Innenpolitik

Warum flog Wulff auf Karp? Der Bundespräsident steckt mitten in einer Parteispendenaffäre

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Von THOMAS WAGNER, 17. September 2010 –

Haben die Stadtwerke Wolfsburg die Wahlkämpfe der CDU unterstützt? Und haben der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff oder sein Amtsnachfolger David McAllister (beide CDU) etwas damit zu tun? Immerhin war der Hauptbeschuldigte Markus Karp laut Presseberichten der Wahlkampfleiter des heutigen Bundespräsidenten Wulff. (1)  

Für die Staatsanwaltschaft Braunschweig sind die Verdachtsmomente jedenfalls so stichhaltig, dass sie am Donnerstag Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue einleitete. Und die Bundestagsverwaltung in Berlin kündigte an, die Vorgänge ebenfalls prüfen zu wollen. Denn nach dem Parteiengesetz obliegt es dem Bundestagspräsidenten dafür zu sorgen, dass es keine Verstöße gegen das Parteienfinanzierungsgesetz gibt.

Der mittlerweile auf eigenen Wunsch beurlaubte Wolfsburger Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Markus Karp (links) war Berater von Christian Wulff. Das Foto zeigt die beiden im September 2003.

Von den Vorwürfen betroffen sind der mittlerweile auf eigenen Wunsch beurlaubte Wolfsburger Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Markus Karp und der inzwischen gekündigte ehemalige Pressesprecher Maik Nahrstedt. Beide stehen unter Verdacht, Wahlkämpfe für die CDU teilweise mit Mitteln der Stadtwerke bestritten zu haben. Dabei geht es auch um die Kampagne zur Landtagswahl 2003, in deren Folge Christian Wulff zum niedersächsischen Ministerpräsidenten gekürt wurde. Oberstaatsanwalt Joachim Geyer sagte: „Eine intensive Prüfung der Unterlagen hat für uns einen Anfangsverdacht erbracht.“

Die Opposition im niedersächsischen Landtag will nun vom damaligen CDU-Generalsekretär McAllister und dem damaligen CDU-Landeschef Wulff erfahren, ob sie von der Veruntreuung öffentlicher Mittel wussten. Doch bislang schweigen die CDU-Politiker. Presseberichten zufolge sagte Ministerpräsident McAllister am Mittwoch ein Interview beim NDR kurzfristig wieder ab und auch Wulffs Präsidialamt verweigert bislang jede Stellungnahme. (2)

Den Stein ins Rollen gebracht hatte der ehemalige Stadtwerke-Pressesprecher Maik Nahrstedt. Unterstützt von zwei Prokuristen hatte er sich selbst und seinen Chef Karp in einem 14-seitigen Schreiben an den Aufsichtsrat bezichtigt, 2001 und 2006 die Wahlkämpfe von Wolfsburgs Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU) sowie den Wahlkampf von Christian Wulff zum Ministerpräsidenten 2003 zum Teil auf Kosten der Stadtwerke geführt zu haben. Das Unternehmen habe Wahlkämpfe der CDU mit bis zu einer Million Euro unterstützt. Er selbst habe auf Anweisung Karps die Hälfte seiner Arbeitszeit für die Christdemokraten aufgewendet, behauptet Nahrstedt. (3) Karp und Schnellecke wiesen die Vorwürfe zurück.

Der Landesgeschäftsführer der niedersächsischen SPD Michael Rüter kommentierte den Vorgang mit den Worten: „Sollten sich die Vorwürfe des suspendierten Pressesprechers der Stadtwerke bestätigen, hätte die CDU nicht nur der Stadtwerke AG Wolfsburg einen enormen wirtschaftlichen Schaden zugefügt, sondern auch das Ansehen der politischen Parteien erneut ramponiert“. (4)  

Gegen Markus Karp ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen möglicher Untreue, sondern auch wegen Vorteilsgewährung. Insgesamt gibt es bei der Braunschweiger Anklagebehörde mittlerweile vier Anzeigen im Zusammenhang mit den Stadtwerken. Zunächst gingen bereits im vorigen Jahr anonyme Briefe ein, in denen Stadtwerkchef Karp Korruption, persönliche Vorteilsnahme und Bedrohung vorgeworfen wurde. Karp erstattete daraufhin Anzeige.

Nachdem Nahrstedt in Verdacht geraten war, der anonyme Schreiber zu sein, ließ die Staatsanwaltschaft im August sowohl Nahrstedts Büro als auch seine Wohnung durchsuchen. Ein Ergebnis liegt nach Angaben des Sprechers der Behörde aber noch nicht vor. Eine weitere Anzeige, diesmal gezeichnet von Nahrstedt, erreichte die Staatsanwaltschaft Anfang September. Das neu gewählte Betriebsratsmitglied stellte Anzeige wegen versuchter Nötigung und Beeinflussung eines Betriebsratsmitglieds. Am Mittwoch folgte dann eine Anzeige des Aufsichtsrates gegen Nahrstedt und einen der Prokuristen. Sie sollen VIP-Karten für den Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg hinter dem Rücken des Vorstandes vergeben haben. Die vierte Ermittlungsakte wurde von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue bei Karp und Nahrstedt selbst angelegt.

Für den heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff könnte die Affäre zum Fallstrick werden, denn er hatte im Landtagswahlkampf eng mit Karp zusammengearbeitet. „Wulff flog total auf Karp“, soll sich ein Politiker aus dem CDU-Führungskreis an die Stimmung vor der Landtagswahl 2003 erinnert haben. (5) Der ewige Wahlverlierer Wulff habe endlich in die Staatskanzlei gewollt und sei davon beeindruckt gewesen, wie der junge Kommunikationsexperte Karp, Fachhochschulprofessor in Brandenburg, den CDU-Mann Rolf Schnellecke als Wahlkampfmacher in der IG-Metall-Hochburg Wolfsburg in den Oberbürgermeistersessel gehievt habe. Deshalb sei Karp der Koordinator für Wulffs Landtagswahlkampf geworden.

Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, erklärte deshalb: „Sowohl der frühere als auch der amtierende Ministerpräsident des Landes haben eng mit dem Beschuldigten zusammengearbeitet“. (6) Er meinte damit Karp. Seine Fraktion wolle nun wisse, „ob sich Christian Wulff und David McAllister sowohl des Personals als auch der finanziellen Ausstattung der Stadtwerke Wolfsburg bedient haben, um sich den Weg an die Macht zu bahnen.“ (7)

(1) http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/472005/artid/12936371

(2) http://www.neues-deutschland.de/artikel/179817.sprudelte-aus-wolfsburgs-stadtwerken-geld-fuer-cdu-wahlkaempfe.html

(3) http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/harz/stadtwerkewolfsburg109.html

(4) http://www.vorwaerts.de/lokal/fragwuerdige-wahlkampfhilfe

(5) http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/472005/artid/12936371

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(6) http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/472005/artid/12936371

(7) http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/472005/artid/12936371

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