Innenpolitik

Nötigung zum Kampfeinsatz

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Vor zehn Jahren zog Gerhard Schröder die Bundeswehr in einen sinnlosen Krieg in Afghanistan –

Von THOMAS WAGNER, 16. November 2011 –

Genau zehn Jahre ist es nun her, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder die Bundestagsabgeordneten der Regierungsparteien SPD und Grüne mit der Vertrauensfrage dazu nötigte, für einen Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu stimmen. Am 16. November 2001 führte der SPD-Politiker auf diese Weise eine radikale Kehrtwende in der deutschen Außenpolitik herbei, die nach 1945 die Bundeswehr zunächst als reine Verteidigungsarmee vorgesehen hatte.  

Mit der Zusicherung der „uneingeschränkten Solidarität“ Deutschlands nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte der Kanzler die entscheidende Weiche gestellt. Als die USA wenig später  in Afghanistan ihren vorgeblichen Krieg gegen den Terror begannen, sollten deutsche Soldaten mit dabei sein.

Bundeskanzler Schröder – am 16. November 2001 verband er die Vertrauensfrage mit der Abstimmung über die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan.

Den Widerstand in den Reihen der ehemals pazifistischen Grünen und der zum Teil mit der Friedensbewegung verbundenen Sozialdemokratie hoffte Schröder mit der Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes brechen zu können. Und er behielt mit diesem Vorgehen in machtpolitischer Hinsicht recht.

Zwar trat die SPD-Abgeordnete Christa Lörcher in Folge der Abstimmung aus ihrer Partei aus, doch nach der Bundestagsdebatte bekam Schröder die überwältigende Mehrheit der Stimmen der Regierungsfraktionen für seine Kriegspolitik. Seitdem wurde der zeitlich befristete Militäreinsatz in Afghanistan immer wieder von den Parlamentariern verlängert.

In dem sinnlosen Krieg, der in den ersten acht Jahren nicht so heißen durfte, starben mehr als 50 deutsche Soldaten und Tausende afghanischer Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder. Unzählige weitere wurden an Leib und Seele versehrt, viele für den Rest ihres Lebens. Bei einem von Bundeswehroberst Georg Klein befohlenen Luftangriff auf zwei von Aufständischen entführte Tanklastwagen starben am 4. September 2009 weit über hundert Zivilisten.

Ein 42 Monate lang tagender Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages zu dem Massaker beendete am 27. Oktober 2011 seine Arbeit, ohne zu einem einvernehmlichen Fazit zu kommen. Opferanwalt Karim Popal kämpft seit Jahren für eine angemessene Entschädigung der Opfer. Darunter viele Ehefrauen und Waisen, die mit dem männlichen Haushaltsvorstand nicht nur einen geliebten Menschen, sondern zugleich auch ihre ökonomische Existenzbasis verloren haben. (1)

Im gleichen Zeitraum wurde die Wehrpflicht abgeschafft. Der wegen Betrugs der Öffentlichkeit von seinem Amt zurückgetretene Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nahm eine dramatische Strukturveränderung der deutschen Streitkräfte in Angriff, die von seinem Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) konsequent fortgesetzt wird.

Eine deutlich verkleinerte, aber für offensive Zwecke besser ausgerüstete deutsche Interventionsarmee, soll künftig zeitnah und flexibel weltweit in die Verteilungskämpfe um Rohstoffe eingreifen können. Früher nannte man das  imperialistische Aggression, heute humanistische Intervention.

Kritische Bundeswehroffiziere haben kritisiert: „Die Neuausrichtung der Bundeswehr folgt nicht dem Friedensgebot des Grundgesetzes.“ (2)

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Die Mehrheit der deutschen Parlamentarier scheint das nicht zu stören. Als einzige Fraktion hat sich Die Linke dem bellizistischen Sog bislang geschlossen verweigert.

(1) http://www.kanzlei-popal.de/aktuelles.php#kundus
(2) http://www.darmstaedter-signal.de/aktuell/20111030_PM_84.AT_AkDS_Bundeswehrreform.php

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