Finanzwelt

Auswüchse der Finanzkrise: Ackermann fordert „Bad Bank“ – Börsianer unterschlägt Milliarden

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Von REGINE NAECKEL, 16. Dezember 2008 –

Das Ende der Finanzkrise ist noch lange nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Es wird noch schlimmer kommen. So schätzt der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, dass allein auf die deutschen Geldinstitute eine Abschreibungswelle durch entwertete Papiere – sogenannte „Toxic Assets“ – in dreistelliger Milliardenhöhe zukommt.[1]

Das war eines der Themen des Konjunkturgipfels am vergangenen Sonntag in Berlin, über das die Öffentlichkeit von der Regierung bisher nicht informiert wurde. Die Financial Times beruft sich bei dieser Meldung auf Berichte von Teilnehmern. Danach machten Josef Ackermann und andere Banker während der Einladung ins Kanzleramt den dreisten Vorschlag, der Staat solle eine „Bad Bank“ gründen. Diese soll dann mit staatlicher Hilfe jene „Wertpapiere“ aufkaufen, deren wahrer Wert zum Teil schon jetzt ins Bodenlose gesunken ist und laut Prognosen weiter sinken wird. So könnten die Geschäftsbanken ihr Portfolio bereinigen und sich von riskanten oder ruinösen Papieren befreien.

Vorerst fand Ackermanns Vorschlag keine Resonanz. Ein solcher Aufkauf wäre für den Steuerzahler extrem teuer, argumentierte die Regierung, und man könne nicht über die bereitgestellten staatlichen Garantien hinaus „Toxic Assets“ aufkaufen.

Weiteres Fiasko: Betrug an der Wall Street

Erneut stehen einige Banken vor dem Ruin. Der ehemalige Nasdaq-Chef Bernard Madoff, ein bis dato angesehener Börsianer, soll jahrelang Investoren mit einem sogenannten Schneeballsystem[2] betrogen haben. Seine Firma Bernard Madoff Investment Securities LLC hatte einen exzellenten Ruf in Fachkreisen und gehörte zu den größten Maklern an der elektronischen Börse Nasdaq. Madoff beschäftigte Hunderte von Händlern.

Bisher schätzen US-amerikanische Ermittler den Schaden auf 50 Milliarden US Dollar. Der einst gefeierte Großinvestor hatte stets behauptet, „die Renditen zwischen acht und zwölf Prozent Zinsen pro Jahr kämen durch Absicherungen von Aktiengeschäften mit Optionen zustande, bei denen der Investor von großen Kursschwankungen profitieren kann“[3]. Seine tatsächliche „Investmentstrategie“ war wesentlich simpler. Renditen für vorhandene Anleger wurden mit dem Geld von Neuinvestoren bezahlt. Der Hauptteil der „Investitionen“ wanderte offensichtlich in Madoffs Privatkasse. Wo das Geld danach gelandet ist, bleibt vorerst unklar. Madoff selbst gesagt, er habe nur noch 200 bis 300 Millionen Dollar. Bewahrheitet sich alles nach dem jetzigen Kenntnisstand, wäre es der größte Betrugsfall der Geschichte.

Betroffen sind auch europäische Großbanken, wie die britische HSBC. Laut Angaben der Financial Times drohen ihr Verluste von 1,5 Milliarden Dollar. Die spanische Banco Santander hat bereits einen Schaden von 2,3 Milliarden Euro eingestanden. „Deutsche Bank und Commerzbank lehnten es am Montag auch auf Anfrage ab, sich zu Madoff zu äußern“, konstatiert die FAZ. Noch ist nicht bekannt, ob deutsche Banken überhaupt Madoffs windige Papiere halten. Lediglich die BayernLB, West und Nord LB sowie die Deka und Helaba teilten mit, sie seien nicht betroffen.

Ansonsten zieht sich Madoffs Spur durch Europa und die USA: Die französische Großbank BNP Paribas befürchtet einen Verlust von 350 Millionen Euro. Die italienische Unicredit, Nummer vier in Europa, hat bei Madoff 75 Millionen Euro eigenes Geld im Feuer. Die angeschlagene Royal Bank of Scotland ist mit bis zu 450 Millionen Euro dabei.[4] Möglicherweise einen existenzgefährdenden Milliardenverlust hat die US-amerikanische Investmentgruppe Fairfield Greenwich. Sie hatte nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte ihres Portfolios, nämlich 7,5 Milliarden US Dollar, Madoff anvertraut.

Mittlerweile steht auch die Börsenaufsicht SEC in der Kritik. Bereits 1992 hatten Ermittlungen bei der Vermögensverwaltung von Madoff stattgefunden. Danach hat es mehrfach Beschwerden gegeben, die die ungewöhnlich beständigen Renditen von Madoff in Frage stellten – allein die SEC reagierte nicht.[5] Madoff operierte offensichtlich über Jahre in einer rechtlichen Grauzone. Jenseits jeglicher Kontrolle sammelte er Geld von Anlegern. Erst seit 2006 ist er überhaupt bei der SEC registriert, aber entgegen der üblichen Prozederes wurde seine Firma nicht im Jahr nach der Anmeldung geprüft, schlimmer noch: Seine Bücher waren von einer „völlig unbekannten“ kleinen Prüfungsgesellschaft, der New Yorker Friehling & Horowitz, abgesegnet worden. Das ist absolut untypisch für ein Investitionsunternehmen, das zu den großen am Markt gehört und Milliarden Dollar-Beträge bewegt.[6]

Das FBI verhaftete Madoff. Nachdem ein Kunde 7 Milliarden Dollar Investitionen ausgezahlt haben wollte, konnte er die Summe nicht auftreiben – der Stein kam ins Rollen. Doch Madoff ist seit gestern wieder auf freiem Fuß. Gegen eine Kaution von 10 Millionen Dollar durfte er die kärgliche Polizeizelle verlassen und in sein 5 Millionen Euro Penthouse über den Dächern von Manhattan zurückkehren.[7]

[1] http://www.ftd.de/politik/deutschland/:Warnung-von- Ackermann-Welle-fauler-Wertpapiere-droht/451984.html

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Schneeballsystem#Anlagesysteme_mit_Schneeballcharakter

[3] http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3926& Alias=wzo&cob=387548

[4] Zahlen aus:

http://www.faz.net/s/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc~EB44F14A5F8F340668A1015 EB5533290D~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

[5] wie 4.

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[6] http://www.swamppolitics.com/news/politics/blog/2008/12/ sec_a_madoff_victim_too.html

[7] http://www.dailyrecord.co.uk/news/scottish-news/2008/12/16/ royal-bank-facing-400m- loss-in-alleged-wall-street-mega-fraud-86908-20974291/

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