Weltpolitik

Obama –„yes we can!“

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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In US-„Kriegsgefängnissen“ darf weiter gefoltert werden.

Von REGINE NAECKEL, 23. Februar 2009 –

Unisono nimmt die Presse von FAZ bis Spiegel Abschied von der selbstkonstruierten Illusion Barack Obama. Von „Change“ keine Rede mehr, seit die Entscheidung über die Beibehaltung des US-Militärgefängnisses im afghanischen Bagram gefallen ist und der Folterkammer Guantánamo „humane“ Haftbedingungen bescheinigt wurden. „Obama und die Bush-Methoden: Die Hoffnung hat sich zerschlagen“ schreibt die FAZ, „Obama setzt harten Bush-Kurs fort“ jammert plötzlich Spiegel-Online. Dort, wo man den neuen US-Präsidenten als „charismatischen Führer“ bejubelte und ihm international mit in den Sattel half, ist nun Heulen und Zähneklappern angesagt.

Das verwundert, denn aufmerksame Journalisten hätten schon früher die Linie Obamas richtig interpretieren können, wären sie nicht der hollywoodesken Phantasmagorie auf den Leim gegangen, sondern hätten statt dessen den Aussagen des einstigen Bewerbers um das Amt des Präsidenten sorgfältiger zugehört oder spätestens die Zusammensetzung des neuen Kabinetts etwas ausführlicher analysiert – wie das eigentlich ihr Job wäre.

Tatsache ist nun: es bleibt alles beim Alten!Der Gefangenentrakt auf der US-Basis Bagram – mittlerweile weitaus größer als Guantanamo – bleibt wie und wo er ist. Über 600 „Terrorverdächtige“ – mehr als doppelt so viele wie in Guantanamo – sitzen dort ohne Recht auf einen Anwalt oder ein rechtsstaatliches Verfahren fest. Bereits im Rahmen der CIA-Entführungsoperationen war das Lager in der Nähe Kabuls zu berüchtigter Berühmtheit gelangt und die Regierung Bush argumentierte genauso wie jetzt Obama: Weil die Insassen in Afghanistan oder Pakistan festgenommen worden seinen, gelte für sie das Kriegsrecht. Und das bedeutet nach US-amerikanischer Lesart: Misshandlungen und Folter bei Verhören – alles das unterliegt laut Kriegsrecht der Geheimhaltung. „Im Dezember 2002 starben zwei Afghanen durch Schläge von US-Soldaten. Der Tod des Taxifahrers Dilawar, angeblich ein Kurier für al-Qaida, ist in dem Film "Taxi to the dark side" düster beschrieben. US-Soldaten berichten in der Doku, wie sie Gefangene mit Haken an der Decke aufgehängt haben, Amateurfotos zeigen blutverschmierte Drahtkäfige, in denen die Insassen hausen mussten. „Bagram ist noch immer ein schwarzes Loch“, fasst Carroll Bogert von Human Rights Watch zusammen, „das Lager ist abgeschotteter als Guantanamo“, konstatiert Matthias Gebauer im Spiegel ganz richtig. Doch auch er will noch nicht alle Hoffnung auf Obama schwinden lassen: Die Stellungnahme der neuen Regierung ist noch nicht das letzte Wort in der Sache, glaubt er.

Guantanamo – Haftbedingungen sind „human“

Weitere Hoffungen in die neue US-Regierung wurden für Viele – Juristen, Menschenrechtler und Journalisten, die an Obama geglaubt hatten – durch das aktuelle Pentagon-Gutachten über Guantanámo zunichte gemacht. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Haftbedingungen in Guantánamo Bay den Bestimmungen der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen entsprechen und „human“ seinen.

Was sollte auch plötzlich anderes aus dem Pentagon vermeldet werden unter dem neuen alten immer noch gleichen Bush-Obama-Verteidigungsminister Robert Gates, der ab 1966 mit kurzen Unterbrechungen bei der CIA war, sich bestens in den Verhörmethoden auskennt und deren Stil nach wie vor favorisiert? Genau diesen Robert Gates hatte Obama bei seinem Amtsantritt zur Überprüfung der Haftbedingungen binnen 30 Tagen angewiesen, um eine menschenwürdige Behandlung sicherzustellen. Das ist der neue Wind von Washington! US-Admiral Patrick Walsh – mit der Untersuchung betraut – hat sich schleunigst an die vertrauensvolle Aufgabe gemacht und kommt nun zu dem Fazit: Die Gefangenen sollten in Zukunft mehr Kontakte zueinander pflegen und gemeinsam beten dürfen.

Beten ist nun wohl auch all denen angeraten, die in Obama den messianischen Friedensfürsten sahen. Vor genau einem Monat verfügte er nämlich öffentlichkeitswirksam im Oval Office, dass die CIA in Übersee keine Geheimgefängnisse mehr unterhalten darf und dass er Guantanamo binnen eines Jahres schließen wolle. Die Realität allerdings ist nach wie vor weit von den Prophezeiungen entfernt, wie in der Bibel.

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Abschied von der Illusion bei: (alle Quellen vom 22. Februar 2009)

FAZ.net – „Die Hoffnung hat sich zerschlagen“

Spiegel-online – Obama setzt harten Bush-Kurs fort

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Financial Times Deutschland – Obama bleibt auf Bush-Linie

Frankfurter Rundschau (online) – Pentagon-Bericht nennt Guantánamo "human"

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