Weltpolitik

Trumps Perspektiven

Über Offensichtliches, Hintergründiges und Übersehenes

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Foto: TheDigitalArtist; Quelle: Pixabay; Lizenz
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Der polnische Publizist Stanislaw Strasburger beginnt seinen Essay über die „Sprache der Empathie“ mit einem längeren Zitat, in dem es um den Ukraine-Krieg geht:

Dieser Krieg ist äußerst grausam. Ein to­bendes Schlachtfeld, die Kugeln fliegen dicht an dicht, und oft sind menschliche Körper das Einzige, was sie aufhält. Vor allem die Körper junger Menschen. Die Todesrate ist extrem hoch. Und es ist doch ein wunderschönes Land, ein herrliches Ackerland, das von Kugeln und anderen Geschossen ver­wüstet wird. Es ist eine Schande, dass dieses Land immer noch schutzlos ist. Deshalb möchte ich alle Parteien an einen Tisch bringen und eine Einigung erzielen.

Dann stellt er die rhetorische Frage, ob diese Worte von Papst Franziskus oder UNO-Generalsekretär António Guterres stammen, um dann zu betonen, dass es Worte von Donald Trump aus dem Februar 2025 sind. 1

Der eigentlich Punkt Strasburgers ist jedoch nicht, Trump zu loben, sondern dass man von keinem europäischen Politiker, weder von Ursula von der Leyen oder dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk noch von Boris Pistorius oder gar Kaja Kallas derart empathische Worte in Bezug auf die Opfer des Ukraine-Krieges zu hören bekommt. Trump agiert unter der Voraussetzung der Empathie und des Strebens, diesen Krieg durch einen Waffenstillstand und Vereinbarungen mit den Kriegsgegnern zu beenden. Die maßgebenden deutschen und EU-Politiker da- gegen wollen auch weiterhin den Krieg zum Zwecke einer Niederlage Russlands »bis zum letzten Ukrainer« fortsetzen. Die USA denken – trotz oder wegen ihrer überwältigenden Militärmacht – hier in Kategorien des Waffenstillstands, während die europäischen NATO- beziehungsweise die EU-Staaten sich in Kriegsführungsszenarien wähnen, mit Kriegsmitteln, über die sie schlussendlich nicht verfügen.

Nach dem Friedensplan Trumps, der in verschiedenen Quellen referiert wurde, gehören zu dem Waffenstillstandsabkommen eine offizielle Anerkennung der Krim als Teil Russlands durch die USA, eine inoffizielle Anerkennung der russischen Kontrolle über die meisten von Russland besetzten Gebiete in Donezk, Cherson, Saporischschja und Luhansk sowie die Vereinbarung, dass die Ukraine nicht NATO-Mitglied wird. Die seit 2014 bestehenden Sanktionen gegen Russland sollen seitens der USA aufgehoben und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA intensiviert werden.

Für die Ukraine soll es Sicherheitsgarantien unter Beteiligung ausländischer Truppen geben, allerdings ohne Beteiligung der USA. Die Ukraine soll den von Russland besetzten Teil des Oblast Charkiw zurückerhalten und den Fluss Dnepr ungehindert passieren können. Die Ukraine erhält darüber hinaus Entschädigungen und Hilfen beim Wiederaufbau. Das Kernkraftwerk Saporischschja, das größte in Europa, wollen die USA betreiben und den Strom sowohl an die Ukraine als auch an Russland liefern. Hinzu sollen die Vereinbarungen der USA mit der Ukraine über die Seltenen Erden kommen. 2

