Innenpolitik

Unwürdiger Umgang mit den Opfern

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Ein Jahr nach dem Massaker von Kundus wächst die Kritik an der Entschädigungspraxis der Bundesregierung

Von THOMAS WAGNER, 03. September 2010 –

Wenige Tage vor dem ersten Jahrestag des von Bundeswehroberst Georg Klein befohlenen Bombardements auf zwei von Aufständischen entführten Tanklastwagen in der Provinz Kundus, bei dem am 04. September 2010 zahlreiche Zivilpersonen getötet wurden, sind im Verantwortungsbereich der deutschen Besatzungstruppen in Nordafghanistan erneut mindestens zehn Zivilisten durch einen NATO-Luftangriff ums Leben gekommen.

Es handelt sich um die Mitarbeiter eines Parlamentskandidaten, die in der Provinz Tachar in mehreren Fahrzeugen auf dem Weg zu einer Wahlveranstaltung waren, als sie aus der Luft beschossen wurden. Das teilte ein Sprecher der Provinzregierung am Donnerstag mit.  Der Politiker Abdul Wahid Khurasani, der sich bei der Wahl am 18. September um einen Sitz im Parlament von Kabul bewerben wollte, sei dabei verletzt worden. Präsident Hamid Karsai verurteilte den von der ISAF bestätigten Angriff.

Unterdessen wird die Kritik an der Höhe der vom Bundesverteidigungsministerium bisher zugesagten Entschädigungssumme für die Opfer des Kundus-Bombardements vom 04. September 2010 immer lauter.

Anfang August hatte das Verteidigungsministerium verkündet, nur 5000 Dollar (3900 Euro) pro Opfer zur Verfügung stellen zu wollen. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele bezeichnete diese Entschädigungsregelung als unzureichend. Die Linke-Abgeordnete Christine Buchholz sprach von einem „unwürdigen“ Umgang mit den Opfern. Für diesen Samstag hat die Friedensbewegung eine Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin und ein Gedenken in der Heilig-Kreuz-Kirche geplant. Beide Gedenkveranstaltungen werden von den Grünen und der Linken unterstützt.

Der Bremer Anwalt der Opfer, Karim Popal, forderte am Donnerstag jeweils 33.000 US-Dollar (28.000 Euro) für 113 Tote und damit sieben Mal so viel wie das Bundesverteidigungsministerium bisher zugesagt hat. Notfalls werde er auf Erhöhung der Summe klagen, sagte der Jurist. Popal beruft sich darauf, dass unter dem früheren Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in einem Fall 33.000 Dollar für zivile Opfer gezahlt worden seien.

Um seine Glaubwürdigkeit zu zerstören, war gegen den Menschenrechtsanwalt eine Medienkampagne gestartet worden, über die Hintergrund berichtet hat. (1)

Die genaue Zahl der Opfer ist immer noch umstritten. Die Bundeswehr geht von 91 Toten und 11 schwer Verletzten aus. Die NATO war, laut dpa, in ihrem ursprünglichen Untersuchungsbericht auf mindestens 142 Tote oder Verletzte gekommen. Nach Popals sehr gründlichen Recherchen wurden 137 Menschen getötet. Verletzte und Vermisste eingerechnet, kommt er auf 179 zivile Opfer. (2)

Dazu kommen 5 getötete Aufständische. Juristisch verwertbare Dokumente kann er aber nach eigener Aussage nur von 113 Opfern beibringen. .

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(1) http://www.hintergrund.de/20100615950/hintergrund/medien/report-mainz-und-die-medienkampagne-gegen-karim-popal.html

(2) http://www.hintergrund.de/20100111656/globales/kriege/sind-afghanische-menschenleben-weniger-wert-als-deutsche.html;  http://www.hintergrund.de/20091127540/politik/inland/tatsaechliche-opferzahlen-des-massakers-von-kundus-bekanntgegeben-179-zivile-opfer-und-5-taliban.html

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