Innenpolitik

Enthüllungen über CIA-Folterzentrale in Frankfurt a. M.

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Opposition fordert Untersuchungsausschuss. Die Bundesregierung schweigt –

Von THOMAS WAGNER, 18. August 2009 –

Die Bundesregierung hat aller Wahrscheinlichkeit nach mehr über geheime Foltergefängnisse der CIA gewusst, als ihre Vertreter bis heute eingestehen wollen. So sieht es jedenfalls der ehemalige Sonderermittler des Europarats Dick Marty: "Bis jetzt hat die deutsche Regierung sich geweigert, die ganze Wahrheit zu sagen", teilte er der Frankfurter Rundschau (14.08.2009) mit.

Der Schweizer hat von 2005 bis 2007 das geheime Gefängnissystem der CIA außerhalb der USA untersucht und darüber einen Bericht veröffentlicht. (1) Durch einen Artikel der New York Times vom vergangenen Donnerstag sieht Marty seine eigenen Erkenntnisse bestätigt.

Darin wird Frankfurt am Main als organisatorisches Zentrum des CIA-Foltersystems beschrieben.
Die Einrichtung von drei US-Geheimgefängnissen in Bukarest, einer abgelegenen Gegend Marokkos sowie in einer nicht genannten Stadt in Osteuropa (2) sei von der CIA-Außenstelle in Frankfurt aus geplant, angeleitet und überwacht worden.

Frankfurt sei nach den Terroranschlägen am 11, September 2001 die wichtigste Logistikbasis des US-Geheimdienstes in Europa gewesen.

„Es war zu heikel, um vom Hauptquartier aus gehandhabt zu werden“, sagte Kyle Foggo, der damalige Leiter der CIA-Filiale in Deutschland, der NYT.

Im März 2003 baten ihn zwei CIA-Beamte, bei der Einrichtung geheimer Gefängnisse behilflich zu sein. Sein zunächst bescheidenes Budget wurde dafür auf 7 Millionen US-Dollar erhöht. Später ist dieser Betrag verdreifacht worden. (3)
Der Frankfurter Flughafen und der US-Stützpunkt Ramstein wurden von der CIA für Flüge in so genannte Folterstaaten genutzt. In mindestens acht Kerkern, unter anderem im Mittleren Osten, im Irak und in Afghanistan, sind ca. 100 Gefangene mit Foltermethoden verhört worden.

Die Gefängnisse waren für jeweils sechs Gefangene konzipiert. In ihnen waren aber selten mehr als vier zur gleichen Zeit untergebracht. Die Häftlinge wurden 23 Stunden am Tag in Isolationshaft gehalten. Ihre Bewacher trugen schwarze Ski-Masken, um anonym zu bleiben und die Gefangenen einzuschüchtern, berichtete die NYT.

Nur nach und nach war die Wahrheit über das Folternetzwerk der CIA ans Licht gebracht worden.
2005 deckten Washington Post und Human Right Watch auf, wie die CIA auf fremden Boden operierte, um Folterverhöre einsetzen zu können, die laut US-Verfassung verboten sind.

Dick Marty fand dann heraus, dass Europa ein Hauptoperationsgebiet der CIA-Aktivitäten war. Der von Marty im Juni 2006 vorgelegt Bericht belegte die enge Zusammenarbeit europäischer Geheimdienste mit der CIA.
US-Präsident Bush musste die Existenz der Geheimgefängnisse am 6. September 2006 einräumen, verteidigte sie aber als "notwendige Maßnahme im Kampf gegen den Terrorismus".

Mit Hilfe von Martys Informationen gelang es der Staatsanwaltschaft München US-Agenten zu identifizieren, die den Deutschen Khaled El-Masri 2004 nach Afghanistan entführt hatten. Der Deutsche Bundestag hatte schon 2005 einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, um die Rolle des BND und das Wissen der SPD-Grünen-Regierung aufzuklären.
Franz Walter Steinmeier (SPD), damals Kanzleramtsminister, bestritt, zu einem frühen Zeitpunkt von dem Fall gewusst zu haben und wies den Verdacht der Verwicklung deutscher Behörden vehement zurück.

Nun hat der NYT-Bericht den Stein wieder ins Rollen gebracht.
Die Bundestagsfraktionen der Linken und der Grünen fordern einen neuen Untersuchungsausschuss. Die Linke gleich nach dem 27. September, die Grünen sogar noch vor der Bundestagswahl, berichtet die Frankfurter Rundschau.
Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat beantragt, am 26. August im Plenum eine Debatte zu diesem Thema zu führen.
Für die Bundestagsfraktion Die Linke erklärte ihr außenpolitischer Sprecher Norman Paech am 14.08.2009, die Bundesregierung müsse nun erklären, ob sie davon Kenntnis hatte, dass Frankfurt die wichtigste Außenstelle der CIA für die Planung, Errichtung und Überwachung von geheimen Foltergefängnissen war und „warum sie nichts dagegen unternommen hat."

Hellmut Königshaus (FDP) fordert die Bundesregierung auf, dem Parlament endlich die Akten zuzuleiten, „die sie dem Untersuchungsausschuss in verfassungswidriger Weise vorenthalten“ habe: „Denn gerade die Vorlage derjenigen Akten, die die Zusammenarbeit mit anderen Diensten betreffen, wurde pauschal verweigert.“

Einzelne Abgeordnete der Regierungsfraktionen zweifeln die Enthüllungen des Agenten Foggo dagegen. Siegfried Kauder (CDU) soll von einer „Räuberpistole“ gesprochen haben, SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte gar, es gebe "keinen Beweis“ für die geheimen CIA-Gefängnisse ("Black Sites"), berichtete die Frankfurter Rundschau.

Bei den offiziellen Stellen in Deutschland löste der Bericht der New York Times über Geheimflüge und –gefängnisse der CIA in Europa nach Angaben des Blattes „gesammeltes Schweigen“ aus. Bundeskanzleramt, Innenministerium, Auswärtiges Amt und Bundesnachrichtendienst (BND) seien zu keinem Kommentar bereit gewesen.

Auch auf der Regierungs-Bundespressekonferenz am Montag wurde das Thema ausgespart.

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Quellen:

(1) Der Bericht von Dick Marty: http://assembly.coe.int/CommitteeDocs/2006/20060606_Ejdoc162006PartII-FINAL.pdf
(2) In Dick Martys Bericht werden Rabat (Marokko), Kiejkuty beim Flughafen Szymany in Polen und ein Ort nahe Bukarest (Rumänien) als mögliche Standorte der geheimen CIA-Gefängnisse genannt.
(3) Für Foggi zahlte sich die Arbeit aus. Er wurde 2004 geschäftsführender Direktor in der CIA-Zentrale in Langley. Mittlerweile wurde er aufgrund seiner Verwicklung in eine Schmiergeldaffäre zu drei Jahren Haft verurteilt.

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