Das Treffen Trumps mit Selenskyj im Weißen Haus am 28. Februar 2025, in dessen Endergebnis der ukrainische Präsident hinausgeworfen wurde, ist in Deutschland und NATO- beziehungsweise EU-Europa einhellig verurteilt worden. Der Politikwissenschaftler Thomas Jäger, einer der kommentierenden Dampfplauderer im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen, sprach von einer „PR-Aktion“ eines „TV-Showmans“. Sigmar Gabriel, früherer Außenminister und bekennender transatlantischer Anti-Trumpist, mahnte, furchtlos zu sein, Solidarität zu üben und der Ukraine jetzt erst recht zu helfen. Die Medien schienen sich in der Verurteilung des amerikanischen Präsidenten und dessen „Verrat“ an der ukrainischen Sache überbieten zu wollen. Europa sei nun auf sich allein gestellt. Tatsächlich zielte der augenscheinlich absichtliche Eklat darauf, dem ukrainischen Kostgänger seinen Platz zuzuweisen. Selenskyj sollte daran gehindert werden, die amerikanisch-russischen Verhandlungen zur Beendigung des Krieges mit eigenen Forderungen oder falschen militärischen Ansprüchen zu belasten.

Trump hatte diesen Krieg schon immer als Krieg Bidens und der Demokraten angesehen, der nicht im Interesse der USA liegt. In Brüssel galt ein Kopfschütteln über Trumps Friedensplan als mindeste Form der Ablehnung. Deshalb sollte eine „Koalition der Willigen“ mit europäischen Interessen die Ukraine weiter unterstützen und die Friedenspläne Trumps möglichst wirkungsvoll sabotieren.

Am Rande der Feierlichkeiten zur Beisetzung von Papst Franziskus hatte sich Trump am 26. April zu einem kurzen Treffen mit Selenskyj im Petersdom in Rom bereitgefunden, das auch durch den französischen Präsidenten Macron eingefädelt worden war. Die Bilder im Dom waren medienwirksam. Anschließend bekundete Trump Zweifel an „Putins Friedenswillen“ und drohte mit weiteren Sanktionen, käme er zu dem Eindruck, Putin wolle den Krieg „vielleicht gar nicht beenden“, sondern „mich nur hinhalten“. 3 In den EU-europäischen Medien begann ein verbreitetes Mutmaßen, ob Trump denn nun anderen Sinnes geworden sei. Boris Pistorius dagegen warnte, das Treffen von Trump und Selenskyj am Rande der Papst-Beisetzung bereits als Kurswechsel der USA anzusehen. „Die Signale sind höchst widersprüchlich, mal sehr freundlich, mal sehr unfreundlich.“ 4

Nun ist es deal-technisch gewiss sinnvoll, beide Konfliktseiten zu adressieren. Politisch entspringen Trumps Friedenspläne jedoch zunächst der Anerkennung der militärischen Lage: Auch eine Fortsetzung des Krieges wird die russischen Truppen nicht aus den besetzten Gebieten vertreiben, sondern nur weitere Opfer fordern. Folgerichtig hat Präsident Putin angeboten, die russische Invasion entlang der aktuellen Frontlinie zu stoppen. 5 Im Grunde sollte bereits zum 9. Mai 2025 für Putin klar sein, dass er mit dem Krieg gegen die Ukraine mehr nicht erreichen kann. Und wenn er Trump entgegenkommt, fallen am Ende auch die Sanktionen, die die EU- und NATO-Europäer auf sich allein gestellt kaum auf die Dauer aufrechterhalten können.

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ERHARD CROME (Jg. 1951) hat am Institut für Internationale Beziehungen in Potsdam-Babelsberg studiert. 1987 Habilitation. Von 2002 bis 2016 Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Geschäftsführender Direktor des WeltTrends-Instituts für Internationale Politik, Potsdam. Der Politikwissenschaftler publizierte in Verlagen der Eulenspiegel-Verlagsgruppe mehrere Bücher.

1 Berliner Zeitung, 26./27.04.2025
2 Frankfurter Rundschau, www.fr.de, 30.04.2025
3 Tagesschau, 26.04.2025
4 www.tagesspiegel.de, 28.04.2025
5 www.fr.de, 30.04.2025

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