Weltpolitik

Iran: Der König der Twitter-Schwindler

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von JÜRGEN CAIN KÜLBEL, 15. JULI 2009 –

Internetaktiver Schah-Anhänger blufft mit einem realen Snuff-Video, die Basidschi, jene Freiwilligen der Revolution, hätten während der Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen im Iran vier Studenten ermordet.

Ein dumpfer Schlag. Die Finger des Gepeinigten, dessen Arme auf dem Rücken zusammengezurrt sind, der soeben aus großer Höhe in gekrümmter Position mit Kopf und Knien auf hartem Untergrund aufgeschlagen war, spreizen sich, langsam, ganz langsam, ehe sie im Moment des Todeseintrittes verharren. Das Blut des Zerschmetterten, seine Gehirnmasse, die den Boden tränkt, vermischen sich mit dem Blut, dem Hirn der anderen, die dort vor ihm aufschlugen, die auf eine besonders heimtückische Art und Weise getötet worden waren.

Vier Morde in zweiundvierzig Sekunden. Das geht so: Uniformierte auf dem Dach eines Hauses zwingen zivil gekleidete Menschen mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen über die Brüstung, versetzen den armen Seelen einen Stoß, so dass die nach etlichen Metern Sturzflug hilflos und in unglücklicher Position auf dem Grund aufschlagen, meist auf dem Schädel, so dass der unmittelbare Tod eintritt. Eifrige Uniformierte beräumen die Stelle eilig, nicht etwa, um die Beweise ihrer Mordbrennerei zu beseitigen, nein, um schnell Platz für die anderen noch zu Tötenden zu schaffen. Fließbandarbeit, gut durchorganisiert.

Der Beweis für den Mehrfachmord, der tatsächlich stattgefunden hat, angeblich im Juni oder Juli 2009, also im Iran dieser Tage, liegt nach Angaben des iranischen Web-Dissidenten „Mihanam IRAN“ vor, denn das abartige Menschenschlachten wurde auf einem so genannten Snuff-Video (1) (vom englischen to snuff out = umbringen) für die Ewigkeit festgehalten. Konsequent daher sein medialer Aufschrei und der der iranischen Opposition, die dieses Video am 9. Juli 2009 im Internet, bei Twitter, Facebook, AOL (2), Youtube in Umlauf brachte: „Das wahre Gesicht des islamischen Regimes. Das islamische Regime in Aktion – Sie werfen Studenten vom Dach der Universität. Was diese Studenten möchten: Freiheit, Menschenrechte. Wir (die Iraner) benötigen jedermanns Hilfe auf dieser Welt.“ (3) YouTube wusste genaueres zu berichten: „Die Basidschi-Terroristen werfen die armen iranischen Studenten vom Dach der Universität in Shiraz.“ (4)

„Mihanam Irans“ Video wird mittlerweile auch in Deutschland verbreitet, unter anderem durch die „Freunde der Offenen Gesellschaft “ (5), Herzensbrüder des Spiegel-Autors Henryk Broder, der sie auf seiner Webseite verlinkt , weil die sich „Schritt für Schritt von linken Gewissheiten verabschiedet haben“. Dort heißt es: „Milizionäre schmeißen Studenten in den Tod. Wer das hier verlinkte Video schaut, braucht starke Nerven. Es zeigt, wie brutal die Mullahs morden lassen. Vom Dach der Universität werden Studenten sicher 10 Meter hinab geworfen. Sie sind an den Händen gefesselt und strampeln um ihr Leben, um dann leblos am Boden liegen zu bleiben. Drei feige Morde sind auf diesem Video zu sehen. Es waren wohl nicht die einzigen. Trotzdem: Weiterverbreiten, aber nur schauen, wenn man das kann.“

Ja, es gab tatsächlich am 20. Juni 2009 in jener im Südwesten des Iran gelegenen Stadt Shiraz, wie YouTube präzisierte, Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Polizei, doch keine Mordserie dieser Art. Denn das, was Web-Dissident „Mihanam Iran“, der nach Recherchen des Autors in Toronto lebt, 48 Jahre alt ist, im bürgerlichen Leben Azadiyeh Mihanam heißt, sich auch gern David nennt, der Welt auftischte, ist nicht nur Desinformation, es ist schlichtweg kriminell. Der Internet-Gangster stellte nämlich ein Video ins Netz, das mindestens zwei Jahre alt ist. Eingestellt wurde es am 9. März 2007 auf Nothingtoxic (6), am 7. Februar 2008 auf Little Midgets (7) und am 21. August 2008 auf LiveLeak.com (8) unter dem Titel „Irakische Gefangene werden gezwungen von einem Gebäude zu springen “. Die Videos wurden seit 2007 auch von Internetusern diskutiert.

