Innenpolitik

Linke fordern: BKA-Gesetz zurückziehen

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Von HELMUT LORSCHEID, 16. September 2008:

In der gestrigen Anhörung des Bundestagsinnenausschusses wurden von mehreren Sachverständigen massive  Bedenken gegen die Neufassung des BKA-Gesetzes (1) geäußert. Der Gesetzentwurf ist heftig umstritten. Er wird von Bürgerrechtlern und anderen Kritikern als ein Meilenstein auf dem Weg zu einem deutschen FBI angesehen. (2) Öffentlich diskutiert wurde bisher vor allem die geplante Onlinedurchsuchung und die zusätzlichen Kompetenzen des BKA, vor allem gegenüber der Länderpolizei.

In einer gemeinsamen Stellungnahme sprachen sich ARD und ZDF, private Rundfunk- und Telemedien, der Bundesverband der Zeitungsverleger, der Deutsche Presserat, die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Journalisten Verband einhellig gegen das Gesetz in seiner derzeitigen Fassung aus: „Würde der Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Fassung verabschiedet, würde der Informantenschutz abermals, und zwar in gravierender Weise, verschlechtert. Künftig könnte z.B. von Journalisten die Herausgabe von Recherchematerial verlangt und dies notfalls mit Zwangsgeld, Beugehaft und Redaktionsdurchsuchungen durchgesetzt werden. (…) Der Gesetzentwurf ist nach Auffassung der genannten Verbände geeignet, den durch das Zeugnisverweigerungsrecht bezweckten Schutz der Informanten und den Schutz einer von staatlichen Eingriffen ungestörten Redaktionsarbeit nachhaltig zu beschädigen.“  (3)

Auch die Bundesrechtsanwaltskammer sowie die Evangelische und Katholische Kirche äußerten erhebliche Bedenken gegen den Gesetzestext, insbesondere hinsichtlich der Aushöhlung des bisher geltenden Zeugnisverweigerungsrechts. (4)

Der ehemalige Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde, Ex-.BND-Präsident und Ex-Staatssekretär Dr. Hansjörg Geiger, kritisierte in seiner neuen Rolle als Professor der Universität Frankfurt/Main den Gesetzentwurf. Geiger beklagte, dass zwar die Abwehr des so genannten „internationalen Terrorismus“ als Ausgangspunkt für die Übertragung neuer Kompetenzen an das BKA diene, im Gesetzestext aber der Begriff „Terrorismus“ nicht definiert sei. Geiger kritisierte ferner, dass auch die Daten so genannter „Kontakt- und Begleitpersonen“ eines Verdächtigen erfasst werden sollen. „Dies bedeutet“, so Geiger, „dass sich Maßnahmen gezielt gegen diese Personen richten können, auch wenn diese die Gefahr nicht selbst herbeiführten. (…) In Anbetracht der (…) Befugnisse zu akustischer und optischer Wohnraumüberwachung gegen die Kontakt- und Begleitpersonen, (…) ist der Kreis viel zu weit gezogen und nicht hinreichend präzise.“ (5)

Nach Auffassung des Bundesdatenschutzbeauftragen Peter Schaar wirft der Entwurf „erhebliche datenschutzrechtliche Fragen auf, sowohl hinsichtlich der Abgrenzung der gesetzlichen Befugnisse zur Datenerhebung zwischen Bund und Ländern als auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden“. (6) Zwar versprach der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dr. Dieter Wiefelspütz eine Überarbeitung wichtiger Passagen des Gesetzes, aber Oppositionsabgeordnete machen sich keine großen Illusionen hinsichtlich einer grundlegenden Änderung des BKA-Gesetzes.

Für Wolfgang Wieland (MdB Bündnis 90/Die Grünen) besteht überhaupt keine Notwendigkeit für ein solches Gesetz. Gegenüber HINTERGRUND erklärte Wieland, er sehe die Gefahr, dass hier „ein zentrales deutsches FBI entsteht, mit vollen Geheimdienstkompetenzen.“ (7) In der weiteren parlamentarischen Beratung werde seine Fraktion alles versuchen, dieses Gesetz zu ändern und entsprechende Änderungsanträge stellen. Darüber hinaus haben Die Grünen bereits beschlossen, gegebenenfalls gegen dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.

Als Konsequenz aus der Anhörung  fordert die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Ulla Jelpke: „Die Bundesregierung soll das Gesetz nun schleunigst zurückziehen." (8)  Jelpke weißt daraufhin, dass selbst Experten, die von den Regierungsfraktionen eingeladen wurden, etliche Passagen des Gesetzentwurfs für hoch problematisch hielten.. Das BKA-Gesetz drohe die Bürgerrechte massiv zu beschädigen. Die Reichweite der geplanten Überwachungsmaßnahmen sei angesichts unscharfer Terrorismus-Definitionen nahezu unbegrenzt. Kein Bürger könne sich in Zukunft mehr sicher sein, welche Handlungen beziehungsweise Äußerungen ihn zum Gegenstand von Lausch-, Späh- oder Online-Angriffen machen. „Außerdem maßt sich der Bund bei der Gefahrenabwehr Kompetenzen an, die ihm von Verfassungswegen nicht zustehen“, argumentiert Ulla Jelpke.

(1) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609588.pdf

(2) http://www.hintergrund.de/index.php?option=com_content&task=view&id=215&Itemid=63) und
http://www.hintergrund.de/index.php?option=com_content&task=view&id=197&Itemid=63

(3 Gemeinsame Stellungnahme von ARD, BDVZ, DJV, Deutscher Presserat, VDZ, Ver.di, VPRT, ZDF vom 11. September 2008

(4) Stellungnahmen des Beauftragten des EKD und des Kommissariat der Deutschen Bischöfe vom 10.9.08 und der Bundesrechtsanwaltskammer vom 10.9.08

(5) Innenausschuss…Stellungnahmen zum BKA-Gesetz“ Seite 19

(6)  Innenausschuss…Stellungnahmen zum BKA-Gesetz“ Seite 163

(7) Telefonat mit Wolfgang Wieland, 15.9. 08

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(8) Presseklärung Ulla Jelpke, 15.9.08 http://www.ulla-jelpke.de/news_detail.php?newsid=980

http://www.hintergrund.de/index.php?option=com_content&task=view&id=215&Itemid=63

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