Innenpolitik

Drei tote Bundeswehrsoldaten - kein Krieg, sondern Stabilisierungseinsatz

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REGINE NAECKEL, 24. Juni 2009 –

Dr. Thomas Raabe, Leiter des Presse- und Informationsstabes und Sprecher des Verteidigungsministeriums, hat auf der Bundespressekonferenz am Montag (22.06.09) den deutschen Militäreinsatz in Afghanistan definiert: „Es ist kein Krieg, sondern es ist ein Stabilisierungseinsatz, angefangen mit den rechtlichen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel der, dass der Verteidigungsminister in einem Kriegsfall nicht mehr Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt wäre, sondern dass das in diesem Fall dann die Bundeskanzlerin wäre.“

Das bedeutet de facto: So lange das Parlament nicht explizit einen Kriegseinsatz beschließt oder andersherum keine demokratische Legitimation für einen Krieg vorliegt, kann die Bundeswehr im Ausland machen, was sie will. „Es ist dann eben kein Krieg. Wir haben keinen Kombattantenstatus, was den Gegner angeht. Das sind Terroristen“, folgert Raabe in seiner ihm eigenen Logik.

Und so müsse man die Taliban bekämpfen und „dies mit aller Härte tun. Das haben wir auch in der Vergangenheit des Öfteren gesagt: Wer uns angreift, der muss damit rechnen, dass er verfolgt und auch getötet wird!“ Wann, wo und wie ein Taliban Deutschland oder zumindest seine militärisch Verbündeten auf heimischem Boden angegriffen hat, bleibt Raabes Geheimnis.

„Wir haben immer wieder auf die vier Funktionen hingewiesen“, fährt Raabe fort: „Es geht ums Kämpfen, aber es geht auch ums Helfen, um Vermitteln und Schützen.“

Von den drei letzteren Funktionen hört man in der Öffentlichkeit wenig Positives, von den Kämpfen dagegen bedauerlich mehr: Zivilopfer werden billigend in Kauf genommen, weil – so Raabe – „die Taliban in perfider Art und Weise die Zivilbevölkerung in diese Kampfhandlung mit einzubeziehen versuchen und sie sogar als menschliche Schutzschilde benutzen, insbesondere Frauen und Kinder. Diese perfide Art und Weise führt leider dazu, dass bei Kampfhandlungen dann eben auch zivile Opfer zu beklagen sind.“ Sicher, wenn die ISAF flächendeckend ganze Dörfer bombardiert, in denen der eine oder andere Talibankämpfer inmitten seiner Familie wohnt, dann wird das Dorf zu einer militärischen Stellung mit menschlichen Schutzschilden umdeklariert. So einfach ist das beim Bundesverteidigungsministerium.

Wenige Tage zuvor, am 16. Juni, zog Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Bundestags, nach einem Truppenbesuch in Afghanistan ein ganz anderes Fazit. Vor hochrangigen Gästen in Berlin übermittelte der die Stimmung unter den Bundeswehrsoldaten: "Wir bauen hier im Moment keine Brücken und bohren keine Brunnen. Herr Wehrbeauftragter, wir befinden uns hier im Krieg." Weiter führte Robbe aus, dass die Bundeswehr inzwischen gezielt gegen die Taliban vorgeht: "Seit einigen Wochen haben wir die Situation, dass zurückgeschossen wird."

Während eines solchen Einsatzes in Kundus überschlug sich am gestrigen Dienstag ein schwerer Transporter vom Typ Fuchs und stürzte in einen Wassergraben. Drei Soldaten starben dabei.

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Verteidigungsminister Franz Josef Jung erklärte daraufhin gegenüber der Presse, die Soldaten seien "im Einsatz für den Frieden gefallen" . Für Gegner des Einsatzes ist das ein Widerspruch in sich. "Wer von Verwundeten und Gefallenen und nicht von verletzten und getöteten Soldaten spreche, benutze bewusst das Vokabular des Krieges. Dies und die Panzer, Waffen und Gefechte passten nicht zur Beschreibung eines Friedenseinsatzes", konstatierte sogar die Süddeutsche Zeitung.

Weitaus deutlicher kritisierte Oskar Lafontaine bei seiner Rede auf dem Wahlparteitag der Linken am vergangenen Sonnabend den Bundeswehreinsatz: "Diese Kriege, so heißt es, müsse man führen, um Menschenleben zu retten, Frauen vor der Unterdrückung zu bewahren und Schulen und Krankenhäuser zu bauen. Die Verlogenheit dieser Argumentation ist kaum zu überbieten. Ginge es wirklich darum, Menschenleben zu retten, dann wäre es mit deutlich weniger Geld möglich, jedes Jahr viele Millionen Menschen vor dem Hungertod und dem Tod durch Krankheit zu bewahren. Wer diese Hilfe verweigert, aber Kriege führt, um Menschenleben zu retten, wobei leider viele Tausend Menschen ermordet werden müssen, ist moralisch völlig unglaubwürdig."

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