Die Ungeduld der „grünen“ Revoluzzer im Iran samt ihrer Dirigenten im Exil ist offenbar ausgereizt ob des ins Stocken geratenen „Regimewechsels“ in Teheran. „Mihanam Irans“ Versuch, der auf seiner Homepage 512 Kontakte (9) hat, der darauf Werbung für die „Befreiungsarmee USA in Irak“ macht und den verjagten Schah Reza Pahlevi (10) und dessen Sohn im Exil, der als Vorsteher einer Marionettenregierung für den Iran Gewehr bei Fuß steht, verherrlicht, ist kläglich gescheitert. Da nützt es ihm auch nicht, dass er den „Twitteraccount, der in die Geschichte eingehen wird“ (11), so die Neue Zürcher Zeitung, jenen Blog mit der Twitteradresse „#iranelection“, die ein „Liveprotokoll des Horrors“ biete, mit seiner Video-Lüge bediente. Dort ist der beinahe fünfzigjährige als „I_D_A_C_O“ (12) unterwegs oder auch als „sparklehayter“ (13). Aus eben diesem „Liveprotokoll des Horrors“ schöpft die westliche Presse ihr „Wissen“ um die Vorgänge in Iran. Auch dann, wenn im Iran das Handynetz teilweise oder ganz abgeschaltet war, es keinen Strom gab. Denn dank der fleißigen Twitter-User in Übersee, wie im Fall des Iran-Exilanten und Video-Betrügers Azadiyeh Mihanam aus Toronto, läuft die Propagandamaschine trotzdem heiß und bietet ihre schaurig „wahrhaftigen“ Videosequenzen aus dem „islamo-faschistischen“ Iran an.

Das alternde Schah-Groupie „Mihanam Iran“ hat das Twitter-Unternehmen „#iranelection“ Gott sei Dank nicht nur diskreditiert, nein, jener Herr Azadiyeh Mihanam hat indirekt einen Offenbarungseid geleistet, da er aufzeigte, wer welche Fäden in der „Nachrichtenerstattung“ aus dem Iran zieht und gezogen hat. Merkwürdig, weder Broders Freunde noch die Exil-Iraner wollen das Video entfernen, obwohl ihnen die Entstehungsgeschichte längst bekannt ist. O-Ton des Exilanten “Yuzarship” am 10. Juli 2009: “Es sagt nicht Iran oder Irak, es sagt, das ist das ‘wahre Gesicht des islamischen Regimes’, dem beide folgen“. Ergo, so „hhoseinz“: “Bitte sendet diesen Film an alle Fernsehstationen in der Welt, die Vereinten Nationen, die europäischen und die US-Regierung”. (14) In der Tat, dort wäre der Stoff gut aufgehoben.


Vgl. auch: Iran – Das Scheitern des “grünen” Putsches von Jürgen Cain Külbel bei Hintergrund

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Quellen:

(1) http://mashrote.multiply.com/video/item/191 oder hier: http://video.aol.com/video-detail/mihanam-iran-iran-today-62-islamic-regime-in-action/1819156545
(2) http://video.aol.com/video-detail/mihanam-iran-iran-today-62-islamic-regime-in-action/1819156545
(3) http://mashrote.multiply.com/video/item/191
(4) http://209.85.135.132/search?q=cache:FKyPs3XoxZMJ:www.youtube.com/ watch%3Fv%3DV_t9w1SFFzg+iran+Throwing+the+student+from+the+roof+of+ university&cd=5&hl=de&ct=clnk&gl=de
(5) http://fdog.wordpress.com/2009/07/11/iranian-update-090710-milizionare-werfen-studenten-vom-dach/
(6) http://www.nothingtoxic.com/media/1188791819/Prisoners_in_Iraq_Forced_to_Jump_Off_of_a_Building
(7) http://www.littlemidgets.com/detail.php?type=2&content=56936&cf=
(8) http://www.liveleak.com/view?i=ad1_1219310824&to_friend=1
(9) http://mashrote.multiply.com/contacts
(10) http://mashrote.multiply.com/photos/album/9/9
(11) http://www.nzz.ch/nachrichten/medien/gezwitscher_aus_iran_1.2769250.html
(12) https://twitter.com/I_D_A_C_O
(13) http://209.85.135.132/search?q=cache:DAY6QRncbVYJ:twitter.com/sparklehay ter+iran+Throwing+the+student+from+the+roof+of+university&cd=9&hl=de&ct=clnk&gl=de
(14) http://mashrote.multiply.com/video/item/191

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