folgt zusammen:

„Herr Lauterbach ist nach anfänglicher kommissarischer Leitung seit 01.12.1995 Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie, Medizin und Gesellschaft an der Universität zu Köln (C3-Professur). Es handelt sich hier um ein Gemeinschaftsinstitut der Medizinischen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten.“3

Dies ist gleich doppelt falsch, denn das Institut wurde erst später gegründet, und Lauterbach war zum 1. Dezember 1995 kein Professor. Lauterbach ist nicht schuld an der doppelt fehlerhaften Notation im Berufungsbericht. Dieser Vermerk belegt aber eindrücklich, dass man von einer steten Transparenz nicht ausgehen kann.

Mir liegen auch die Presseanfragen samt Antworten aus dem Ministerium vor, die einen anderen Verlauf nahelegen. Gegenüber dem Cicero lautete eine Antwort am 20. März 2023 zunächst so:

„Von Herrn Lauterbach kann ich Ihnen aber folgende Antworten übermitteln:
Die Angaben zum Institut und zum Symposium sind korrekt. Prof. Karl Lauterbach hat zunächst die kommissarische Leitung eines ‚AN-Instituts Gesundheitsökonomie, Mensch [sic!] und Gesellschaft‘ übernommen, bevor das Institut 1997 offiziell eröffnet wurde. Die Vergütung entsprach der Besoldungsgruppe C3.“

Aus Anlass der Berichterstattung im Cicero4 fasste die Welt kurz nach Veröffentlichung am 21. März 2023 ebenfalls nach:

Lauterbach bekräftigt, die Darstellung sei „falsch“, aber bestätigt gleichzeitig, dass sie stimmt: Denn ein An-Institut war es „im betreffenden Zeitraum“ nicht, sondern erst ab dem 6. Dezember 1996. Volker Rekittke fasste in seinem Artikel vom 28. April 2023 nach und erhielt die gleich lautende Antwort aus dem Ministerium:

„Prof. Karl Lauterbach war ab Ende 1995 als kommissarischer Leiter mit dem Aufbau des neuen ‚An-Instituts Gesundheitsökonomie, Medizin und Gesellschaft‘ der Universität zu Köln betraut. Bezahlt wurde er dafür entsprechend der Besoldungsgruppe C3. Das Institut wurde 1997 mit seiner Berufung als Professor offiziell eröffnet.“6

Damit nicht genug! Es gibt weitere Evidenz: Der Vorsitzende der damaligen Tübinger Berufungskommission hat sich im Jahre 2023 im selben Artikel von Volker Rekittke wie folgt dazu geäußert: „Wenn die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Institut für Gesundheitsökonomie zutreffen sollten, dann hat er möglicherweise ein Problem.“

Das „evolvierende Erinnerungsvermögen“ belegt, dass Lauterbach sich im März 2023 zunächst an gar nichts korrekt erinnern konnte: Der Gründungssachverhalt wurde nicht korrekt beschrieben und es wurde zunächst sogar ein falscher Institutsname bestätigt. Die von der Kommission vermerkte „Korrektur“ ist maßgeblich durch die kritische Presse erfolgt. Erstaunlich ist im ganzen Vorgang zusätzlich, dass die Kölner Kommission den Artikel von Volker Rekittke sogar noch beispielhaft zitiert hat. Dementsprechend hat sie Kenntnis von der Einordnung des Vorsitzenden der damaligen Tübinger Berufungskommission.

Die Kommission war also nicht nur nicht bereit, die Falschangabe in der Bewerbung als Fehlverhalten zu ahnden. Sie ließ sich von Karl Lauterbach im Jahre 2023 anlügen.

Die Reaktion, die keine war

Im Kommissionsbericht wird folgendes angenommen: „Prof. Lauterbach hatte zu diesem Zeitpunkt7 in den Medien bereits auf die erhobenen Vorwürfe reagiert.“ Die konkreten Reaktionen belegen aber nur, dass es de facto keine Reaktionen waren, denn sie tragen entweder überhaupt nichts zum Geschehen bei oder erzeugen neue Verwirrung. Gegenüber dem Ippen-Netzwerk sieht die Reaktion am 14. März 2023 aus Anlass der Berichterstattung der Welt am Sonntag wie folgt aus. Unter der Zwischenüberschrift „Lauterbach bezieht exklusiv Stellung“ wird er wie folgt zitiert:

„Für eine Berufung sind nicht Drittmittel entscheidend, sondern die Qualifikationen. Nicht jedes geplante Drittmittelprojekt wird auch umgesetzt. Vier Professuren sind mir angeboten worden. Den Ruf nach Köln habe ich angenommen. Den konkreten Fall kann ich nicht mehr rekonstruieren“8

Und gegenüber dem SWR, ebenfalls am 14. März 2023:

