Weltwirtschaft

"Unsere Mitglieder leben in Blechhütten"

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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In Südafrika findet zurzeit der größte Metallarbeiterstreik der Geschichte des Landes statt – 

Von THOMAS EIPELDAUER, 8. Juni 2014 – 

Für höhere Löhne und das Verbot von Leiharbeit – Demonstrierende Metallarbeiter in Johannesburg

In Südafrika befinden sich 220 000 Metallarbeiter und Ingenieure im Ausstand. Eine Lohnerhöhung von 12 Prozent, einen Wohnzuschuss von umgerechnet 68 Euro und das Verbot von Zeitarbeit fordert die größte Gewerkschaft des Metallsektors NUMSA. Die Unternehmerverbände lehnen das bislang ab. Kritisiert werden von den Belegschaftsvertretern auch die anhaltende hohe Arbeitslosigkeit sowie die neoliberale Umgestaltung der Ökonomie. “Wir glauben, dass jeder Südafrikaner das Recht zu arbeiten hat und einen Lohn verdienen sollte, der ein anständiges Auskommen gewährleistet. Dass dies in 20 Jahren Demokratie ein Privileg einiger weniger geblieben ist, ist beschämend”, heißt es in einem Memorandum von NUMSA.  

Die soziale Situation in Südafrika stellt sich tatsächlich katastrophal dar. Unter afrikanischen Arbeitern liegt die Erwerblosigkeitsrate bei 46 Prozent. Die am schlechtesten bezahlten Arbeiter verdienen etwa 5300 Rand (375 Euro) monatlich. “Die meisten unserer Mitglieder in diesem Sektor leben in Blechhütten und informellen Siedlungen, ihre Löhne reichen nicht aus, damit sie sich vernünftige Wohnungen leisten können”, heißt es in der Gewerkschaftsdeklaration. (1) Demgegenüber betont NUMSA die steigenden Profite und Ausschüttungen an Manager im Metallsektor.  

Der nun begonnene Streik gilt als einer der größten in der Geschichte des Landes. Schon jetzt zeigt er Wirkung. So meldeten multinationale Konzerne wie General Motors (GM) und BMW Beeinträchtigungen bei der Produktion. “Sollte der Streik länger als zwei Wochen andauern, werden die Risiken für die Fahrzeughersteller und Produktionsstätten deutlich wachsen”, erklärte Nico Vermeulen, Direktor der Herstellerverinigung National Association of Automobile Manufacturers of South Africa (NAAMSA). (2)

Dementsprechend begann bald nach Start des Ausstands eine Kampagne zur Kriminalisierung der kämpfenden Arbeiter. Vorgeworfen wurden ihnen Gewaltakte, Einschüchterungsversuche und Vandalismus. “Wir nehmen diese Anschuldigungen nicht auf die leichte Schulter”, ließ der Gewerkschaftsverband verlauten. “Sie sind Teil eines billigen Tricks der Unternehmer, um die Integrität unseres Kampfes für einen den Lebensunterhalt sichernden Lohn und bessere Arbeitsbedingungen zu untergraben.”

Gleichwohl scheint den Unternehmern nichts übrig zu bleiben, als sich auf Verhandlungen mit den Belegschaften einzulassen. Der strategische gut gewählte Zeitpunkt des Arbeitskampfes trägt dazu bei. Denn erst vor kurzem war ein monatelanger Streik in den Platinbergwerken zu Ende gegangen. “Die Metallarbeitergewerkschaft will den Schwung aus dem erfolgreichen Bergarbeiterstreik aufnehmen und für ihren Machtkampf mit dem ANC nutzen”, bilanziert Christian Selz in der jungen Welt. Hier zeigen sich auch bereits die politischen Dimensionen der Arbeitsniederlegung. Der ANC “regiert in einer Allianz mit der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) und dem COSATU, dessen stärkste Einzelgewerkschaft die NUMSA ist. Dennoch hatten sich die Metallarbeiter auf einem Sonderkongreß im Dezember vergangenen Jahres mit klarer Mehrheit gegen die fortgesetzte Unterstützung des ANC ausgesprochen, dessen Nationalen Entwicklungsplan bis 2030 sie in ihrer Resolution als ‘Programm unseres Klassenfeindes’ kritisierten”, schreibt Selz. (3)

Der durch den Streik generierte Druck auf Regierung und Arbeitgeber scheint indessen Wirkung zu zeigen. Man befinde sich “kurz vor einer Übereinkunft”, titelte am heutigen Dienstag die südafrikanische Mail&Guardian. Dem Blatt zufolge gebe es Annäherungen bei den Lohnerhöhungen, andere Forderungen der Gewerkschaft wie das Verbot von Leiharbeit und Subventionen für jugendliche Arbeiter seien aber noch umstritten. Der Streik könne aber nur enden, wenn “die Arbeitgeber endlich ein angemessenes Angebot auf den Tisch legen”, so Mphumzi Maqungo, Schatzmeister von NUMSA, gegenüber Mail&Guardian. (4)

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Anmerkungen

(1) http://www.numsa.org.za/article/numsa-memorandum-employer-representatives-metal-engineering-industrustries-bargaining-council/
(2) http://www.automobil-produktion.de/2014/07/gewalttaetige-streiks-legen-bmw-werk-in-suedafrika-lahm/
(3) http://www.jungewelt.de/2014/07-03/023.php?sstr=S%FCdafrika
(4) http://mg.co.za/article/2014-07-08-numsa-close-to-agreement-to-end-strike

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