Innenpolitik

Gigantischer Pfefferspray-Einsatz gegen Castor-Gegner. FDP-Parlamentarier kritisiert Verwendung des Reizgases

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Von REDAKTION, 1. Dezember 2010 –

Die Bundespolizei hat bei ihrem Castor-Einsatz fast 2.200 Kartuschen mit synthetischem Pfefferspray gegen Atomkraftgegner versprüht. Das ergab die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/3731) im Deutschen Bundestag.

Die Bundesregierung habe mitgeteilt, das nach dem Einsatz seitens der Bundespolizei „ein Ersatzbedarf von 2190“ Sprühgeräten angezeigt worden sei, heißt es daraufhin in einer Presserklärung der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion Die Linke, Ulla Jelpke vom 1. Dezember.

Schon die Dimension dieses Reizgaseinsatzes zeige, welcher Polizeigewalt die Demonstranten ausgesetzt gewesen seien. Mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel sei das schlechterdings unvereinbar. Jelpke wies darauf hin, dass es sich bei Pfefferspray um eine Waffe handle, die schon mehrfach Todesopfer gefordert habe. Sie gegen Demonstranten oder Sitzblockierer zu verwenden, hält sie daher für absolut illegitim. Der extensive Gebrauch von Pfefferspray bekräftige, wie berechtigt die Klagen über massive Gewaltanwendung durch die Polizei bei den Protesten waren. (1)

Die Gefährlichkeit des Einsatzes von Pfefferspray sehen die Linkspolitiker durch ein von Björn Schering (Büro der Bundestagsabgeordneten Karin Binder) verfasstes Gutachten bestätigt. Darin heißt es unter anderem, dass der Körper auf Pfefferspray mit heftigen Symptomen reagiere, die zu einer meist vorübergehenden körperlichen Beeinträchtigung führten und auch bleibende körperliche Schäden nicht auszuschließen seien. (2)

Unerwarteten Beistand erhielten die Linkspolitiker von dem FDP-Abgeordneten Erwin Lotter. Dieser schrieb am 29. November 2010 einen offenen Brief an den Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Darin heißt es: „Als Arzt und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages kann ich die durchaus begründeten medizinischen Implikationen dieses Gutachtens nicht ignorieren. Auch nach Bereinigung um die „oppositionelle Begleitmusik“ (etwa über die Recht- und Verhältnismäßigkeit der Ausübung hoheitlicher Zwangsgewalt bei Demonstrationen) halte ich es im Hinblick auf die gesundheitliche Unversehrtheit der Demonstranten, aber auch mit Rücksicht auf die Polizisten – die durch den Grundtenor der Diskussion bei „Pfefferspray“-Einsätzen zukünftig pauschal dem inkriminierenden Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit ausgesetzt werden – für dringend geboten, das Thema einer sachlichen Klärung durch das Bundesministerium des Inneren, gegebenenfalls in fachlicher Kooperation mit dem Bundesministerium für Gesundheit, zu unterziehen.“ (3)

Lotter regt insbesondere an, weniger gesundheitsschädliche, aus dem internationalen Vergleich gewonnene Alternativen zum Pfefferspray-Einsatz zu prüfen.  

Die Linken-Abgeordnete Jelpke machte auf den zunehmenden Einsatz von Gewaltmitteln und die Beteiligung von Militärs bei Demonstrationen aufmerksam. Nicht nur hätten laut Auskunft der Bundesregierung bereits im Vorfeld des Castor-Transportes Ende Oktober mehrfach Tornado-Flugzeuge des Aufklärungsgeschwaders 51 Immelmann den Raum Gorleben-Dannenberg überflogen, deren technische Ausstattung eine Beobachtung von Geländeveränderungen am Boden erlaubten. Darüber hinaus seien neben Polizisten aus Frankreich, der Türkei und Russland auch drei Angehörige der Königlichen Marechaussee, einer dem niederländischen Verteidigungsministerium unterstehenden paramilitärischen Einheit, beim Castor-Einsatz zugegen gewesen. (4)


(1) http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=1778

(2) http://www.karin-binder.de/fileadmin/mdb-seiten/mdb-binder/2010-pdf-dok/Gutachten_-_Einsatz_von_Pfefferspray.pdf

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(3) http://www.lotter-liberal.de/files/18925/Offener_Brief_Pfefferspray-29-10-2010.pdf

(4) http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=1778

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