„Der Fall aus den 1990er-Jahren sei nicht mehr nachvollziehbar, so das Ministerium. Das Ganze liege über ein Vierteljahrhundert zurück, sagte ein Sprecher des Ministeriums auf SWR-Anfrage. Die Bewerbungsunterlagen von damals lägen dem Minister nicht mehr vor. Man könne die Sache daher nicht rekonstruieren.“9

Was „der konkrete Fall“ oder „die Sache“ genau gewesen sind, geht allerdings aus den Texten nicht hervor, denn die Kritik an den Drittmittelangaben ist dreifach, und es gibt neben den Drittmitteln weitere Falschangaben. Gegenüber dem Spiegel heißt es am 21. März 2023:

„Auf SPIEGEL-Anfrage lässt Lauterbach mitteilen, er könne die Umstände der Aachener Studie nicht komplett rekonstruieren. Es habe eine Vorhabenplanung gegeben, die Lauterbach auf dem Deutschen Krebskongress 1996 vorgestellt habe. Diese sei mit ihm als Erstautor veröffentlicht worden. Dass es diese Studie gab und Lauterbach an der Konzeption derselben maßgeblich beteiligt gewesen sei, sei eindeutig und werde vom damaligen Institutsleiter bestätigt. Nach Beginn seiner Arbeit in Köln habe Lauterbach an der Studie jedoch nicht mehr mitgearbeitet.“10

Wenn es „[n]ach Beginn seiner Arbeit in Köln“ heißt: Welches Jahr und welcher Monat ist dann gemeint, wenn er seinen Dienst dort doch am 1. Dezember 1995 angetreten ist?

Ein Transparenzversprechen auf www.abgeordnetenwatch.de hat Karl Lauterbach nie abgegeben.11 In der Praxis sieht Lauterbachs Verhältnis zur Transparenz gegenüber der Welt am Sonntag am 22. April so aus: „Gegen die Weitergabe seiner Daten macht Herr Prof. Lauterbach rechtliche Vorbehalte geltend.12 Gegenüber der Berliner Zeitung/Volker Rekittke lautete die Erwiderung am 24. April 2023 ähnlich: „Herr Prof. Lauterbach hat rechtliche Vorbehalte gegen die Herausgabe seiner Daten geltend gemacht“. Von der Hintergrund-Redaktion unter anderem nach einem monatsgenauen Lebenslauf gefragt, antwortet das Ministerium am 13. Juli 2023:

„[A]ls Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit gebe ich Ihnen gerne Auskunft über das Regierungshandeln des Bundesministers. Ihre Fragen berühren das nicht.“

Von Lauterbachs Abgeordnetenbüro und von der SPD-Bundestagsfraktion erfolgte keine Reaktion. All das ist für die Kölner Kommission allerdings kein Anlass gewesen, die eigenen Kölner Berufungsverfahren genauer unter die Lupe zu nehmen.

Neue Löcher im Lebenslauf

Es ist verwunderlich, dass die Universität Köln bis heute nicht genau sagen kann, was Lauterbachs Aufgabengebiet in der Zeit vom Dezember 1995 bis Dezember 1996 genau umfasste. Wir wissen: Er war kein Angehöriger der Universität, und eine Professurvertretung erfolgte erst ab Dezember 1996. Die Pressestelle der Universität Köln sah davon ab, „aus Datenschutzgründen“ einen genauen Beleg für Lauterbachs Anstellung beim „Verein zur Förderung der Gesundheitsökonomik Köln e.V.“ zu liefern. Gleichzeitig soll er Lehrbeauftragter gewesen sein, jedoch wurden sämtliche Unterlagen zu Lehrveranstaltungen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet. Die Pressestelle verwies auf die Vorlesungsverzeichnisse der Universität Köln, die aber erst ab dem Wintersemester 1996/97 Lauterbachs Namen verzeichnen.13

Das Rektoratsschreiben

Ich hatte das Rektorat der Universität zu Köln gebeten, die formalen Verfahrensfehler zu korrigieren und zum Anlass zu nehmen, das Verfahren erneut aufzurollen. Ich erhielt am 10. August 2023 einen Brief, der auf den 3. August 2023 datiert war und eine Reihe von weiteren Fragwürdigkeiten enthielt. Das Schreiben mitsamt meiner Antwort vom 18. August 2023 kann unter den Links nachgelesen werden.

Ein Punkt sei hieraus hervorgehoben. Ich hatte angemahnt, dass ich nicht über die Eröffnung des Verfahrens informiert wurde und mir dementsprechend die belastenden Tatsachen und Beweismittel nicht vorgelegt wurden. Das Rektorat deutet das Geschehen so:

„Auch trifft es in keiner Weise zu, dass Ihnen belastende Tatsachen und Beweismittel nicht vorgelegt wurden, da diese allesamt aus Ihrer Stellungnahme bzw. aus Ihrer aktuellen Berichterstattung stammten.“

Die kafkaeske Neudefinition des Verbs „vorlegen“ verwundert in diesem Satz noch am wenigsten. Entscheidend ist: Mit diesem Satz gibt das Rektorat zu, dass die Kommission keinerlei eigene Erkenntnisse außerhalb meiner schriftlich zusammengetragenen belastenden Tatsachen und Beweismittel gewonnen hat. Dies ist de facto das Bekenntnis einer Arbeitsverweigerung.

„Danke für die aufwändige Prüfung“

Problematisch am Verfahren ist, dass keiner der Verantwortlichen sich erklären möchte: Ombudsperson Prof. Dr. Martin Avenarius, der als neutraler Vermittler im Verfahren zwischengeschaltet ist, schweigt. Er gehört der Kommission mit beratender Stimme an, kennt die Ordnung und hat gleichwohl nichts zu sagen. Ebenso schweigt der zuständige Mitarbeiter aus der Geschäftsstelle für Gute Wissenschaftliche Praxis (GWP), Dr. Oliver Höing, der zwar mein „Ansprechpartner“ ist, aber von mir offenbar nicht angesprochen werden möchte. Er reagierte jedenfalls erstmals am 13. September 2023, ging jedoch auf keinen einzigen Punkt ein. Abschließend bat er mich, „von weiteren Nachfragen“ „abzusehen“. Die GWP-Geschäftsstelle war damit befasst, die Vorwürfe für die Kommission aufzubereiten. Die vermuteten Kommissionsmitglieder, deren allgemeine Zusammensetzung Welt-Journalist Tim Röhn auf Twitter14 veröffentlicht hatte, deren konkrete Zusammensetzung im betreffenden Verfahren mir aber immer noch unbekannt ist, wurden von mir angeschrieben, aber auch diese reagieren nicht. Einer schweigt sowieso: der Gesundheitsminister selbst. Er hat gleichzeitig die Deutungshoheit behalten, denn das Schreiben aus dem Rektorat, das ihn über den Ausgang des Verfahrens informierte, hat er mit dem Spiegel geteilt, noch bevor ich als Hinweisgeber Kenntnis vom Verfahren erlangte. Die Kenntnis ist bis heute lückenhaft. Anstelle die mangelnde Waffengleichheit zu beklagen, können wir mit Lauterbachs eigenen Worten schließen: „Danke für die aufwändige Prüfung“.15

Der Aufwand war in der Tat beträchtlich. Die Prüfung steht indes noch aus.

Quellen

1 Ordnung zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens vom 25. Januar 2022. Online: https://am.uni-koeln.de/e35075/am_mitteilungen/@e35517/AM_2022-09_Untersuchung-wiss-Fehlverhalten_ger.pdf

2 Aus der WDR-Dokumentation „Schlank um jeden Preis? Das Geschäft mit Diäten“ vom 8. Januar 2020

3 Der Berufungsbericht ist in der Tübinger Universitätsakte (Az. UAT 386/459) enthalten.

6 Zitiert nach Volker Rekittke: Lebenslauf und Impfnebenwirkungen: Wie hält es Karl Lauterbach mit der Wahrheit? Berliner Zeitung vom 28. April 2023. Online: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/lebenslauf-und-impfnebenwirkungen-wie-haelt-es-karl-lauterbach-mit-der-wahrheit-li.341955

7 Gemeint ist der Zeitpunkt aus Anlass der Veröffentlichung des Artikels der Welt am Sonntag am 11. März 2023. Online: https://www.welt.de/politik/244225919/. Auch dieser Artikel wird in der Liste der „beispielhaft“ aufgeführten Artikel nicht zitiert.

13 Vgl. die Vorlesungsverzeichnisse der Universität Köln, die jeweils auch als Digitalisat vorhanden sind: https://www.ub.uni-koeln.de/cdm/search/collection/vorlesverz/display/200/order/title/ad/asc. Die Fundstellen aus den Vorlesungsverzeichnissen wurden jeweils aus den Indizes ermittelt: Im Wintersemester 1995/96 und im Sommersemester 1996 wird er gar nicht genannt (vgl. für das WS 1995/96 den Index auf S. 717, für das SS 1996 den Index auf S. 718). Im Wintersemester 1996/97 wird er als „Komm. Leiter“ des IGMG aufgeführt (S. 179), aber ohne Veranstaltungen (vgl. Index auf S. 706). Im Sommersemester 1997 (Nennung S. 179, Index S. 712), Wintersemester 1997/98 (Nennung S. 179, Index S. 731) sowie im Sommersemester 1998 (S. 58, 178, Index S. 726) derselbe Befund. Im Wintersemester 1998/1999 erfolgte die Listung der ersten Veranstaltungen (S. 348, 398–9).

Abo oder Einzelheft hier bestellen

Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.

Hintergrund abonnieren

15 https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1682293894887665665

Newsletter

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Der Hintergrund-Newsletter

Wir informieren künftig einmal in der Woche über neue Beiträge.

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Drucken

Drucken

Teilen

Voriger Artikel Lauterbach - Fehlverhalten ohne Konsequenzen? Colonia obscura – der Minister mauert, und die Universität mauert mit
Nächster Artikel Innenpolitik Militärausgaben grenzenlos?